Wähle 333 auf dem Telefon…

Geschrieben am 03.11.2017 von

In den ersten Jahrzehnten des Telefons wurde ein Gespräch in der Regel mit der Hand vermittelt. Das übernahmen Heere von Telefonistinnen, kurz, das Fräulein vom Amt. Vor 125 Jahren, am 3. November 1892, ging in der amerikanischen Stadt La Porte das erste Netz mit Selbstwahl in Betrieb. Erfinder war der Lehrer und Bestattungsunternehmer Almon Strowger.

Vor anderthalb Jahren schilderten wir im Blog bereits die Erfindung des Telefons durch Alexander Graham Bell. Am 10. März 1876 sprach er in Boston die Worte „Mr. Watson – Bitte kommen Sie – Ich brauche Sie hier“ in den Apparat. Herr Watson am anderen Ende der Leitung eilte freudig herbei. Am 28. Januar 1878 nahm in New Haven im US-Bundesstaat Connecticut die erste Telefonzentrale die Arbeit auf. Sie versorgte 21 Anschlüsse.

Am 12. Januar 1881 begann in Berlin das erste deutsche Fernsprechamt mit acht Apparaten. Am 14. Juli 1881 erschien ein Telefonbuch mit 99 Namen. 1883 gab es in der Hauptstadt 1.500 Teilnehmer, 1889 bereits 10.000. Die Vermittlung der Gespräche übernahmen zunächst Beamte in schmucken Uniformen. Schon bald wurden sie durch Beamtinnen ersetzt; weibliche Stimmen ließen sich am Telefon schlicht besser verstehen. Das Fräulein vom Amt war geboren und blieb beinahe ein Jahrhundert lang der Mittelpunkt des Fernsprechverkehrs.

Ruf doch mal an: Telefonisten der Reichspost anno 1881  (Foto Siemens AG)

Männer müssen aber erfinden, und damit kommen wir zu Almon Strowger. Geboren wurde er 19. Oktober 1839 in Penfield im US-Bundesstaat New York. Das Städtchen liegt vor den Toren der Großstadt Rochester südlich des Ontariosees. Strowger nahm als Kavallerist am amerikanischen Bürgerkrieg teil; später arbeitete er als Lehrer in seiner Heimatstadt. In den 1880er-Jahren finden wir ihn als Bestattungsunternehmer im Bundesstaat Kansas und danach in Kansas City im benachbarten Missouri.

Als Geschäftsmann besaß Strowger natürlich ein Telefon und nutzte das lokale Telefonnetz. Irgendwann beschlich ihn der Verdacht, dass eine Telefonistin für ihn bestimmte Anrufe über Todesfälle an die Konkurrenz geleitet hatte – so erzählt es die Legende. Wutentbrannt setzte sich Strowger an seinen Schreibtisch und entwarf ein Telefon, das ohne Fräulein auskam. Am 12. März 1889 meldete er seine Erfindung zum Patent an; am 10. März 1891 besaß er die Patenturkunde mit Nummer 447.918 und dem Titel Automatische Telefonvermittlung.

Almon Strowger

Im Herbst 1891 gründeten der Erfinder und zwei Geldgeber die Strowger Automatic Telephone Exchange Company in La Porte bei Chicago. Hier stritten sich gerade die Stadtväter mit der Firma von Alexander Graham Bell um die Anlage eines Telefonnetzes. Ein Gericht hatte dem Ort ein eigenes Netz untersagt, doch Strowger ließ sich nicht beirren. Er verdrahtete La Porte mit seinem System; es erfasste bis zu 99 Teilnehmer. Am 3. November 1892 wurde das erste Telefonnetz mit automatischer Vermittlung mit Pauken und Trompeten eingeweiht.

Vom ersten Strowger-Telefon sind offenbar keine Fotos überliefert; das Deutsche Museum München fertigte aber eine Rekonstruktion nach seinem Patent an. Im Foto erkennt man rechts einen Zylinder, von dem strahlenförmig 100 Drähte ausgehen. In Wirklichkeit besaß der Zylinder zehn solcher Reihen mit insgesamt 1.000 Drähten. Im Zylinderinneren ließ sich mit Elektromagneten eine vertikal und horizontal bewegliche Nadel positionieren. Sie stellte den Kontakt zwischen der Eingangsleitung und einem der 1.000 Drähte her.

Prinzipienmodell des Strowger-Telefons von 1892 im Deutschen Museum

Wenn ein Teilnehmer einen anderen anruft, dann gibt er die Telefonnummer in die Tasten links ein. Beim Anschluss 333 drückt er also dreimal auf jeden Knopf. Das löst elektrische Impulse aus, die vom Telefon in die Telefonzentrale und zum dort befindlichen Zylinder gelangen. Sie heben zunächst die Nadel in die dritte Reihe und rücken sie anschließend auf den 33. Platz. Die Verbindung ist hergestellt: Beim angewählten Partner klingelt das Telefon. Bei anderen Nummern steuert die Nadel andere Reihen und Positionen an.

Wie man sich denken kann, setzte sich diese Technik nicht durch. Die Nachteile sind klar: Die Telefonzentrale muss für jeden Teilnehmer einen Zylinder bereitstellen, und nach 999 Anschlüssen ist Schluss. Gerettet wurden Strowger und sein Selbstwähltelefon durch zwei junge schwedisch-amerikanische Techniker, John und Charles Erickson. (Nicht verwandt mit Lars Ericsson, dem Gründer des globalen IT-Unternehmens.) Die beiden arbeiteten ab Ende 1893 in Strowgers Firma mit und lieferten entscheidende Verbesserungen.

Modell eines Hebdrehwählers (Foto Deutsches Museum)

Die wichtigste war der moderne Hebdrehwähler. Er glich mehreren aufeinandergesetzten Abschnitten des Strowger-Zylinders, funktionierte jedoch anders. Das Wählen einer Ziffer verschiebt kleine Schaltarme nach oben; anschließend bewegen sich diese selbständig in der Horizontalen weiter. Die Bewegung stoppt, sobald ein Arm eine gerade nicht genutzte Leitung findet. Ein Kontakt wird geknüpft, und die folgende Ziffer startet den nächsten Hebdrehwähler. Die letzten beiden Ziffern stellen dann den Anschluss zum Partner her.

Man versteht das Verfahren sofort, wenn man sich dieses Video anschaut oder aber die Telefonvermittlung im HNF besucht. Sie ist im Eingangsbild und gleichfalls im Video zu sehen (Foto: Jan Braun, HNF). Die Technik wurde im Laufe der Zeit immer weiter verbessert, nicht zuletzt durch die Beiträge der Firma Siemens & Halske. Die Deutsche Reichspost testete ab 1900 Selbstwähl-Anlagen in Berlin; 1908 stand das erste öffentliche Netz in Hildesheim zur Verfügung. 1909 folgte München. Zu dieser Zeit besaßen die Telefone auch Wählscheiben.

Vor dem 1. Weltkrieg waren Wählscheiben etwas eckiger

Almon Strowger zog sich 1898 aus dem Fernsprechgeschäft zurück; angeblich nahm er seinen alten Beruf als Bestattungsunternehmer wieder auf. Er starb am 26. Mai 1902 in Florida. Die nach ihm benannte Vermittlungstechnik hat er angestoßen, zum Funktionieren brachten sie dann andere Leute. Das Lied von der 333 auf dem Telefon hätte man aber durchaus am 3. November 1892 singen können.

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