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1950 – die erste Volkszählung der Bundesrepublik

Geschrieben am 12.09.2025 von

Vor 75 Jahren gab es den ersten westdeutschen Zensus, zwei Wochen nach dem im Osten Deutschlands. Gezählt wurden die Bevölkerung sowie Gebäude und Wohnungen, außerdem Arbeitsstätten und bäuerliche Kleinbetriebe. Bei der Auswertung kamen wie in der DDR Lochkarten-Maschinen zum Einsatz. Manche Resultate lagen Anfang November 1950 vor. Demnach hatte die Bundesrepublik knapp 48 Millionen Einwohner.

„Am 13. September 1950 findet eine allgemeine Volkszählung, eine Zählung der Gebäude und Wohnungen sowie eine Zählung der nichtlandwirtschaftichen Arbeitsstätten und der landwirtschaftlichen Kleinbetriebe unter 0,6 Hektar statt… Zur Vorbereitung erfolgen Probeerhebungen sowie eine Gebäudevorerhebung.“

So begann das Volkszählungsgesetz von 1950, das der Deutsche Bundestag am 23. Juni des Jahres verabschiedete. Eine Woche später stimmte der Bundesrat zu, am 21. Juli folgte das Einverständnis der Hochkommissare, die die Kontrollrechte der westlichen Siegermächte ausübten. Die Bundesrepublik war ja noch nicht vollständig souverän. Am 28. Juli 1950 wurde das Gesetz von Bundespräsident Theodor Heuss, Marshallplan-Minister Franz Blücher – er vertrat Bundeskanzler Adenauer – und Innenminister Gustav Heinemann verkündet.

Am 6. September brachte Heuss den Bürgern die Zählung im Rundfunk nahe. Der Politiker kam von den Liberalen, klang aber recht autoritär: „Sie ist durch Bundesgesetz angeordnet. Das heißt, der Staat fordert die gewissenhafte Beantwortung der Fragen. Er kann sie im Weigerungsfall durch Strafe erzwingen.“ Der SPIEGEL stellte Chefzähler Gerhard Dennukat und seinen Arbeitsplatz vor, das neu geschaffene Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Die Leser erfuhren auch, dass der Zensus mit weißen, gelben und roten Bögen erfolge.

Er verlief ähnlich dem, der Ende August und Anfang September 1950 in der DDR stattfand. Die Zähler und Zählerinnen begannen am 10. September, einem Sonntag, mit dem Austragen der Papiere. Sie mussten bis zum 12. September verteilt sein. Am 13. September konnten sich die Bürger dem Ausfüllen widmen; falls nötig, halfen ihnen die Zähler. Danach holten sie das Material wieder ab. Die Kosten des gesamten Zensus wurden auf fünfzig Millionen DM geschätzt, die sich auf Bund und Länder verteilten. Letztere wirkten über statistische Landesämter am Projekt mit.

Gleich vier von ihnen saßen 1950 in Südwestdeutschland, in Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen. Man weiß, dass sie Lochkartentechnik einsetzten. Wahrscheinlich taten sie das auch bei der Auswertung der Volkszählung mit Geräten der IBM Deutschland GmbH in Sindelfingen oder ihrer Berliner Vorläuferin DEHOMAG. Daher zeigt das Eingangsbild eine IBM-Sortiermaschine aus dem HNF. Nach der Gründung des Landes Baden-Württemberg fusionierten die vier Statistik-Ämter 1953 zu einem einzigen in Stuttgart.

1950 saß das Statistische Bundesamt in der Zentrale der Chemiefirma Kalle in Wiesbaden-Biebrich. (Foto Oliver Abels CC BY-SA 3.0 seitlich beschnitten)

Das erste Resultat der Volkszählung stand Anfang November 1950 in der Presse. Der Bonner General-Anzeiger berichtete am 3. November, dass am Stichtag 25.259.629 Frauen und 22.298.207 Männer im Bundesgebiet lebten, Kinder und Jugendliche eingeschlossen. Das ergab 47,5 Millionen Menschen und 3,8 Millionen mehr als bei der letzten Zählung vom Oktober 1946. Am 13. Dezember lieferte die Zeitung die Einwohnerzahl von Bonn nach – 111.287. Die Stadtteile Bad Godesberg und Beuel waren damals noch eigenständig.

Das Statistische Bundesamt brachte am 14. Juni 1951 auf 27 Seiten die ersten „Ergebnisse der repräsentativen Auswertung“ der Volks- und Berufszählung 1950; man kann sie hier lesen. Am 16. Februar 1952 folgten endgültige Ergebnisse mit elf Seiten zu der nach Alter und Familienstand geordneten Bevölkerung. Im Vergleich zum November 1950 wurden die Zahlen minimal korrigiert: das Volk teilte sich nun in 25.344.980 Frauen und 22.350.692 Männer auf. Ins Detail ging im Mai 1952 das 613 Seiten starke Statistische Jahrbuch der Bundesrepublik, das erste seiner Art.

Der Zensus wurde auch filmisch festgehalten. So begleitete die Wochenschau – bitte zu Minute 3:25 gehen – Volkszähler August Kaiser zu einer Familie. In diesem Clip sehen wir bei Minute 2:50 die gestapelten Papierbögen. Das Statistische Bundesamt gab einen Werbefilm für die Volkszählung in Auftrag. Er wurde von der Wiesbadener Firma AFIFA produziert, die Streifen zu  Sachthemen drehte. Schillerstraße 16 dauerte zwölf Minuten und war wohl für Kinos gedacht; man kann ihn heute auf der Internet-Seite des Bundesarchivs anschauen.

Der Titel bezeichnet einen Altbau in einer undefinierten Stadt. Dort wohnen Hausbesitzer Franz Oberdobel und seine Mieter. Sie haben Bundespräsident Heuss im Radio verpasst und sind schockiert, als der Volkszähler anrückt. Sein Hinweis auf das Lochkarten-Verfahren beruhigt die Gemüter, und die Hausgemeinschaft findet sich zwischen Hollerith-Maschinen wieder. Ein IBM-Schildchen zeigt die Herkunft. Der Zähler betont die Vertraulichkeit und den Nutzen der Zählung, kurz, es handelt sich um sinnvoll ausgegebenes Steuergeld. Und welcher Deutsche könnte diesem Argument widerstehen?

Wir bedanken uns beim Referat AV 2 des Bundesarchivs und bei Simone Tamás für die Digitalisierung und Veröffentlichung des erwähnten Films.

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