Eine Schachmaschine aus Bayern

Geschrieben am 27.12.2024 von

Am heutigen Freitag startet im HNF der Schachtürken-Cup, der bis Montag ausgefochten wird. Aus diesem Anlass möchten wir einen Schachautomaten betrachten, der im Februar 1820 in einem Münchner Café spielte. Er war der erste von einem deutschen Urheber. Die Berichte über den Automaten liefern eine ungefähre Vorstellung, wie er funktionierte. Sein späteres Schicksal ist unbekannt.

„Der Uhrmacher und Mechanikus Aloys Bayer aus Neuburg an der Donau hat in München so eben eine neue Schachmaschine seiner eigenen Erfindung aufgestellt, welche die Aufmerksamkeit des kunstliebenden Publikums auf sich zieht und darum großen Zulauf hat.“

So begann ein Artikel, den das „Kunst- und Gewerb-Blatt des polytechnischen Vereins im Königreich Bayern“ am 12. Februar 1820 brachte. Sein Verfasser war der Wissenschaftler und Staatsbeamte Julius Conrad von Yelin. Der Text schilderte einen Automaten mit der Gestalt und Größe eines Knaben; er saß im Kaffeehaus Tambosi auf einem Stuhl, der auf einem dreißig Zentimeter hohen und 1,2 Meter breitem Podest stand. Hinter ihm befand sich ein Vorhang und vor ihm ein kleiner Tisch mit einem Schachbrett, auf dem er die Figuren zog.

Die Maschine konnte „hinweg genommen, freygestellt und wiederum hingesetzt werden“, ohne dass eine mechanische Verbindung zum Stuhl erkennbar war. Von Yelin wies ihr jedoch nur eine geringe Spielstärke zu: „…sie verliert gegen geübte Spieler wohl manche Parthie. Das thut ihr aber in den Augen des Kenners, der in ihr leicht den wahren Mechanismus ahnet und auch erräth, keinen Eintrag.“ Hier würden wir natürlich gerne wissen, was der bayerische Staatsbeamte zur Technik des Automaten vermutete.

Auf dem Bild von Domenico Quaglio vom Münchner Odeonsplatz 1822 ist das Café Tambosi das kleine Haus. Rechts liegt der Hofgarten. (Foto Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Neue Pinakothek München, CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Schon am 2. Februar 1820 berichtete das Baierische National-Blatt über den Automaten. Der Autor hatte eine bessere Meinung von seiner Spielfähigkeit und erwähnte unter anderem die hölzernen Finger und den beweglichen Kopf. Zitat: „Es wird keinem vernünftigen Menschen einfallen, daß die Maschine nicht durch einen Menschen geleitet wird, der im Verborgenen das Ganze leitet […] hier ist bloß der gute Spieler und der feine ausgedachte Mechanismus, den man auch nicht im geringsten wahrnimmt, zu bewundern.“

Die schlauen Münchner durchschauten also den Automaten, lobten aber die Leistung des Schöpfers. Aloys Bayer verließ die Stadt im März und nahm wohl seine Schachmaschine mit. Wir treffen sie erst am 24. Juli 1823 wieder, als die Neue Speyerer Zeitung – der Ort gehörte damals zu Bayern – einen Auftritt beschrieb. Am Ende des Artikels lesen wir: „Hier ist keine grobe Täuschung, kein lächerlicher Betrug, sondern reine Wirkung der Mechanik und eines 23jährigen Studiums. Herr Bayer hat die Gefälligkeit gehabt, den ganzen Mechanismus zu zeigen und zu erklären;…“

Danach verschwand Aloys Bayer aus der Technikgeschichte und ward nicht mehr gesehen. 1825 erschien dann eine erweiterte Neuauflage des Physikalischen Wörterbuchs von Johann Samuel Traugott Gehler. Beim Stichwort Automat erwähnt es unsere Maschine, wir möchten die komplette Passage zitieren. Darin ist „F.“ die Abkürzung für Fuß, eine Maßeinheit der Länge 29,2 Zentimeter, ein Tabouret ist ein Stuhl oder Sessel, und das Pulpet bezeichnet wahrscheinlich das Podest unter ihm. Im Wörterbuch heißt es:

Schachspieler mit der Größe eines Sechsjährigen aus dem Spielzeugkatalog von Georg Bestelmeier von 1807. Er konnte Figuren greifen und bewegen. So dürfte auch Aloys Bayers Automat ausgehen haben. (Foto Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg)

„Der Schachspieler, welchen jüngsthin der Uhrmacher Aloys Bayer aus Neuburg an der Donau zeigte, ist eine Puppe, 4 F. hoch und auf einem Tabouret so sitzend, daß die Enden der in den Körper zur Hervorbringung der Bewegung des Kopfes und rechten Armes gehenden Stangen sich beim Wegnehmen des Automaten aus den Vorderfüßen des Tabourettes ziehen, dessen Deckel durch eine Springfeder im Momente des Herausziehens vorwärts geschoben wird und somit alle Verbindung dem Auge des Beobachters verschließt.“

„Die Stangen des Automaten stehen übrigens mit andern sehr einfachen Hebeln in Verbindung, welche unter einem Pulpet des Tabourets hinlaufen und von dem Erfinder in einem Nebenzimmer regiert werden, während derselbe durch einige feine Risse das Schachbret beobachtet und die nöthigen Züge dadurch bewerkstelligt, daß er durch die verborgenen Hebel den Arm des Automaten hebt, nach dem erforderlichen Schachsteine hinbewegt, durch Oeffnen des Daumens diesen ergreifen und wegnehmen oder an die gehörige Stelle setzen läßt.“

Das war also der erste und letzte deutsche Schachautomat; wir sehen vom Spielcomputer Mephisto ab, der in München entstand, und ebenso von seinen Kollegen aus der DDR. Das Café, in dem der Automat einst wirkte, existiert noch, es hat sich aber seit den Tagen König Maximilians von Bayern sehr verändert. Die Schachfreunde von Paderborn laden wir zum heute beginnenden Schachtürken-Cup ein; allen Lesern und Leserinnen wünschen wir einen guten Rutsch ins neue Jahr und kehren 2025 mit unserem Blog zurück.

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