Der andere Oscar
Geschrieben am 26.02.2019 von HNF
In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden in Hollywood die Oscars verliehen. Zwei Wochen vorher fand nebenan in Beverly Hills eine andere Feier statt. Die amerikanische Filmakademie ehrte Wissenschaftler, Ingenieure und Informatiker für ihre Beiträge zur Kinokunst. Den Technik-Oscar gibt es seit 1931. Er besitzt drei Kategorien, und wir finden erfreulich viele deutsche Preisträger.
So spannend wie vorletzte Nacht in Hollywood war es nicht. Man sah keine Umschläge, aus denen ein Schauspieler oder eine Schauspielerin eine Karte zog, um sie mit den Worten „And the Oscar goes to…“ vorzulesen. Es fehlten auch die Tränen und die gefühlvollen Dankesreden, denn wer gewonnen hatte, war längst bekannt.
Schon im Dezember veröffentlichte die US-Filmakademie die 27 Empfänger eines Technik-Oscars. Am 9. Februar wurden die Preise für technische Leistungen und die für Wissenschaft und Ingenieurwesen im Hotel Beverly Wilshire überreicht; es ist im Eingangsbild zu sehen. Außerdem gab es einen Ehrenpreis, den John A. Bonner Award. Die höchste Auszeichnung, den Award of Merit, erhielt 2019 niemand. Er ist der einzige Technikpreis mit Oscar-Figur; in den anderen Kategorien vergibt die Akademie Urkunden und Plaketten.
Die ersten Technik-Oscars wurden 1931 verliehen. Insgesamt sechs gingen an Filmstudios oder mit ihnen verbundene Firmen. Die Innovationen stammten aus der Tontechnik und der Fotochemie; Hollywood blieb noch lange eine analoge Stadt. 1973 konnte aber ein IBM-Forscher eine Akademie-Plakette einstecken. 1981 freuten sich die Chefs der Firma Cinetron über die Urkunde für ihr Computersystem. 1999 bekam die Avid Technology Inc. einen Award of Merit – also den Höchstpreis – für einen digitalen Schnittplatz.
Im 21. Jahrhundert drang der Computer immer weiter vor. 2001 ernteten Forscher des Pixar-Studios drei Statuetten für ihr Animationssystem Renderman. Den letzten Award of Merit verdiente sich 2018 die kanadische Firma SideFX für die Software Houdini. Die beiden Oscar-Männchen überreichte Sir Patrick Stewart, bekannt aus dem Raumschiff Enterprise. Das Video zeigt, dass die Feier eher im kleinen Kreis und im schwarzen Anzug stattfand. Bis heute gewann noch keine Frau den obersten Technikpreis.
Das gilt auch für die Auszeichnungen, die am 9. Februar verteilt wurden. Unter den Geehrten saß der gebürtige Saarländer Markus Gross, Chef des Disney-Forschungsinstituts Zürich. Mit drei Kollegen nahm er eine Oscar-Urkunde entgegen; 2013 erhielt er bereits eine Plakette. Seinen fünften Akademiepreis errang der König der Computerfilme, der amerikanische Informatiker Ed Catmull: Am 9. Februar gab es für ihn ebenfalls eine Plakette. Auf gleiche Weise prämiert wurden die Entwickler von Adobe Photoshop und Adobe After Effects.
Für die übrigen Preisträger verweisen wir auf den offiziellen Pressetext. Ihre Ideen können oft nur Experten verstehen – das unterscheidet den technischen vom gewöhnlichen Oscar. Aber auch Laien sehen, dass beim Technik-Oscar mehr deutsche Staatsbürger auftreten als beim Film. In der Liste der Awards of Merit finden wir dreimal den Kamerahersteller ARRI, zweimal die Lichtfirma Osram und last not least Kamerakran-Schöpfer Horst Burbulla.
Unübersehbar sind deutsche Tüftler in den unteren Oscar-Rängen. Hier treffen wir den Mikrofon-Pionier Fritz Sennheiser, den Kameraspezialisten Peter Denz und den Projektor-Erneuerer Willi Burth. Gleich vier Oscars für technische Leistungen sammelte Software-Entwickler Florian Kainz. Er wurde 1969 in Garmisch-Partenkirchen geboren; seit 1995 lebt und arbeitet er aber in Kalifornien. Oscar-Urkunden erhielten ebenso die Berliner Firma Mental Images – inzwischen ein Teil von NVIDIA – und Science-D-Visions aus Dortmund.
Am Schluss gratulieren wir allen Gewinnern des Jahres 2019 zu ihren Preisen. Wer wissen will, wie man vor siebzig Jahren Technik-Oscars verlieh, kann sich dieses Video anschauen. 1949 wurden unter anderem die Erfinder einer Methode geehrt, die Feuerlösch-Schaum zu Filmschnee machte. 2008 erhielt die Münchner Flowline GmbH – heute Scanline VFX – den gleichen Preis für virtuelle Klimakatastrophen. Das ist eben der Fortschritt.