Die echte und die falsche Holografie
Geschrieben am 18.07.2017 von HNF
1947 erfand der ungarische Ingenieur Dennis Gabor in England eine Verbesserung von Elektronenmikroskopen. Er nannte sie Holografie. 15 Jahre später entwickelten zwei Forscher in den USA daraus eine Technik für 3D-Bilder. In jüngster Zeit werden unter dem Namen Holografie räumliche Videopräsentationen angeboten. Sie basieren aber auf einem ganz anderen Verfahren, das ins 19. Jahrhundert zurückgeht.
Seit langem fasziniert „3D“ die Menschen. Der steinzeitliche Maler setzte seine Bisons auf die Wölbungen der Höhlendecke und verlieh ihnen dadurch Lebensnähe. Künstler in der Antike und später in der Renaissance entdeckten die Perspektive und zwangen den Raum in die Gitternetze der Geometrie. Der schottische Physiker David Brewster konstruierte um 1850 einen Guckkasten für Bilderpaare. Schaute man hinein, sah man eine räumlich wirkende Szenerie. So entstand die Kunst der Stereoskopie.
Im 20. Jahrhundert eroberte sie auch das Kino. 1937 war in Berlin der Farbfilm „Zum Greifen nahe“ zu sehen, den die Zuschauer mit Polarisationsbrillen betrachteten. Sie trennten die Ansichten für das linke und das rechte Auge, die auf der Leinwand übereinander projiziert wurden. Die Brillentechnik kommt bis heute bei 3D-Produktionen zum Einsatz. Parallel dazu entwickelte sich die Autostereoskopie, die ohne Brille auskommt. Wohl jeder kennt die Fotos mit geriffelter Plastikhaut; sie enthält das Linsenraster für den Stereoeffekt.
Die Königin der autostereoskopischen Techniken ist ohne Zweifel die Holografie. Erfunden wurde sie vor 70 Jahren vom ungarischen Elektroingenieur Gábor Dénes, besser bekannt als Dennis Gabor. Er kam 1900 in Budapest zur Welt; ab 1920 studierte er an der Technischen Hochschule Berlin. Nach der Promotion ging er zu Siemens; 1933 emigrierte er nach England. Hier war er in Rugby bei der elektrotechnischen Firma British Thomson-Houston tätig. Zu seinem Arbeitsgebiet gehörte auch die Elektronenmikroskopie.
1947 grübelte Gabor darüber nach, wie sich verschwommene Aufnahmen eines solchen Mikroskops verbessern lassen. Seine Lösung bestand darin, den elektronischen Bildfehler durch ein analoges optisches Verfahren auszugleichen. Er nannte das Prinzip Holografie nach dem griechischen Wort für Ganzheit, „holos“. 1948 publizierte er einen Artikel dazu, doch wirkte sich seine Idee kaum in der Mikroskoptechnik aus. Dafür fand sie ein ganz anderes Einsatzgebiet, nämlich bei der Erzeugung von echten räumlichen Bildern.
Die Väter der neuen Holografie waren zwei Forscher in den USA, Emmett Leith und der in Lettland geborene Juris Upatnieks. Sie befassten sich in den frühen 1960er-Jahren an der Universität von Michigan mit Radarwellen. Mit ihnen kann man den Erdboden unter einem Flugzeug scannen und ein Bild aufnehmen. Bei ihrer Arbeit stießen Leith und Upatnieks auf ein Verfahren, um mit einem Laserstrahl ein Objekt zu beleuchten. Die Lichtwellen, die das Objekt zurückwirft, werden mit dem gleichen Strahl gekreuzt und fotografiert.
Dieses Bild ist das Hologramm. Eigentlich wirkt es wie optisches Rauschen, doch hält man den obigen Laser darauf, sieht man urplötzlich das Ausgangsobjekt. Es erscheint in Rot getaucht, mit drei Dimensionen und vor allem ohne Stereobrille. Die ersten Hologramme wurden 1964 in den USA vorgestellt. In der Wochenschau, die wohl Ende 1966 entstand, erklärt ein junger Physiker aus München das Verfahren; er beginnt bei Minute 2:40. Aus dem Jahr 2014 stammt eine Schilderung in Farbe und auf YouTube.
Dennis Gabor erhielt 1971 den Nobelpreis für Physik; er starb 1979 in London. Der technische Fortschritt führte zu Hologrammen, die man schon bei normalem Licht betrachten konnte und auch von Normalbürgern erworben wurden. 1979 richtete der Werbefachmann Matthias Lauk in Pulheim ein Holografie-Museum ein, 1985 zeigte die Hamburger Kunsthalle eine schöne Ausstellung. Mit der Zeit erlahmte der Fortschritt, wenn man davon absieht, dass Mini-Hologramme Geldscheine, Kreditkarten, Ausweise und Nahverkehr-Tickets zieren.
Große Hologramme sind dagegen schwer zu erstellen; ein Wunschtraum bleibt der holografische Film. Dafür macht eine Technik von sich reden, die unter der Flagge der Holografie segelte, doch mit den Ideen von Dennis Gabor, Emmett Leith und Juris Upatnieks nur sehr wenig zu tun hat. Am 18. April 2017 trat der französische Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon einmal richtig und in sechs Städten virtuell vor seine Anhänger. Präsident wurde er nicht, aber seine „Hologramme“ machten Schlagzeilen.
Was im April zu sehen war, heißt in Frankreich Fantôme de Pepper und hierzulande Pepper’s Ghost. Es ist eine Theaterillusion, die 1858 der englische Ingenieur Henry Dircks erfand. In den 1860er-Jahren wurde sie durch den Wissenschaftsvermittler John Henry Pepper bekannt und mit seinem Namen verbunden. Eine große Glasscheibe spiegelt eine hell gekleidete Gestalt, die neben oder unter der Bühne vor dunklem Hintergrund agiert. Für die Zuschauer scheint sie auf der Bühne zu stehen; dort wirkt sie wie ein überirdisches Wesen.
Heute wird ein Video von oben auf eine Fläche vor der Bühne projiziert. Der Spiegel ist aus klarem Kunststoff: er lenkt das Video, das in der Regel einen Mann oder eine Frau von vorne zeigt, in den Zuschauerraum. Das Publikum sieht ihn oder sie auf der Bühne und bemerkt nicht, dass die Figur keinerlei Tiefe aufweist. Die Geisterillusion funktioniert auch in Vitrinen und auf dem Smartphone. Hier ist eine Anleitung zum Selbstbau, hier geht es zu passenden Videos. Viel Spaß mit der 3. Dimension! Unser Eingangsbild stammt von der TU Wien.