Ein Filmstar mit Erfindergeist

Geschrieben am 30.01.2018 von

Beim Frequenzsprungverfahren laufen Funksignale abwechselnd über mehrere Kanäle. Eine Anwendung ist die Bluetooth-Verbindung von Geräten über kurze Distanzen. 1941 erfanden der Hollywood-Star Hedy Lamarr und der Komponist George Antheil eine Technik, um Torpedos mit Funk zu steuern. Auch sie sollte wechselnde Kanäle nutzen. Lochstreifen regelten die Sprünge des Signals von einer Frequenz zur anderen.

In ihrer Glanzzeit galt Hedy Lamarr als schönste Frau der Welt. Geboren wurde sie am 9. November 1914 als Hedwig Kiesler als Tochter eines Bankdirektors in Wien. Mit fünfzehn wirkte sie als Statistin in ihrem ersten Kinofilm mit; nach und nach erhielt sie größere Rollen. 1933 trat sie unbekleidet im skandalummwitterten tschechischen Liebesdrama Ekstase auf. Im gleichen Jahr heiratete sie einen österreichischen Waffenhändler, der ihr nur wenig Freiheiten ließ. 1937 floh sie über London nach Hollywood.

Dort nahm sie das MGM-Studio als Hedy Lamarr unter Vertrag. Von 1938 bis 1958 spielte sie in 25 Filmen mit; ihr größter Erfolg war 1949 „Samson und Delilah“. In den 1960er-Jahren war sie gelegentlich Gast von Spiel- und Talk-Shows im Fernsehen. Ihre sechs Ehen endeten in Scheidung. Daneben hatte sie zahllose Affären, fand aber niemals das wahre Glück. 1967 zog sie von Kalifornien nach New York; später lebte sie in Florida. Sie starb am 19. Januar 2000 in Altamonte Springs nördlich von Orlando.

Der junge George Antheil

Gegen Ende ihres Lebens erntete Hedy Lamarr noch Ruhm als Erfinderin. 1982 stieß der amerikanische Physiker Robert Price auf ein lange abgelaufenes Patent. Hedy hatte es am 11. August 1942 zusammen mit dem Komponisten George Antheil erhalten. Sie hieß darin Hedy Kiesler Markey, da sie kurze Zeit mit dem Drehbuchautor Eugene Markey liiert war. Das Patent trug die Nummer 2.292.387 und den Titel Secret Communication System. Die Anmeldung des geheimen Kommunikationssystems war am 10. Juni 1941 erfolgt.

Hedy und George trafen sich zum ersten Mal bei einer Party im August 1940. Antheil war Jahrgang 1900 und Sohn deutscher Einwanderer. In den 1920er-Jahren lebte er in Berlin und Paris. Hier komponierte er unter anderem ein Mechanisches Ballett für selbstspielende Klaviere und Schlaginstrumente. 1924 erfand er einen elektrischen Apparat zum Aufzeichnen von Musik auf Papier und der Wiedergabe mit einem Piano. Für den „Appareil et papier pour l’inscription de la musique“ bekam er das französische Patent Nr. 578.777.

Aus dem Patent von George Antheil von 1924: Papier zum Speichern von Musikstücken

Im US-Patent von 1941 finden wir ebenfalls einen Streifen aus Papier oder einem ähnlichen Material. Er wird synchron im Sender und im Empfänger des Kommunikationssystems abgetastet und bestimmt die Frequenzen, über die das System Signale abschickt. Die Signale springen also von einer Frequenz zu einer anderen. Zur Auswahl stehen dabei sieben Kanäle, von denen aber nur vier Informationen übertragen. Auf drei Kanälen wird gesendet, doch nicht empfangen.

Der Grund für die Sprünge ist einfach: Das Kommunikationssystem lenkt eine Waffe gegen einen Feind, der die Übertragung weder abhören noch stören können soll. Hedy Lamarr und George Antheil konzipierten eine Fernsteuerung für Torpedos. Der Sender sitzt auf einem Schiff oder in einem U-Boot, der Empfänger in einem Torpedo. Beim Abfeuern des Torpedos starten die Abtastungen der Datenstreifen und die Übertragung der Steuerbefehle. Der Mann am Sender schickt „Ruder rechts“ oder „Ruder links“ an den Torpedo und führt ihn so ins Ziel.

Zeichungen aus dem Patent von 1941: oben Angriff mit Torpedos, unten der Datenstreifen für die Frequenzsprünge

Wir dürfen annehmen, dass Hedy Lamarr die Torpedos ins Patent einbrachte. Ihr Kurzzeit-Ehemann Eugene Markey war nach dem 1. Weltkrieg Reservist in der Marine; er könnte von den Tests ferngelenkter Torpedos gewusst haben, die in den 1910er- und 1920er-Jahren an der US-Küste stattfanden. Die erforderlichen Funkgeräte entwickelte der Fernsteuerpionier John Hays Hammond junior. Er dachte auch schon an eine Verdoppelung der Frequenz, um den Feind zu verwirren.

1932 verkaufte Hammond seine Torpedo-Patente an die US Navy. Im 2. Weltkrieg wurden solche Waffen aber von keinem Land der Welt gebaut. Mittlerweile kommen ferngesteuerte Torpedos zum Einsatz. Sie werden allerdings nicht per Funk gelenkt, sondern über einen dünnen Draht, den der Torpedo hinter sich herzieht. Damit bleibt er die ganze Zeit mit dem Mutterschiff in Verbindung. Die Torpedos des 2. Weltriegs enthielten in der Regel ein Kreiselsystem, das sie automatisch auf Kurs hielt oder einen Bogen fahren ließ.

John H. Hammond junior, Spezialist für Fernsteuerungen

Nach der Patentierung wurde das Kommunikationssystem von Hedy Lamarr und George Antheil sofort zur Geheimsache. Kurz nach Kriegsende skizzierte es die Schauspielerin in groben Zügen für die Soldatenzeitung Stars and Stripes. Der interessante Teil ist natürlich der Frequenzsprung. Seit Beginn der Funktechnik grübelten Erfinder über Methoden, um Signale beim Senden aufzuteilen und auf diese Weise Mithören und Stören zu erschweren. Die Teilung kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen.

Auch in der Patentliteratur taucht der Frequenzsprung schon vor 1941 auf. So erfand der Holländer Willem Broertjes 1929 eine „Vorrichtung zur Erzielung der Geheimhaltung bei der drahtlosen Übertragung telegraphischer Berichte“. Sie nutzte mehrere Kanäle, in die zur Irreführung von unbefugten Lauschern Ruhefrequenzen eingeschaltet wurden. Broertjes erhielt dafür ein deutsches Patent (Nr. 571.907) und eines in den USA (Nr. 1.869.659). Die Ruhefrequenzen finden wir ganz ähnlich im Lamarr-Antheil-Patent.

Mark 14, der Standardtorpedo der USA im 2. Weltkrieg

In der Nachkriegszeit entwickelten amerikanische Firmen diverse Techniken des „Spread Spectrum“, zu Deutsch Frequenzspreizung. Die von Hedy Lamarr, George Antheil, Willem Broertjes und anderen beschriebenen Verfahren fallen in den Bereich „Frequency Hopping Spread Spectrum“, abgekürzt FHSS. Es ist jedoch fraglich, ob die alten Patente direkt in die neueren FHSS-Systeme einflossen. Vermutlich wurden die springenden Frequenzen öfter neu gefunden und praktisch realisiert, zuletzt mit modernster Elektronik.

Nach der Wiederentdeckung ihres „Secret Communication System“ erhielt Hedy Lamarr 1997 einen Sonderpreis der Electronic Frontier Foundation, des amerikanischen Pendants zum Chaos Computer Club. 1998 wurde sie auch in ihrer Heimat geehrt. Das Ars-Electronica-Festival in Linz zeigte die multimediale Installation Hommage à Hedy Lamarr. Auf dem Chaos-Communication-Congress 2016 präsentierte die Technikhistorikerin Anja Drephal sie als The Woman behind your WiFi.

(Foto Zeitgeist Films New York)

Selbst wenn neben Hedy Lamarr noch andere die WiFi-Technik ins Leben riefen, hat sie sich ihren Technikruhm verdient. Er brachte ihr und dem 1959 verstorbenen George Antheil auch die Theaterstücke Frequency Hopping und Secret Communication ein. Seit 2017 verleihen die Zeitgeist Films New York die Dokumentation Bombshell, die mit einem Torpedo und Bildern aus Hedys Patent wirbt. Daraus stammt auch unser Eingangsbild oben. Es wurde 1941 aufgenommen, im Jahr ihrer vergessenen und dann wiederauferstandenen Erfindung.

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