Nobelpreise und Computer
Geschrieben am 05.10.2015 von HNF
Für Informatik, das ist seit langem bekannt, gibt es keinen Nobelpreis. Aber schon mehrmals erhielten Forscher die wichtigste aller wissenschaftlichen Auszeichnungen für Entdeckungen, die direkt oder indirekt mit dem Computer zu tun hatten, darunter war auch ein deutscher Physiker. Zu Beginn der Nobelpreiswoche 2015 begeben wir uns auf die Suche nach den glücklichen Gewinnern.
Jedes Jahr Anfang Oktober verkündet die Nobel-Stiftung die gleichnamigen Preise, und nun ist es wieder soweit. Am Montag gab es schon den für Medizin, der Dienstag ist Physik-Tag, am Mittwoch erfahren wir den/die Gewinner des Preises für Chemie und am Freitag den Friedensnobelpreisträger. Am kommenden Montag verleiht die schwedische Reichsbank den Nobelpreis für Wirtschaft, oder wie er korrekt heißt, den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. (Der Nobelpreis für Literatur wird davon getrennt verkündet.)
Als Herr Nobel seine Preise auslobte kannte man noch keine Computer. Einen Nobelpreis für Informatik suchen wir deshalb vergeblich. Computerwissenschaftler können höchstens auf den Turing-Preis bzw. A. M. Turing Award hoffen, der seit 1966 existiert und nach dem berühmten englischen Mathematiker und Kryptologen benannt ist. Es gingen allerdings einige Nobelpreise an Männer, deren Arbeiten im weitesten Sinne zum Fortschritt der Rechentechnik beitrugen.
Die erste Auszeichnung dieser Art, den Physikpreis von 1956, erhielten die Amerikaner William Shockley, John Bardeen und Walter Brattain. Die drei entdeckten 1947/48 in den Bell-Telephone-Laboratorien die elektrische Verstärkung in Halbleiter-Kristallen, sprich den Transistor. Damit schufen sie die Grundlage der Computerhardware, so wie sie seit den späten 1950er-Jahren in Gebrauch ist. Bardeen bekam 1972 sogar einen weiteren Nobelpreis für seine Forschungen zur Supraleitung.
Der nächste Physik-Nobelpreis mit Computerbezug wurde im Jahr 2000 an Jack Kilby verliehen, der 1958 bei Texas Instruments den integrierten Schaltkreis, kurz IC, erfand. Wenig später entwickelte auch der Chemiker Robert Noyce in der Firma Fairchild Semiconductor einen IC-Typ, der dann die Massenfertigung von Chips und Mikroprozessoren und die moderne Mikroelektronik ermöglichte. Noyce hätte den Preis ebenfalls verdient gehabt, doch leider starb er 1990, und Nobelpreise werden in der Regel nicht posthum vergeben.
2008 ging die Auszeichnung an den deutschen Physiker Peter Grünberg, gleichzeitig wurde der französischer Forscher Albert Fert geehrt. Die beiden hatten zwanzig Jahre zuvor und unabhängig voneinander den GMR-Effekt entdeckt, der in benachbarten magnetischen und nichtmagnetischen Schichten von wenigen Nanometern Dicke auftritt. Mehr wollen wir hier nicht erklären, wichtig ist aber, dass dieser Effekt – nachdem eine technische Umsetzung gefunden war – die Kapazität von Festplatten gewaltig steigerte und Speichervermögen von vielen Gigabyte ermöglichte.
Im Folgejahr war einer der Nobelpreisträger für Physik der in Shanghai geborene und in England, den USA und Hongkong tätige Ingenieur Charles Kao, der Vater der modernen Glasfaseroptik. Kao zeigte schon in den 1960er-Jahren das Potenzial solcher Leitungen, die damals in der Informations- und Kommunikationstechnik eher unbeliebt waren, und ebnete den Weg zu den globalen Datennetzen von heute. Ohne Glasfaserkabel über Land und unter dem Meer wäre das Internet einfach undenkbar.
Nun kommen wir zu einem „Auch-Nobelpreisträger“, einem Gelehrten, der durch seine Arbeit in der Informatik bekannt wurde, doch den Preis aus anderen Gründen erhielt. Der amerikanische Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Herbert Simon schrieb in den 1950er-Jahren zusammen mit seinem Landsmann Allen Newell die Computerprogramme Logic Theorist und General Problem Solver, die zu den Pioniertaten der Künstlichen Intelligenz zählen. 1978 gewann er aber den Wirtschaftsnobelpreis für seine Forschungen über Entscheidungsprozesse in ökonomischen Organisationen.
Der letzte Nobel-Held unserer Liste ist der schwedische Physiker Hannes Alfvén, der in seiner Heimat und den USA lehrte und 1970 für seine Forschungen zum Thema Magnetohydrodynamik ausgezeichnet wurde. Vier Jahre vorher verfasste er unter dem Pseudonym Olof Johannesson „Die Saga vom großen Computer“, so der Titel der deutschen Fassung. Die Erzählung schildert den Weg zur Weltherrschaft der Denkmaschinen und dazu das Internet in den drei Stufen Teletotal (Computernetz), Minitotal (Netz mit Mobilgeräten) und Neurototal (Chips im Hirn). Es würde sich lohnen, diese zu Unrecht vergessene Computervision wieder neu herauszubringen.
Eingangsbild: https://sweden.se/society/the-nobel-prize-awarding-great-minds/