Vom automatischen Arbeiter zum Industrieroboter

Geschrieben am 07.03.2016 von

Im letzten Dezember berichteten wir in unserem Blog bereits über Roboter und die große Roboterschau, die noch bis zum 25. September in der DASA Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund zu sehen ist. Heute geht es um die Geburt und die Frühzeit der Industrieroboter, die sich seit rund 50 Jahren in Fabriken überall in der Welt ausbreiten.

Die Anfänge des Industrieroboters sind wie so vieles in der Technikgeschichte ungeklärt. War die Nummer 1 der kranähnliche und selbstgesteuerte Gargantua, den der kanadische Student Bill Taylor Ende 1937 aus Teilen eines Stabilbaukastens zusammenschraubte? Oder eher der fiktive aber furchteinflößende Waldo, der im August 1942 das Cover des Magazins Astounding zierte? Im Inneren des Heftes stand die gleichnamige Science-Fiction-Story von Anson MacDonald alias Robert Heinlein.

Ein besserer Kandidat ist der automatische Arbeiter, der in den späten 1930er-Jahren in Berlin zur Welt kam. Geburtsort war eine Werkstatt, die von den Ingenieuren Rudolf Nebel und Karl Saur betrieben wurde. Der 1894 geborene Nebel hatte sich einen Namen als Leiter des Berliner Raketenflugplatzes gemacht, der von 1930 bis 1933 florierte. 1937 erhielte er vom Heereswaffenamt 50.000 Reichsmark für ein Raketenpatent. Das Geld investierte er in die neue Firma, die mit einer Werbebroschüre und dem Slogan „1 Million Arbeitskräfte automatisch“ Kunden suchte.

Rudolf Nebel (links) mit Raketenfreunden: in der Mitte steht Hermann Oberth, rechts der junge Werner von Braun (Foto Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum Feucht)

Rudolf Nebel (links) mit Raketenfreunden: in der Mitte steht Hermann Oberth, rechts der junge Wernher von Braun (Foto Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum Feucht)

Über Karl Saur wissen wir nur, dass er mehrere Patente für selbsttätig agierende Werkzeugmaschinen erwarb. Rudolf Nebels Buch Die Narren von Tegel, das 1972 in Düsseldorf erschien, deutete an, dass die beiden Ingenieure Abnehmer für ihre Systeme fanden. Ende 1943 wurde ihre Firma in Berlin ausgebombt und zog nach Bad Wilsnack an der Elbe um. Im Juli 1944 gab es aber einen Großauftrag für 20 automatische Arbeiter vom Mittelwerk. In der unterirdischen Fabrik in der Nähe von Nordhausen fertigten Tausende KZ-Häftlinge die „Vergeltungswaffen“ V1 und V2.

Am 1. April 1945 verließen Rudolf Nebel und Karl Saur die schreckliche Stätte. 1947 ging Nebel von Bad Wilsnack in den Westen. In den 1950er- und 1960er-Jahren hielt er viele Vorträge und wurde als Raumfahrtpionier gefeiert. Er starb 1978 in Düsseldorf. In seinem Nachlass im Deutschen Museum München befindet sich auch eine Zeichnung des automatischen Arbeiters. Dieser war ein Gestell, in dem ein Greifer oder ein Werkzeug in den drei Raumrichtungen bewegt wurde. Mehrere Gestelle nebeneinander ergaben eine kleine Fertigungsstraße.

Industrieroboter-Patent von George Devol von 1954

Industrieroboter-Patent von George Devol aus dem Jahr 1954

Nach dem Duo Nebel-Saur kommen wir zum Traumpaar der Industrierobotik – Devol und Engelberger. Der amerikanische Erfinder George Devol beantragte 1954 ein Patent für eine programmierte Versetzung von Gegenständen, das ihm 1961 erteilt wurde. Zwei Grafiken daraus stehen oben. Schon 1956 erkannte der Ingenieur Joseph Engelberger, der Devol auf einer Party traf, den Wert seiner Idee. Die beiden Männer gründeten in Danbury im US-Bundesstaat Connecticut die Firma Unimation, die dann den modernen digital gesteuerten Industrieroboter hervorbrachte.

Das erste Produkt des Unternehmens trug den Namen Unimate 1900 und wurde 1961 in einer Fabrik des Autokonzerns General Motors im Bundesstaat New Jersey aufgestellt. Ab 1966 lieferte Unimation seine Roboter in größerer Stückzahl. Aus jenem Jahr ist ein Video überliefert, das Joseph Engelberger und einen seiner Unimates in einer Talkshow des Fernsehnetzes NBC zeigt. 1967 fand die Premiere in Europa statt, als ein Unimate in Schweden seine Arbeit aufnahm. Aus dieser Zeit stammt auch eine englische Wochenschau, die die Greifhand aus nächster Nähe zeigt.

Joseph Engelberger, der am 1. Dezember 2015 mit 90 Jahren verstarb

Joseph Engelberger, der am 1. Dezember 2015 mit 90 Jahren verstarb

1969 installierte General Motors die ersten Unimation-Geräte zum Punktschweißen. Mit ihrer Hilfe wurden 110 Pkw pro Stunde gefertigt und damit doppelt so viel wie in jeder anderen Autofabrik im Lande. Die 1960er-Jahre sahen ebenso Fortschritte bei der Konstruktion von Roboterarmen. Beispiele sind der Tentakel des jüngst verstorbenen Marvin Minsky oder der Stanford-Arm von Victor Scheinman. Er besaß sechs Freiheitsgrade – die Bewegungen und die Achsendrehungen in den drei Raumrichtungen – und war vollständig computergelenkt.

1973 stellte die Augsburger Firma KUKA den Sechsachsenroboter Famulus vor. Später baute sie mit den Typen 600-60, 601-60 und 662-60 die Standard-Automaten der Autoindustrie. Ein besonderes Kapitel der deutschen Robotergeschichte ist die Halle 54 des Wolfsburger Volkswagenwerks. Sie diente der Endmontage der Modelle Golf II und Jetta II und wurde 1983 mit dem Ziel größtmöglicher Automatisierung eröffnet. Roboter übernahmen ein Viertel der Aufgaben, doch stieß das Programm an seine Grenzen und wurde heruntergefahren.

Aufsehen erregte 1979 ein Roboter, der in Hamburg gegen den schottischen Schachmeister David Levy spielte. Seine Züge wurden von einem Schachprogramm ausgetüftelt, das auf einem Control-Data-Computer in den USA lief. Ein Schachroboter von KUKA war 2001 und 2002 in der HNF-Ausstellung Computer.Gehirn zu sehen. Der jüngste Industrieroboter des HNF ist Vincent aus dem Hause Kawasaki, der seit 2014 Porträts von Besuchern zeichnet, wie das Foto unten zeigt (Foto: Jan Braun, HNF). Sie sind nicht so schön bunt wie die Bilder Vincent van Goghs, doch dauert die Herstellung auch nur zehn Minuten.

Vincent+

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