Die Enigma nach der Enigma

Geschrieben am 17.10.2017 von

In einem Wald im Münchner Umland entdeckten zwei Metallsucher im Frühling eine vergrabene Chiffriermaschine. Es handelte sich um das mechanische Schlüsselgerät 41. Die Firma Wanderer fertigte ab 1944 rund 1.500 Stück davon. Gegen unbefugtes Brechen der Verschlüsselung bot das SG 41 eine größere Sicherheit als die Enigma. Das HNF besitzt zwei Exemplare des SG 41.

Das Thermometer zeigte 15 Grad, doch die Sonne schien, als Max Schöps und Volker Schranner am 5. Mai auf Schatzsuche gingen. Ihr Revier war ein Wald südlich von München, ihr Werkzeug ein Metalldetektor. Sie führten ihn über den Boden, wie im Video gezeigt, die Fachleute nennen das Sondeln. Und Schöps und Schranner wurden fündig: Der Detektor gab ein Signal. Sie zückten den Spaten und begannen zu graben.

40 Zentimeter unter der Erde lag etwas, was wie eine Militär-Schreibmaschine aussah. Die beiden Sondler bargen das Objekt und nahmen es mit nach Hause. Erst mit einigen Tagen Verspätung merkten sie, was wie tatsächlich entdeckt hatten: eine Chiffriermaschine des Typs Wanderer SG 41 – „SG“ steht für Schlüsselgerät. Mittlerweile steht sie im Depot eines großen deutschen Museums. Auch das HNF besitzt zwei Wanderer-Geräte; eines davon ist im Eingangsbild zu sehen. Es handelt sich um das Modell SG 41Z mit Zifferntastatur.

Aus bayerischem Boden: Wanderer SG 41 mit Tastatur (Foto Deutsches Museum)

Wohl jeder kennt die deutsche Chiffriermaschine Enigma. Es hat sich herumgesprochen, wie englische Kryptologen um Alan Turing ihre Geheimnisse entschlüsselten. Die Wanderer SG 41 ist dagegen nicht geknackt worden. Das lag vor allem daran, dass sie erst ab Oktober 1944 vom Hersteller ausgeliefert wurde: 1.000 Stück gingen an die Abwehr, den militärischen Nachrichtendienst, etwa 500 Exemplare des Ziffernmodells SG 41Z benutzte der Wetterdienst der Luftwaffe. An die Front kam die Maschine nie.

Konstrukteur der SG 41 und der SG 41Z war Fritz Menzer. Geboren 1908 im sächsischen Herrndorf, arbeitete er im 2. Weltkrieg als technischer Berater für die Abwehr in Berlin. Nach Kriegsende lebte er in der Sowjetzone, hatte aber auch Kontakt zur US-Armee. Er geriet deshalb unter Spionageverdacht und wurde in Dresden inhaftiert. Nach der Freilassung gelang ihm 1949 die Flucht in den Westen. Über sein weiteres Leben ist nur wenig bekannt. 1973 erhielt Menzer das Bundesverdienstkreuz. Er starb 2005 in Bad Homburg.

Das Grundprinzip seines Geräts übernahm Menzer vom schwedischen Kryptologie-Pionier Boris Hagelin. Er hatte 1935 eine mechanische Chiffriermaschine erfunden, die unter den Namen C-35, C-36 und M-209 in Serie gefertigt wurde. Die Zeichnung aus dem deutschen Patent 667 562 zeigt den Aufbau. Im unteren Bildteil erkennt man Räder mit Buchstaben auf dem Rand. Hier wird der Code zum Verschlüsseln eingestellt. Die Räder beeinflussen über ausfahrbare Hebel die Trommel im oberen Teil, die aus verschiebbaren Stäben besteht.

Zeichnung aus dem deutschen Chiffriermaschinen-Patent von Boris Hagelin

Zum Chiffrieren eines Klartext-Buchstaben muss der Benutzer die Trommel einmal um 360 Grad drehen. Dabei versetzen jene Hebel eine Anzahl von Stäben ein Stück nach links. Die verschobenen Stäbe bewegen ein Zahnrad um die gleiche Anzahl von Positionen weiter. Die Drehung des Zahnrads liefert nun den geheimen Buchstaben. Dann kommt das nächste Zeichen zum Verschlüsseln dran. Der Empfänger der Botschaft muss an seiner Maschine die Buchstabenräder in gleicher Weise einstellen und danach den Geheimtext eingeben.

Ausgegeben wird der dechiffrierte Text auf einem Papierstreifen. Dieses Element finden wir bei der SG 41 wieder. Gegenüber dem schwedischen Vorbild nahm Fritz Menzer diverse Änderungen vor. Er fügte eine Tastatur hinzu, baute die Einstellräder um und machte die Verschlüsselung komplexer. Das war auch nötig, denn das erwähnte Modell M-209 – die amerikanische Version der Hagelin-Maschine – wurde im Krieg von deutschen Kryptologen geknackt. Es übermittelte aber keine strategisch wichtigen Informationen.

Zum Schluss sei auf eine weitere Verbindung des Schlüsselgeräts 41 zum HNF hingewiesen. Sein Hersteller Wanderer saß in Chemnitz und wurde nach 1945 aufgelöst. 1949 startete in München ein Wanderer-Nachfolger; er baute Fahrräder und Mopeds. 1960 übernahm er auch die Kölner Büromaschinenfirma Exacta. Für diese produzierte das Labor für Impulstechnik von Heinz Nixdorf. Als jene Firma in die Krise geriet, sah er seine Chance. 1968 fusionierte er Wanderer und sein Labor zur Nixdorf Computer AG. So merkwürdig läuft Geschichte.

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