Aus der Neuen Welt
Geschrieben am 22.08.2019 von HNF
Wer in den 1970er-Jahren die Zukunft der Informatik sehen wollte, der flog in die USA. Das tat auch Dr.-Ing. Franz Gaffal vom Bayerischen Kultusministerium; ihn interessierte die Datenverarbeitung in den Hochschulen. 1978 reiste er acht Wochen lang durchs Land und besuchte Universitäten und Computerfirmen. Sein Reisebericht kam 1980 als Buch heraus. Wir haben darin geblättert.
Heute gründen Bundespolitiker eine Agentur für Sprunginnovationen, geben dieser eine Milliarde Euro und erhoffen bahnbrechende Erfindungen. 1978 floss das Geld noch nicht so flott. Damals bestieg ein höherer Beamter den Flieger nach Amerika und schaute sich dort die Rechner und Rechnernetze an. Die anfallenden Kosten zahlte nicht der Arbeitgeber, in unserem Fall das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, das Geld kam von der amerikanischen Fulbright-Kommission.
Der Beamte hieß Franz Gaffal. Er war 37 Jahre alt und promovierter Ingenieur. Seine Dissertation schrieb er 1972 an der TU München über Hybridrechner; so nannte man die Kombinationen von Analogrechnern und Digitalcomputern. 1973 erhielt er eine Stelle im Kultusministerium. Zu jener Zeit zog die Informatik in die westdeutschen Hochschulen ein; auch in den großen Bibliotheken machten sich Experten Gedanken zur EDV. Es verwundert also nicht, dass sich Dr.-Ing. Gaffal um eine Studienreise in die USA bemühte.
Antreten konnte er die Tour am 9. September 1978. Organisator war der ausführende Arm des Fulbright-Programms, das Council for International Exchange of Scholars. Die erste Woche verbrachte Gaffal in der Bundeshauptstadt Washington. Hier erhielt er zunächst einen Schnellkurs in das amerikanische Bildungswesen. Einen halben Tag durfte er in der Kongressbibliothek die Computer erproben. Danach führte ihn die Reise durch zehn Bundesstaaten einschließlich Kalifornien. Letzte Station war Massachusetts mit dem MIT, der Universität von Boston und Harvard.
Die Studienreise dauerte acht Wochen. Am 7. November 1978 ging es wieder zurück nach Bayern. Anschließend brachte Franz Gaffal seinen Reisebericht zu Papier; das geschah, wie das Vorwort deutlich macht, neben der regulären Arbeit im Ministerium. 1980 erschien der Text als Zweihundert-Seiten-Buch unter dem Titel „Datenverarbeitung im Hochschulbereich der USA – Stand und Entwicklungstendenzen“, siehe oben. Es gliederte sich in drei Teile zu Lehre und Forschung, zur Hochschulverwaltung und zum Bibliotheksbereich.
Wie gut sah nun das Buch in die Zukunft? Bemerkenswert ist, dass im ersten Teil 47 Seiten mehrere Rechnernetze beschreiben. Franz Gaffal kennt das „ARPA-Netz“, dessen runden Geburtstag wir demnächst feiern, und das mittlerweile vergessene Telenet. Dasselbe gilt für EDUNET, NJECN und das Merit-Netzwerk. Der Vorteil eines Rechnernetzes liegt laut Gaffal darin, „daß an einzelnen Rechenzentren Softwarepakete gekauft oder von den Anwendern entwickelt wurden, die an anderer Stelle nicht zur Verfügung stehen“.
Sechs Seiten widmet der Autor dem Netzwerk PLATO. Es wurde ab 1960 an der Universität von Illinois entwickelt und diente dem computerunterstützten Unterricht. In manchen Punkten nahm PLATO das heutige Internet vorweg, etwa bei den Plasma-Displays mit Grafikausgabe. Zitat: „Eine wichtige Zusatzeinrichtung des Systems ist die Möglichkeit, beliebig Nachrichten zwischen Terminals auszutauschen.“ Gaffal erwähnte auch das elektronische Notizbuch für PLATO-Nutzer und -Nutzergruppen, eine frühe Mailbox.
Über den normalen E-Mail-Verkehr schreibt er noch nichts. Entgangen sind ihm auch die Mikrocomputer, die sich ab 1977 über die Vereinigten Staaten ausbreiteten. Franz Gaffal gab sich aber viel Mühe, die Rechner der von ihm besuchten Hochschulen zu erfassen. Wenn wir seine Listen als repräsentativen Querschnitt lesen, so herrschte IBM bei den Mainframes vor – beliebtester Typ war das Modell 370 – und die Digital Equiment Corporation bei den Minis. Daneben stoßen wir auf einige wenige Geräte von Control Data.
Als Prophet zeigte sich Franz Gaffal also bei den Netzen. Im Ministerium leitete er ab 1982 das Referat für Informations- und Kommunikationstechnik. Große Verdienste erwarb er sich bei der Automatisierung der bayerischen Bibliotheken. Auch in seinem Buch schimmert das Interesse für das Gebiet durch. 1992 wurde Franz Gaffal Honorarprofessor der Universität der Bundeswehr, 2006 trat er in den Ruhestand. Hier ist ein Text von ihm aus dem Jahr 2008 über die Virtuelle Bibliothek Bayern – bitte zu PDF-Seite 73 gehen.
Unser Eingangsbild oben zeigt eine Tastatur für das PLATO-Netzwerk. Wir bedanken uns herzlich bei Dr. Ann-Katrin Colomb von der Bayerischen Staatsbibliothek für das Foto von Professor Gaffal und Minister Goppel.