Unmögliche Figuren
Geschrieben am 30.05.2016 von HNF
1934 erfand der Schwede Oscar Reutersvärd noch als Schüler eine neue Art von 3D-Grafiken. Sie wirken auf den ersten Blick realistisch, doch offenbaren bei genauem Hinsehen tief sitzende geometrische Widersprüche. Seitdem haben solche „unmöglichen Figuren“ nicht aufgehört, uns zu faszinieren. Auch andere Künstler nahmen sich dieses Themas an. Im Folgenden bringen wir eine kleine Übersicht.
Es ist ein Rätsel. Das Ding sieht einerseits aus, als ließe es sich mit Holz, Hammer, Säge und ein paar Nägeln ohne Probleme nachbauen. Andrerseits passen die Balken einfach nicht zusammen, man kann sie drehen und wenden wie man will. Und beschreiben oder gar definieren ist ausgeschlossen. Man kann bloß gucken und staunen.
Willkommen in der Welt der unmöglichen Figuren! Unser Gebilde war eine der ersten, es heißt Tribar oder Penrose-Dreieck. Beschrieben wurde es vom Mathematiker Roger Penrose und seinem Vater Lionel in dem Artikel „Impossible objects: a special type of visual illusion“. Er erschien 1958 in einer englischen Psychologiezeitschrift. Neben dem Dreieck stellten die Autoren noch die Penrose-Treppe vor, die man endlos hochsteigen und hinuntergehen kann.
Die unmöglichen Figuren drangen auch in die Kunst ein. Der weltberühmte Grafiker Maurits Cornelis Escher schuf damit seine Lithographien Belvedere (1958), Treppauf treppab (1960) und Wasserfall (1961). Während erstere auf der optischen Täuschung des Necker-Würfels beruht, gehen die beiden anderen Werke auf den Artikel von Vater und Sohn Penrose zurück. Die Wassermühle inspirierte ihrerseits ein Projekt der Fachhochschule Trier, das millionenfach auf YouTube nachgefragt wurde.
Weder die Penroses noch M. C. Escher wussten, dass ihre Figuren schon 1934 in Schweden erfunden worden waren. Damals zeichnete der 18-jährige Schüler Oscar Reutersvärd unmögliche Würfel, die das Penrose-Dreieck vorwegnahmen. 1937 folgte die Urversion der Endlos-Treppe. Später arbeitete Reutersvärd als Dozent in Stockholm und Professor in der Universität Lund. In den 1960er-Jahren wurden seine Verdienste endlich anerkannt. Bis zu seinem Tod 2002 entwarf er 2.500 paradoxe Bilder. Drei endeten sogar auf Briefmarken, siehe oben.
José María Yturralde dürfte der bedeutendste lebende Künstler sein, der sich unmöglichen Figuren widmete. Geboren 1942 in Cuenca, war er der erste Spanier, der Bilder mit dem Computer erzeugte und 1969 im Rechenzentrum der Universität Madrid ausstellte. Seine „Figuras Imposibles” zeigte er 1970 in einer Galerie in Barcelona. Yturralde lebt in Valencia. Seine Arbeiten sind natürlich online – es lohnt sich, jede Gallery der Liste aufzurufen. 2015 erschien ein längerer Fachartikel über ihn.
Ein früher deutscher Beitrag zu unserem Thema kam von Josef Albers (1888-1976). Der Bottroper, der ab 1933 in den USA wirkte, wurde vor allem durch – geometrisch korrekte – Quadrate bekannt. In den 1950er-Jahren schuf er „strukturale Konstellationen“. Man erkennt sofort, dass es sich um unmögliche Figuren handelt. Seit 1972 schmücken sie in Edelstahl das LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster. Unser Foto zeigt die alte Fassung, inzwischen wurde das Haus renoviert.
Der fleißigste unmögliche Künstler aus deutschen Landen war Hermann Paulsen (1918-2011), Lehrer und Schuldirektor in Kiel. Seine Bilder liegen in Büchern vor und sind im Flensburger Science Center Phänomenta zu sehen. Kurz erwähnt seien Dieter Winge aus Nürnberg und seine paradoxen Holzbilder sowie der russischen Raumfahrtingenieur Dmitry Rakov, dem wir das Eingangs- und das Schlussbild verdanken. Zum Weiterlesen empfehlen wir diese Seite aus Russland und diese aus Australien.