Bomben gegen Enigma

Geschrieben am 06.04.2017 von

Am 7. April gibt es im HNF wieder ein „Cipher Event“. Ein Text wird mit einer Enigma-Chiffriermaschine verschlüsselt und per Funk verschickt. Im englischen Bletchley Park soll er empfangen und mit einer nachgebauten Bombe entziffert werden. Solche Geräte halfen dort im Krieg, deutsche Funksprüche zu lesen. Im Folgenden stellen wir einmal die verschiedenen Typen vor.

Die Enigma ist sicher die bekannteste Chiffriermaschine überhaupt. Im 2. Weltkrieg war sie das Standardmodell der Wehrmacht, der Reichsmarine und der Luftwaffe. Bekannt ist auch, dass englische Kryptologen um Alan Turing viele Funksprüche dechiffrierten, die mit der Enigma codiert wurden. Das geschah im Entschlüsselungszentrum Bletchley Park nördlich von London. Ein wichtiges Werkzeug waren automatische Maschinen, die Bomben.

Die Analyse der Enigma zählt zu den Glanzleistungen in der Geschichte der Kryptologie. Relativ einfach war dabei, die konstruktiven Details zu ergründen, also die Verdrahtung der drehbaren Rotoren. Das Hauptproblem bestand in der täglich wechselnden Einstellung der Chiffriermaschine. Rotoren ließen sich austauschen und auf unterschiedliche Weise auf eine Startposition setzen. Am Steckerbrett wurde mit Kabeln die Zuordnung der Buchstaben weiter verändert.

Die Engländer waren nicht die ersten, die die Engima entschlüsselten. Das gelang schon in den frühen 1930er-Jahren dem polnischen Geheimdienst. Dabei zeichneten sich die drei Mathematiker Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski aus. Sie setzten bei den Verfahrensvorschriften für die Enigma an. Demnach musste ein Absender zunächst eine Position der drei Enigma-Rotoren wählen, ausgedrückt in Buchstaben. Die Buchstabentripel wurden zweimal hintereinander mit der Grundeinstellung der Maschine für den jeweiligen Tag verschlüsselt und eröffneten die Nachricht.

Nach den sechs Buchstaben wurden die drei Rotoren auf die gewählte neue Position gesetzt. Als Hilfe zur Entschlüsselung entwarf Rejewski 1934 das Zyklometer, das auf zwei Rotor-Sätzen basierte. Im Herbst 1938 änderten die Deutschen die Bedienungsvorschrift. Marian Rejewski konstruierte nun eine neue Maschine mit 18 Rotoren. Angetrieben durch einen Elektromotor spielte sie in zwei Stunden 17.576 Einstellungen der Enigma durch. Das Ziel war, auf den Rotoren zwei Anzeigen desselben Buchstabens zu finden.

Rejewski-Bombe: 1 = Rotor-Satz, 2 = Motor,  3 = Schalttafel (Bild Aleksandra Pędzich, CC BY-SA 4.0)

Das war die Bomba. Der Ursprung des Namens ist unbekannt; vielleicht dachte Rejewski an das Betriebsgeräusch, das an das Ticken einer Zeitbombe erinnerte. Bilder der sechs gebauten Maschinen sind nicht überliefert. Das Einzige, was wir haben, sind Zeichnungen von Rejewski aus der Nachkriegszeit. Anfang 1939 waren die Bomben aber nutzlos, denn die Enigma-Regeln änderten sich erneut. Nun wählte der Absender drei Rotoren aus einer Fünfergruppe aus. Das ließ sich mit sechs Maschinen nicht mehr simulieren.

Im Juli 1939 übergaben die polnischen Kryptologen Pläne der Bombe, Enigma-Nachbauten und weiteres Material an Geheimdienstler aus England und Frankreich. Im September 1939 flohen sie vor den deutsche Truppen nach Rumänien. Nach einer Odyssee durch Frankreich, Spanien und England kehrte Rejeweski 1946 nach Polen zurück. Er starb 1980; hier ist er in einem TV-Clip aus den 1970er-Jahren zu sehen. Henryk Zygalski lebte bis zu seinem Tode 1978 in England. Jerzy Różycki ertrank 1942 bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer.

Turing-Bombe   (Foto GCHQ)

Zu Beginn des Jahres 1940 besuchte Alan Turing die Polen in ihrer Unterkunft in Frankreich. Zu dieser Zeit befand sich seine Entschlüsselungsmaschine schon im Bau. Sie wurde ebenfalls Bombe genannt. Die erste lief im März 1940 in Bletchley Park; sie bearbeitete Funksprüche der deutschen Luftwaffe. Das zweite, verbesserte Modell startete im August 1940. Bis zum Ende des Krieges baute die British Tabulating Machine Company, ein Hersteller von Hollerith-Lochkartentechnik, rund 220 Maschinen.

Eine Turing-Bombe war 2,10 Meter lang, 2 Meter hoch und 60 Zentimeter breit und wog eine Tonne. Sie enthielt 108 drehbare Trommeln in Dreiergruppen. Jede Gruppe simulierte eine Enigma, die ganze Bombe also 36. Als Eingaben dienten ein aufgefangener deutscher Funkspruch, natürlich chiffriert, und deutsche Worte, die im Klartext des Funkspruchs vermutet wurden. Wenn irgendwo in der Bombe Räder stoppten, waren aber noch weitere Tests erforderlich, bis endlich die aktuelle Einstellung der Enigma feststand.

Zwei Desch-Bomben mit Operatorin (Foto NSA)

Unsere letzte Bombe ist die aus Amerika. 1942 richtete die amerikanische Marine und die Registrierkassenfirma NCR in Dayton/Ohio eine geheime Fertigungsstätte ein. Leiter des United States Naval Computing Machine Laboratory war der Ingenieur Joseph Desch. Es baute nach englischem Vorbild 121 Maschinen, die beim Dechiffrieren der deutschen U-Boot-Enigmas halfen. Sie hatten seit 1942 vier Rotoren, weshalb die Desch-Bomben 16 Gruppen mit vier Trommeln enthielten. Die erste Maschine lief im Mai 1943.

Die Bomben aus Dayton waren 3 Meter lang und schneller als die englischen. Eine von ihnen wurde nach dem Krieg nicht verschrottet, sondern ans Museum des Geheimdienstes NSA abgegeben. Von den alten englischen Bomben hat wohl keine überlebt. Seit 2006 zeigt aber die Ausstellung in Bletchley Park einen funktionstüchtigen Nachbau. Er wird am 7. April beim Cipher Event mitwirken, bei dem das HNF einen Enigma-codierter Funkspruch abschickt. Wir drücken alle Krypto-Daumen, das den Kollegen die Entschlüsselung gelingt.

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , ,

Ein Kommentar auf “Bomben gegen Enigma”

  1. Norbert Ryska sagt:

    In dem kurzen polnischen TV-Clip mit Marian Rejewski sagt dieser, dass er auch erst 70 Jahre alt werden musste, um aus dem Buch „The Ultra Secret“ von Frederic Winterbotham zu erfahren, welche Bedeutung die Ent-schlüsselung der Enigma für die Kriegsführung im 2. Weltkrieg noch erlangt hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.