Der Tag des ENIAC

Geschrieben am 11.02.2016 von

Der ENIAC oder „Electronic Numerical Integrator and Computer“ war mit 17.500 Röhren und 7.200 Dioden der erste frei programmierbare Elektronenrechner. Vor siebzig Jahren, am 15. Februar 1946, wurde er von der US Army der Universität von Pennsylvania zur Nutzung überlassen. Zugleich erschienen viele Berichte über ihn. Seitdem leben wir in der Ära des Computers.

„Nach Genießen und teilweisem Verdauen von Hummersuppe, Filet mignon und einem halben Dutzend Reden erhob sich ein halbes Hundert der Spitzenforscher und -mathematiker des Landes von ihren Plätzen im Houston-Saal der Universität von Pennsylvania. Geschlossen marschierten sie drei Häuserblocks weiter zur Moore-Schule für Elektrotechnik, um dort die erste Vorführung des jüngsten und größten Maschinengehirns zu erleben, einer Ansammlung von Schaltern, 18.000 Röhren und Schränken, die einen ganzen Raum füllen.“

So schilderte das Nachrichtenmagazin TIME die Veranstaltung in der Stadt Philadelphia, die vor 70 Jahren das Computerzeitalter einläutete. Am Abend des 15. Februar 1946 enthüllte die US Army den „Electronic Numerical Integrator and Computer“ ENIAC und stellte ihn der örtlichen Universität zur Verfügung, wo sich das Gerät schon seit längerem befand. Auch ENIACs Konstrukteure, der Physiker John Mauchly und der junge Ingenieur John Presper Eckert, kamen von der Hochschule.

ENIAC gilt allgemein als erster programmierbarer Elektronenrechner, was das Wort Computer andeutet. Der Ausdruck Numerical Integrator weist dagegen auf den zunächst angedachten Hauptzweck des Geräts hin. Eine numerische Integration ist die Bestimmung der Fläche unter einer Kurve im Koordinatensystem. Solche Integrationen treten beim Errechnen von Schusstafeln auf, die die Leistung einer Kanone bei unterschiedlichen Geschossen, Schusswinkeln und Wetterlagen beschreiben.

Im 2. Weltkrieg wurden die Tafeln mühsam mit Tischrechenmaschinen oder etwas schneller mit Analogrechnern ermittelt. 1942 schlug John Mauchly der Armee ein digitales elektronisches Instrument vor. 1943 kam in der Universität von Pennsylvania der Bau in Gang, der streng geheim erfolgte und 400.000 Dollar verschlang. Fertig wurde ENIAC erst nach Kriegsende, was es den Militärs aber leichter machte, ihn aus der Geheimhaltung zu entlassen und die wissenschaftliche Nutzung zu erlauben.

Wie der Bericht des Army-Mathematikers Herman Goldstine und seiner Frau Adele zeigt, war ENIAC kein Einzelgerät, sondern ein Raum mit 40 miteinander verkabelten Elektronik-Gestellen, drei Rollschränken mit Drehschaltern sowie Apparaten zum Einlesen und Ausgeben von IBM-Lochkarten. Insgesamt enthielt die Hardware rund 17.500 Röhren, 7.200 Dioden, 1.500 Relais, 70.000 Widerständen und 10.000 Kondensatoren, Sie wog 27 Tonnen. Der Strombedarf betrug 150 Kilowatt.

Interaktiver ENIAC-Simulator des HNF

Interaktiver ENIAC-Simulator des HNF. (Foto: Jan Braun, HNF)

Die Programmierung der Anlage war höchst umständlich und oblag sechs jungen Frauen, die später oft „ENIAC Girls“ genannt wurden. Mehr über sie berichtet nicht nur das Internet, sondern auch die Ausstellung Am Anfang war Ada zu Frauen in der Computergeschichte, die noch bis zum 10. Juli im HNF zu sehen ist. Dort kann der Besucher auch Operationen an einem ENIAC-Simulator durchspielen. Der eigentliche ENIAC-Bereich liegt aber im 1. Obergeschoss des Museums: Er ist um eine Fläche von 80 Quadratmetern gruppiert, die etwa dem historischen Rechnerraum entspricht.

Nach der Freigabe arbeiteten zivile Forscher und wissenschaftliche Offiziere am ENIAC – man denke an die Schusstafeln. Weitere User kamen vom Atomwaffenzentrum Los Alamos, um Berechnungen für die Wasserstoffbombe anzustellen, die 1952 zündete. Im ersten Halbjahr 1947 wurde der Computer Schrank für Schrank abgebaut und zu einem militärischen Testgelände im US-Bundesstaat Maryland transferiert. Hier leistete er noch treue Dienste bis zum 2. Oktober 1955. Heute verteilt sich die überlebende ENIAC-Hardware auf mehrere Museen, einige Teile befinden sich im HNF.

Am 15. Februar 1946 wurde ENIAC nicht nur in Philadelphia vorgeführt, sondern auch landesweit in den Morgenzeitungen vorgestellt, allen voran in der New York Times. Besonderes Aufsehen erregte die Schnelligkeit, mit der ENIAC rechnete: Die Addition zweier zehnstelliger Dezimalzahlen geschah in 200 Mikrosekunden. Über Nacht kam eine Erfindung zur Welt, das Roboter- oder Elektronengehirn, das die Gemüter bewegte und sich in Medien und Literatur niederschlug. Auch der Name war stilbildend und führte zu den ILLIACs, JOHNNIACS, MANIACs, ORDVACs und UNIVACs der 1950er-Jahre.

Die Informatikerin Dianne Martin hat 1995 die Pressekonferenz, die die Welt erschütterte analysiert, jedoch ein falsches Datum angegeben. Der ENIAC-Pressetermin war schon am 1. Februar 1946. An diesem Tag wurde auch unser Eingangsbild geknipst. Ganz links stehen John Presper Eckert und ENIAC-Projektleiter John Brainerd und neben diesem Samuel Feltman, der Ballistikchef der Army, und in Uniform Herman Goldstine. Es folgen John Mauchly und Dekan Harold Pender und schließlich General Barnes und Oberst Gillon von der Waffenabteilung der Armee.

Damals entstand wahrscheinlich der Film mit ENIAC und seinem Personal, der auf YouTube in bester Auflösung vorliegt. Hier sehen wir die Programmiererinnen, die das Kriegsministerium der USA und viele spätere Artikel und Berichte unterschlugen. Zwei von ihnen finden wir auf dem populärsten aller ENIAC-Fotos wieder, mit dem wir unseren Bericht abschließen möchten. An der rechten Wand stehen vorne Frances Bilas – nach der Heirat Frances Spence – und weiter hinten ihre Kollegin Jean Bartik.

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