Für die Demokratie: 75 Jahre Verfassungsschutz
Geschrieben am 07.11.2025 von HNF
Am 7. November 1950 erfolgte die Gründung des Bundesamts für Verfassungsschutz, kurz BfV. Es war der erste westdeutsche Geheimdienst und sitzt in Köln; erster Präsident wurde der Jurist Otto John. Nach dem Bundesamt entstanden bis heute sechzehn Landesämter zum Schutze der Verfassung. In den frühen 1970er-Jahren installierte das BfV das Nachrichtendienstliche Informationssystem NADIS mit IBM-Computern.
„Die Bundesregierung hat auf einer Kabinettsitzung am Dienstag die Stadt Köln endgültig zum Sitz des neuen Amtes für Verfassungsschutz bestimmt. … Seine Aufgabe besteht in der Sammlung und Auswertung von Nachrichten über staatsfeindliche Umtriebe. Über die Person des Präsidenten ist noch nicht entschieden.“
Das berichtete die Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch, dem 8. November 1950, aus Bonn. Mit dem Kabinettsbeschluss am Vortag begann vor 75 Jahren die Existenz des Bundesamts für Verfassungsschutz. Die erste Adresse war ein gemietetes Bürohaus im Bankenviertel von Köln; hier zogen achtzehn Beamte, 43 Angestellte und 22 Arbeiter ein. Man teilte sich fünf Autos und fünfzehn Schreibmaschinen. Einige Jahre später wechselte das BfV in einen Neubau am Grüngürtel im Westen der Stadt. Heute sitzt seine Zentrale im Kölner Norden in Chorweiler, eine Nebenstelle ist in Berlin-Treptow.

Otto John am 11. August 1954 auf seiner Pressekonferenz in Ost-Berlin (Foto Bundesarchiv, Bild 183-25876-0001 / Heilig, Walter / CC BY-SA 3.0 seitlich beschnitten)
Nach dem Start des Bundesamts stellten sich elf Landesämter für Verfassungsschutz ein, fünf folgten nach der Wiedervereinigung. Sie bilden den Inlandsnachrichtendienst der Bundesrepublik und haben keine polizeilichen Befugnisse. Als Geburtsurkunde des BfV gilt der Polizeibrief, den die Militärgouverneure der westlichen Besatzungszonen am 14. April 1949 dem Parlamentarischen Rat schickten. Der bereitete das Grundgesetz vor. Es erschien am 23. Mai 1949 und erwähnt im Artikel 87 eine Zentralstelle „zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes“.
Ab dem 24. Mai 1949 existierte die Bundesrepublik mit einem Bundeskanzler und dem Bundestag. Der beschloss am 27. September 1950 ein Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Es ist nicht leicht zu lesen, schuf aber das zugehörige Bundesamt und die entsprechenden Landesbehörden. Am 7. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet; hier entstand bereits am 8. Februar 1950 ein allumfassendes Ministerium für Staatssicherheit.
Erster Chef des BfV wurde der 1909 in Marburg geborene Otto John; er amtierte ab dem 3. Dezember 1950 als kommissarischer und ab dem 17. November 1951 als richtiger Präsident. John war Jurist und ehemaliger Lufthansa-Manager; er gehörte der Verschwörung an, die 1944 ein Attentat auf Hitler unternahm. Zehn Jahre danach, am 20. Juli 1954, verließ John West-Berlin Richtung DDR, am 11. August erschien er auf einer großen Pressekonferenz in Ost-Berlin. Er machte eine Zeitlang Werbung für das DDR-Regime; im Dezember 1955 floh er nach Westen. Hier verurteilte ihn der Bundesgerichtshof zu vier Jahren Zuchthaus.
Im Juli 1958 wurde Otto John begnadigt; er starb 1997 in Innsbruck. Im Jahr 1985 zog es den Verfassungsschützer Hansjoachim Tiedge in die DDR, sein Kollege Klaus Kuron wirkte von 1982 bis 1990 als höchst effektiver DDR-Agent. Es fällt auf, dass von den BfV-Präsidenten bis 2025 nur vier ihren Dienst regulär beendeten. Auch ein Leiter des Landesamtes Thüringen wurde vorzeitig abgelöst. Mehr oder weniger vergessen sind heute die Pätsch-Affäre und das Celler Loch, ein Werk des Landesamtes Niedersachsen.
Verfassungsschützer sammeln gerne viele Daten. Das BfV kämpfte zunächst mit Kartei- und mit Lochkarten, in den frühen 1970er-Jahren brummten in Köln zwei Großrechner, eine IBM 360/40 und eine IBM 370/155. Das berichtete der SPIEGEL am 25. November 1973 in einem langen Anti-Computer-Artikel. Anfang 1977 feierte er aber die Informatiker des Bundesamts und der Landesämter und ihre Erfolge. IT-Experten wissen vom Nachrichtendienstlichen Informationssystem NADIS und vom Big-Brother-Award, den das BfV 2016 erhielt.
Vor seinem 75. Geburtstag gab das Bundesamt eine bunte Jubiläumsbroschüre heraus. Wir verweisen auch auf das Kompendium über die Arbeitsgebiete und die Erläuterungen zur Cyberabwehr. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht liegt hier. Erwähnen wollen wir noch die Miniserie Der Illegale, die das ZDF 1972 mit Förderung durch das BfV produzierte, und einen Anti-Verfassungsschutz-Film der Stasi von 1988. Last not least wünschen wir dem neuen Verfassungsschutz-Präsidenten Sinan Selen alles Gute für seinen Job.

