Ist doch logisch

Geschrieben am 14.11.2017 von

Am 2. April 1947 meldete Konrad Zuse in Österreich eine “Vorrichtung zum Ableiten von Resultatangaben mittels Grundoperationen des Aussagenkalküls“ zum Patent an. Am 25. August 1952 wurde ihm das Patent gewährt. Schon vorher beschrieb er in Aufsätzen eine „logistische Rechenmaschine“ als Ergänzung seiner Digitalrechner. Mit ihr wagte er sich in das Forschungsgebiet der Künstlichen Intelligenz.

Unter Logistik verstehen wir heute – wir zitieren die Wikipedia – die Planung, Steuerung, Optimierung und Durchführung von Güter-, Informations- und Personenströmen. Oder kürzer: alles was mit Transport zu tun hat. Früher hatte das Wort eine weitere Bedeutung. Es bezeichnete die formale oder mathematische Logik, so wie sie sich seit dem frühen 20. Jahrhundert entwickelte.

Die Logistik war Konrad Zuse bekannt. 1943 verfasste er in Berlin eine Schrift über „Rechenplangesteuerte Rechengeräte für technische und wissenschaftliche Rechnungen“ – ein Rechenplan ist hier ein Programm. Zu jenen Apparaturen gehörten auch „Logistische Rechengeräte“. Zuse definierte die Logistik korrekt als mathematische Logik; die logistische Rechenmaschine beschrieb er aber anders. Er grenzte sie von den normalen „algebraischen“ Maschinen ab. In Zusammenhang mit Mathematikaufgaben heißt es auf Seite 7:

„Bei den algebraischen Rechengeräten muss für jede dieser Aufgaben ein eigner Rechenplan aufgestellt werden, was natürlich erst bei umfangreichen Formeln wirtschaftlich ist. Bei den logistischen Rechengeräten ist nur ein einziger freier Rechenplan erforderlich, der zunächst prüft, ob die vorgelegte Aufgabe überhaupt sinnvoll bezw. unbestimmt oder überbestimmt ist, und der dann den Rechengang festlegt,…“ Anders gesagt, die logistische Rechenmaschine löst mit einem einzigen Programm eine ganze Gruppe von Problemen.

Nach Kriegsende lebte Konrad Zuse mit seiner Frau Gisela und dem 1945 geborenen Sohn Horst im Allgäu. Hier brachte er eine Vielzahl von Studien zu Papier, die natürlich die von ihm gebauten – oder erträumten – Rechner betrafen. Im Juli 1948 entstand ein Text „Über Theorien und Anwendungen logistischer Rechengeräte“, im September folgte die revidierte Version „Über die Mechanisierung schematisch-kombinativer Aufgaben“. Die Studien lassen sich hier und hier aus dem Konrad Zuse Internet Archive herunterladen.

Als Anwendungsbeispiele nannte Zuse Planfertigung, Atomphysik, Chemie, Verwaltung, technische Konstruktionen, Steuerung von Werkzeugmaschinen, das Bauwesen, das Schachspiel und last not least linguistische Probleme. Die Logistik finden wir nicht, denn sie diente nur als programmtechnische Basis. In seiner Arbeit vom September 1948 beschrieb Zuse die dazugehörige Programmiersprache. Das war der sogenannte Plankalkül. Installiert wurde dieser nie, er war aber schon ein Schritt ins Gebiet der Künstlichen Intelligenz.

Relaisrechner vom Typ Simon aus den 1950er-Jahren (Foto Computer History Museum)

In jener Zeit befasste sich Konrad Zuse noch auf andere Weise mit der Logik. Beim österreichischen Patentamt – das deutsche war geschlossen – meldete er am 2. April 1947 einen von ihm erfundenen Relaisrechner für die Aussagenlogik an. Am 15. Februar 1952 wurde das Patent erteilt und am 25. August des Jahres veröffentlicht. Die „Vorrichtung zum Ableiten von Resultatangaben mittels Grundoperationen des Aussagenkalküls“ war die erste Geistesschöpfung, für die Zuse ein Patent bekam. Zum Download diesen Link anklicken.

Die Grundversion für eine einzige logische Verknüpfung enthält 17 Relais, an denen entweder eine Spannung anliegt oder nicht. Unsere Vorrichtung arbeitet nun in aufeinanderfolgenden Zyklen – Zuse sagte „Spiel“ – aus jeweils fünf Schritten. Die Steuerung geschieht durch einen Lochstreifen mit Reihen von maximal fünf Lochungen; jede Reihe regelt einen Zyklus. Die Art der Verknüpfung und die Wahrheitswerte der verknüpften Variablen werden rein mechanisch durch Setzen von Relais eingegeben. Die Ausgabe erfolgt durch Lämpchen.

In seiner Patentschrift zeigte Zuse anhand der Konjunktion, wie die Vorrichtung funktioniert. Bekanntlich ist die Formel a & b genau dann wahr, wenn sowohl a als auch b wahr sind – wir übernehmen das “&“ von Konrad Zuse. In den ersten beiden Zyklen liest das Gerät die erste und die zweite Reihe des Lochstreifens. Im nächsten Spiel wird die aussagenlogische Operation ausgeführt und im vierten das Resultat gespeichert. Das Eingangsbild oben ist ein Teil des Ablaufplans. Der Speicher des Rechners umfasst drei bit oder acht Speicherplätze.

Der Relaiscomputer wurde tatsächlich gebaut. Der SPIEGEL skizzierte 1949 die logistische Rechenmaschine und teilte mit: „Ein Versuchsgerät in Kofferformat baute Zuse bereits nach dem Krieg. Es übernimmt einfache Kombinationsaufgaben über das Rechnerische hinaus. Als ‚Spielzeuggerät‘ fristet es vorläufig in Zuses Werkstatt ein unbeachtetes Dasein.“ Irgendwann ging das Spielzeug wohl verloren, doch vielleicht kann einer unserer Leser anhand des Patents einen Nachbau erstellen. Ein Ehrenplatz im HNF wäre ihm gewiss.

2016 verfassten Max Dieckmann und Matthias Kupferschmidt zwei Bachelorarbeiten über Zuses Vorrichtung. Sie entstanden in der FU Berlin bei Professor Raúl Rojas. Einen entfernt verwandten Relaisrechner namens Simon konstruierte im Jahr 1950 der amerikanische Mathematiker und Technikautor Edmund Berkeley. Er dürfte nichts von den Ideen des deutschen Computererfinders gewusst haben.

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