Das Fundament der Kryptologie
Geschrieben am 05.09.2017 von HNF
„Das Fundament der Ewigkeit“, der neue Roman des Erfolgsautors Ken Follett, erscheint am 12. September. Er führt den Leser in das Zeitalter von Königin Elisabeth I. Ihr Staatssekretär Sir Francis Walsingham begründete den englischen Geheimdienst. Der Buchumschlag zeigt deshalb eine Chiffrierscheibe aus der Krypto-Abteilung des HNF. Sie basiert auf einem Entwurf aus dem 16. Jahrhundert.
Geheimdienste sind ein altes Thema der Literatur. Wohl jeder kennt den Superagenten James Bond, eine Schöpfung des Engländers Ian Fleming. Manche Autoren behandelten auch Geheimcodes und ihre Entschlüsselung. Mehr als ein Buch drehte sich um die Enigma, die deutsche Chiffriermaschine aus dem 2. Weltkrieg. In dieser Zeit spielte ebenso der kryptologisch angehauchte Roman „Der Schlüssel zu Rebecca“.
Das Original „The Key to Rebecca“ erschien 1980 und war ein früher Erfolg von Ken Follett. Geboren 1949 in der walisischen Stadt Cardiff, zog er mit zehn Jahren nach London um. Heute zählt Follett zu den erfolgreichsten Schriftstellern der Erde; seine Gesamtauflage liegt bei 160 Millionen. Er ist kein Spezialist für Spionage, sondern verfasst historische Romane im allgemeinsten Sinn. Mit seinem jüngsten Werk kehrt er aber zu Geheimdiensten und Geheimcodes zurück, was man schon auf dem Schutzumschlag erkennt.
Das Fundament der Ewigkeit ist die Fortsetzung von Ken Folletts Romanen „Die Säulen der Erde“ und „Die Tore der Welt“. Während diese im Mittelalter angesiedelt sind, führt uns das neue Werk ins 16. Jahrhundert. Die Handlung erstreckt sich fast genau über die Regierung von Elisabeth I. Sie bestieg 1558 den englischen Thron und starb 1603. Der Held des Buchs ist Ned Willard aus dem fiktiven Ort Kingsbridge, der die Heldin Margery Fitzgerald liebt. Bis zum Happy End muss er aber in geheimer Mission strapaziöse Abenteuer überstehen.
Wie es sich für einen historischen Roman gehört, werden erfundene und echte Personen vermengt. So treffen wir die Queen, ihren Ratgeber Sir William Cecil und den Staatssekretär Sir Francis Walsingham, doch ebenso die unglückliche Maria Stuart und Schurken wie Guy Fawkes, der 1605 halb London in die Luft sprengen wollte. In Frankreich begegnen wir Königen und hohen Adeligen aus den Familien Guise und Bourbon und auf hoher See dem berühmten Kapitän Sir Francis Drake.
Mit Francis Walsingham sind wir beim Thema. Der Hofbeamte knüpfte ab den 1570er-Jahren ein europaweites Netz von Kontakten und schuf den ersten modernen Geheimdienst. Er beschäftigte Leute, die fremde Briefe stibitzten, und andere, welche die mitgeschickten chiffrierten Texte entschlüsselten. Gründe für solche Maßnahmen gab es genug. Im Inneren des Landes drohten katholische Verschwörungen gegen die protestantische Königin; auf dem Kontinent lauerten katholische Franzosen und die katholische Großmacht Spanien.
Im 16. Jahrhundert existierten zwei Verschlüsselungsmethoden. Erstens konnte man den Text buchstabenweise chiffrieren. Jeder Buchstabe wurde durch ein anderes Zeichen ersetzt, wobei die Zuordnung geheim war. Ein einfacher Fall ist die Caesar-Verschlüsselung, bei der man im Alphabet eine feste Zahl von Schritten vor- oder zurückgeht. Die zweite Technik war das Codieren von ganzen Worten: An ihre Stelle traten jeweils ein oder zwei Geheimzeichen. Die zugehörige Wort-Zeichen-Liste nannte man einen Nomenklator.
Im 15. Jahrhundert erfand der italienische Gelehrte Leon Battista Alberti die Chiffrierscheibe. Eigentlich sind es zwei Scheiben, von denen jede einen Ring hat. Die größere Scheibe ist fest; ihr Ring trägt die Buchstaben A, B, C,… und die Zahlen von 1 bis 4. Die zweite drehbare Scheibe enthält a, b, c, … durcheinander gemischt. Eine bestimmte Position dieser Scheibe definiert eine Zuordnung von (großen) Klartextbuchstaben und (kleinen) Lettern für die geheime Nachricht. Während des Chiffrierens lässt sich die Scheibe neu einstellen.
1563 brachte Albertis Landsmann Giambattista della Porta das Buch „De furtivis literarum notis“ („Über die verborgene Bedeutung der Buchstaben“) heraus. Es beschrieb ebenfalls die Kryptologie und enthielt eine Papierversion der Alberti-Scheibe. Die große Scheibe war auf die Buchseite gedruckt; sie besaß einen Buchstaben- und einen Zahlenring mit je 20 Feldern. Die kleine Scheibe trug 20 undefinierte Zeichen und konnte an einem Faden gedreht werden. Eine solche Kombination nannte man zu Portas Zeiten eine Volvelle.
Zur Jahrtausendwende richtete das HNF eine Abteilung über die Welt der Codes und Chiffren ein. Das Museum bat den Paderborner Goldschmied Thomas Schnorrenberg, nach dem Bild aus della Portas Buch eine reale Chiffrierscheibe anzufertigen. Das Resultat besteht aus vergoldetem Messing und strahlt – siehe Eingangsbild (Foto: Jan Braun, HNF) – seit 2001 in der Kryptologie-Ausstellung. Diese Scheibe gefiel dem Bastei Lübbe Verlag so gut, dass er beschloss, sie auf den Umschlag des neuen Romans von Ken Follett zu setzen, wofür wir uns natürlich herzlich bedanken.
Es gibt sicher kein schöneres Symbol für den Geheimdienst des 16. Jahrhunderts als die goldglänzende Porta-Scheibe. Das gilt selbst dann, wenn die Beteiligten mit Volvellen oder nur mit Chiffrierlisten und Nomenklatoren arbeiteten. Aus historischen Archiven kennen wir viele Dokumente zu den Aktivitäten von Francis Walsingham und seines Chefkryptologen Thomas Phelippes. Ein ganz besonderes Konvolut bilden die Papiere der Babington-Verschwörung, die im Jahr 1586 über die Bühne ging.
Damals versuchten junge katholische Adelige, Königin Elisabeth zu ermorden und ihre Cousine Maria Stuart auf den Thron zu bringen. Dank eines Doppelagenten konnte Sir Francis die Korrespondenz zwischen den Verschwörern und Maria Stuart verfolgen. Letztere war in einer Burg in der Nähe von Birmingham festgesetzt. Am 17. Juli 1586 schickte sie einen Brief los, in dem sie die Ziele der Verschwörung billigte. Das Schreiben wurde wie alle anderen abgefangen und von Phelippes entschlüsselt. Er besaß die Chiffrierunterlagen.
Kurze Zeit später schlug Francis Walsingham zu. Die Verschwörer samt ihres Anführers Anthony Babington wurden ergriffen und zum Tode verurteilt. Auch Maria Stuart wurde der Prozess gemacht. Im Februar 1587 fand in Schloss Fotheringhay nördlich von Cambridge die Enthauptung statt. Dieses und noch viele mehr kann der der historisch und kryptologisch interessierte Leser auf den 1.162 Seiten vom „Fundament der Ewigkeit“ studieren. Die Fans von Ken Follett können ihn hier im Video sehen, im November kommt er zu Lesungen.
Der Protagonist in „A Key to Rebecca“ ist der Meisterspion Alex Wolff. Dessen Agentenleben hat Follett dem deutschen Afrika-Spion Johannes W. Eppler nachgezeichnet, der in Kairo für GFM Rommel die Pläne der Briten im Wüstenkrieg aufklären sollte. Besagter Eppler – eine im wahrsten Sinne des Wortes „halbseidene“ Figur – schrieb selbst zwei Bücher über seine letzten Endes erfolglose Spionagetätigkeit in Ägypten. Nach angeblich fünf Ehen und diversen beruflichen Tätigkeiten endete Johannes Eppler als Geschäftsführer einer Kaffeefahrten-Firma im westfälischen Hövelhof. Dazu wäre selbst Ken Follett sicher nichts mehr eingefallen…