Es gab nicht nur Atari – Mattel Intellivision
Geschrieben am 14.01.2020 von HNF
Mattel kennen wir als Hersteller von Barbie-Puppen und kleinen schnellen Spielzeugautos. Von 1980 bis 1984 bot die kalifornische Firma auch eine Konsole für Videospiele an; sie trug den Namen Intellivision. Das Gerät war eine echte Konkurrenz für den Marktführer Atari. Es wurde ein Opfer der Videospielkrise der 1980er-Jahre. Im kommenden Oktober soll eine Neuauflage erscheinen.
Am Anfang war Atari. Wie wir bereits im Blog schilderten, startete das Unternehmen im November 1972 die Ära der Videospiele. Genauer gesagt, der digitalen Spiele, denn zwei Monate vor Ataris Münzautomaten bot die Firma Magnavox Odyssey-Konsolen für den Fernseher an. Sie enthielten analoge elektrische Schaltkreise. Die Inhalte ähnelten sich teilweise: Was bei Atari Pong hieß, lief bei Magnavox als Tischtennis.
Atari beherrschte schnell den Markt, nicht zuletzt durch den Superhit Asteroids. 1977 erschien die Heimkonsole Atari 2600. Im gleichen Jahr trat aber auch ein Konkurrent an, die Mattel Incorporated. Sie wurde vor 75 Jahren gegründet und sitzt in El Segundo bei Los Angeles. Mattel fertigte zunächst Bilderrahmen und Möbel für Puppenhäuser. Der erste Erfolg war 1947 die Kindergitarre Uke-A-Doodle, den Durchbruch brachten 1959 die Barbie-Puppe und die sprechende Chatty Cathy. Für Jungen gab es ab 1968 Heiße Räder.
In den 1960er-Jahren stieg Mattel zum größten amerikanischen Spielzeugfabrikaten auf. 1976 brachte man das erste elektronische Produkt heraus, ein recht simples Autorennen. Die Wagen wurden durch kleine Blinklichter angezeigt. Es folgte eine ähnlich funktionierende, aber höchst erfolgreiche Football-Simulation. 1977 begannen die Arbeiten an einem richtigen Videospiel. Neben Ingenieuren von Mattel wirkte eine externe Beratungsfirma mit. Beim Programmieren der Spiele halfen Studenten einer technischen Hochschule.
Ziel der Bemühungen sollte eine Konsole sei, die hinsichtlich Bild- und Tonqualität die Atari-Anlage übertraf. Aus diesem Grund setzte Mattel einen 16-Bit-Chip von General Instrument ein. Die ersten Exemplare der Intellivision – der Name geht auf „Intelligent Television“ zurück – wurden Ende 1979 im kalifornischen Fresno angeboten. Zu ihnen gehörten vier Spiele: Poker-Blackjack, Backgammon, eine kleine Panzerschlacht und unterhaltsame Mathematik. Der landesweite Verkauf startete im Januar 1980.
Für 299 Dollar erhielt man die Konsole mit zwei Bedieneinheiten und einem vorinstallierten Spiel, dazu zehn Spielekassetten. Wer mehr wollte, musste Spiele hinzukaufen. Auf den Steuerungen befanden sich ein kombinierter Druck- und Drehknopf und ein Tastenfeld. Hatte der User eine Kassette eingesteckt, schob er eine Folie mit bunten Symbolen auf die Tasten. Nun konnte er die Kommandos für das ausgewählte Spiel eingeben. An den Seiten der Bedieneinheit saßen „action buttons“, zwei für Links- und zwei für Rechtshänder.
Intellivision hatte einen guten Start. Bis Ende 1980 wurden 175.000 Exemplare abgesetzt, 1981 waren es eine Million. Der große Konkurrent Atari erreichte 1980 die Millionenzahl und 1981 das Doppelte. Mattel blieb bei den Verkäufen also auf dem zweiten Rang, eroberte aber 1982 zwanzig Prozent des Marktes. Firmenintern sorgte Mattel Electronics für ein Viertel des Umsatzes und für die Hälfte des Gewinns. In der Werbung wies der bekannte Sportjournalist George Plimpton gnadenlos auf die Schwächen von Atari hin.
Nach und nach entstanden 133 Spiel- und Lehrprogramme für die Intellivision. Geschrieben wurden sie von Mattel-Angestellten und externen Entwicklern; Mattel übernahm natürlich Klassiker wie Pac-Man und Donkey Kong. Das interessanteste Spiel war die geografische Simulation Utopia, die erste ihrer Art. 1983 beschäftige Mattel 110 Programmierer. Um Abwerbungen zu erschweren, hielt die Firma ihre Namen und Anschriften geheim; für die Truppe bürgerte sich dann die Bezeichnung Blue Sky Rangers ein.
Wenig Glück hatte Mattel mit Ergänzungen und Fortsetzungen der Intellivision. Der Plan einer Erweiterung mit Tastatur musste zu den Akten gelegt werden. Das sprechende System Intellivoice verblieb nur ein Jahr im Handel. 1982 erschien die Version Intellivision II, ein Jahr später geriet die Firma jedoch in den Strudel der Videospielkrise. Im Januar 1984 entließ die Mattel-Spitze die letzten Beschäftigten des Elektronikbereichs, im Februar verkaufte sie ihn. Alles in allem hatte er rund drei Millionen Intellivisionen gefertigt.
Anschließend wurden die Spiele unter neuen Adressen und wechselndem Management produziert. Im Oktober 2018 kündigte die Firma Intellivision Entertainment – sie hält alle Rechte – eine Konsole namens Amico an. Sie soll im Oktober dieses Jahres auf den Markt kommen. Wir drücken die Daumen für den Relaunch; es gibt schon einen YouTube-Kanal für die Fans. Atari gibt es auch noch, der Konkurrenzkampf könnte also weitergehen. Unser Eingangsbild stammt von Max Mustermann CC BY-SA 2.0 – es wurde am Rand beschntten.