Flipper und Chips

Geschrieben am 11.04.2017 von

Seit Anfang April zeigt das HNF ein ganz besonderes Spielgerät: den Furminator. Man steckt den Kopf hinein und erlebt dann einen Flipper auf Augenhöhe. Heute sind diese Automaten weitgehend verschwunden; in den 1970er-Jahren standen sie aber in vielen Kneipen und Jugendzentren. Damals begann auch die Umstellung der Flipper von der Elektromechanik auf die neuen Mikroprozessoren.

Im Herbst feiert der Flipper den 70. Geburtstag, der mit den Paddeln. Am 25. Oktober 1947 brachte der Automatenbauer Gottlieb in Chicago den Humpty Dumpty heraus. Er besaß sechs „flipper bumpers“, um die herab rollende Stahlkugel ins Feld zu schießen. Später wurden sie auf zwei reduziert und rückten nach unten. Damit entstand die klassische Form des Geräts, das einst überall im Lande stand und Groschen oder Markstücke schluckte.

Mitten in der Goldenen Ära des Flippers kam eine andere Erfindung auf den Markt. Ab 1971 verkaufte die kalifornische Chipfirma Intel den ersten serienmäßigen Mikroprozessor, den Intel 4004. Eingebaut wurde er zuerst in eine Rechenmaschine, die japanische Busicom. Intel suchte natürlich weitere Kunden und schickte seinen Chipentwickler Federico Faggin auf eine Europareise. Im Spätsommer 1971 stellte Faggin den 4004 bei Nixdorf in Paderborn vor, wo man allerdings kein Interesse an einer Nutzung hatte.

Dafür erwarb der Ingenieur Dave Nutting einige Chips. Er betrieb in Milwaukee nördlich von Chicago die Dave Nutting Associates und entwickelte handelsübliche Spielautomaten. Sein Bruder Bill hatte in den 1960er-Jahren in Kalifornien die ganz ähnlich klingende Firma Nutting Associates gegründet. Sie bot Ende 1971 das Videospiel Computer Space an, das aber am Markt durchfiel. Sein Erfinder Nolan Bushnell verabschiedete sich, startete eine neue Firma namens Atari und schuf die Computerspielindustrie.

Transparenter elektromechanischer Flipper  (Foto Jon ‚ShakataGaNai‘ Davis, CC BY-SA 3.0)

Dave Nutting arbeitete zu jener Zeit für Bally in Chicago, wie Gottlieb ein bekannter Flipper-Produzent. 1974 schlug er der Bally-Spitze vor, in einem solchen Automaten die elektrischen Steuerelemente durch Elektronik zu ersetzen. Die Manager fanden die Idee gut und stellten zwei Geräte des Typs Flicker zur Verfügung. Nuttings Kollege Jeffrey Frederiksen machte sich an die Arbeit, baute Relais, Drehwähler und Kabel aus und setzte Intel-4004-Chips ein. Alles funktionierte hervorragend. Ein Prototyp hat sogar bis heute überlebt.

Unterseite eines Flippers aus der mechanischen Zeit. (Foto: Jan Braun, HNF)

Bally ließ sich jedoch mit der Vermarktung Zeit. Deshalb schloss Dave Nutting 1975 einen Vertrag mit der Firma Mirco in Arizona ab. The Spirit of ‘76 war der erste Mikroprozessor-Flipper, der in den Handel kam. Leider enttäuschte die äußere Gestaltung, sodass das Gerät wenig Freunde fand. Für die Bally-Tochter Midway konstruierte Nutting kleine Flipper für den Partykeller. Rund 12.000 Stück wurden verkauft. Im Dezember 1976 brachte Bally den ersten großen Flipper Freedom heraus. Er besaß den Nachfolger des 4004-Chips, den Intel 4040.

Erwähnen müssen wir noch die Flipper-Typen Dyn-o-Mite und Rock-On aus dem Jahr 1975. Hergestellt wurden sie von den Allied Leisure Industries in Florida. Statt Mikroprozessoren enthielten sie eine Vielzahl von weniger komplizierten Logikchips. Sie könnten jedoch die ersten elektronischen oder „solid state“-Flipper gewesen sein. Wie es scheint, gab es auch Kontakte zwischen dem Unternehmen und dem Ingenieur Chuck Peddle, dem Vater des Mikroprozessors MOS 6502 und des Mikrocomputers Commodore PET.

Ein Blick ins Innere des Furminators, seit 2. April im Foyer des HNF (Foto //////////fur//// art entertainment interfaces)

Nach Bally bestieg auch die Konkurrenz den Chip-Zug. Williams aus Waukegan – das liegt zwischen Chicago und Milwaukee – brachte im November 1977 den Flipper Hot Tip in einer elektrischen und einer elektronischen Version heraus. Kurz darauf folgte Gottlieb mit dem Automaten Cleopatra. Die Mikroprozessoren kamen von Motorola beziehungsweise von Rockwell. In Europa nutzte der spanische Hersteller Playmatic ab Ende 1977 RCA-Chips.

Bald verschwanden die elektromagnetischen Modelle, und die elektronischen beherrschten den Markt. 1979 klingelten, klackerten und piepten 200.000 Flipper in der Bunderepublik. Danach ging es langsam aber sicher abwärts. Heute gibt es weltweit nur einen Hersteller, Stern Pinball im Umland von Chicago. Parallel dazu erfolgte der unaufhaltsame Aufstieg der Computerspiele. 1977 brachte Atari eine Flipper-Konsole heraus. 1983 konnten Apple-User auf dem Monitor einen Flipper zusammensetzen und damit spielen.

Das HNF wird zur neuen Furminator-Ausstellung auch richtige Spielautomaten zeigen; wir bedanken uns beim Leihgeber Paul Zubec. Wer keine Zeit findet, um nach Paderborn zu fahren, der kann das Innere eines Flippers ebenso auf YouTube erleben. Flippersammlungen gibt es in Bremen, Dortmund, Eschbach, Schwerin, Seligenstadt und Wittlich; in Neuwied steht das Deutsche Flippermuseum. Unten sieht man den Furminator.

Das Eingangsfoto zeigt einen Flipper im Detail (Foto: Jan Braun, HNF).

Foto //////////fur//// art entertainment interfaces

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Ein Kommentar auf “Flipper und Chips”

  1. Apropos Intel nicht willkommen in Paderborn: „Intel bewarb damals seinen 4-Bit Rechner in P-Kanaltechnologie, wohingegen wir den 8-Bit Rechner in der schnelleren N-Kanaltechnologie bereits fertig hatten, der eine wesentlich bessere Programmsprache und Adressverwaltung beinhaltete,“ sagte Lorenz Hanewinkel, der damalige E-Chef von Nixdorf. Außerdem erkannten die Entwickler schon, dass Ihnen die Felle wegzuschwimmen drohten. Also die Intel-Entwicklung schlecht reden.

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