Der Draht durch den Ozean

Geschrieben am 28.07.2016 von

1858 ließ der Amerikaner Cyrus Field ein Telegrafenkabel durch den Atlantik legen. Es funktionierte zwei Monate. 1865 unternahm er einen zweiten vergeblichen Versuch. Vor 150 Jahren zog der Riesendampfer „Great Eastern“ mit Erfolg eine Leitung von Irland nach Kanada. Seit dem 28. Juli 1866 liefen Telegramme durchs Meer. Im 20. Jahrhundert  folgten Telefonate und Internet-Daten.

Im 19. Jahrhundert eroberte die elektrische Telegraphie die Welt. Die Pioniere der neuen Technik ließen sich durch Meere nicht schrecken. 1850 wurde das erste Kabel durch den Ärmelkanal gelegt, bald darauf durchzogen mehrere die Nordsee.

Der Gedanke lag nahe, auch Europa und Amerika zu verbinden. 1856 gründete der amerikanische Geschäftsmann Cyrus Field die Atlantic Telegraph Company. Das Grundkapital von 350.000 Pfund kam aus England. 1858 legten zwei Schiffe ein Seekabel von Irland nach Kanada. An den Endpunkten gab es bereits Fortsetzungen nach England und den USA. Am 16. August 1858 wurde die Leitung durch Telegramme von Königin Viktoria und Präsident James Buchanan eingeweiht.

Plakat zur Eröffnung des Transatlantikkabels von 1858

Plakat zur Eröffnung des Transatlantikkabels von 1858

In der Folgezeit funktionierte das erste Transatlantikkabel mehr schlecht als recht. Nach krassen Bedienungsfehlern des zuständigen Chefingenieurs schmorte es am 20. Oktober 1858 durch. Field ließ sich nicht entmutigen, auch nicht durch den amerikanischen Bürgerkrieg, der von 1861 bis 1865 tobte. Er besorgte frisches Geld, gründete eine neue Firma und charterte den englischen Riesendampfer Great Eastern. Das 1858 vom Stapel gelaufene Schiff war 211 Meter lang. Es besaß Segel und zwei Schaufelräder, aber ebenso moderne Schiffsschrauben

Mitte Juli 1865 startete die „Great Eastern“ an der irischen Insel Valentia Richtung Westen, an Bord 4.300 Kilometer Kabel. Jeder Kilometer wog eine Tonne. Das Material entsprach dem letzten Stand der Technik und hatte eine Isolierung hoher Qualität, die auf dem gummiartigen Guttapercha basierte. Bis Ende Juli waren 2.000 Kilometer problemlos verlegt, doch dann riss das Kabel und verschwand im Meer. Kapitän James Anderson konnte nur umkehren und nach England zurückfahren.

Cyrus Field um 1860

Cyrus Field um 1860

Der unerschrockene Cyrus Field gründete nun die Anglo-American Telegraph Company, und beim nächsten Versuch war ihm das Glück hold. Vom 13. bis zum 27. Juli 1866 dampfte die „Great Eastern“ von Irland nach Kanada. Über ihr Heck rollten knapp 3.500 Kilometer Kabel ins Wasser und senkten sich auf den Meeresboden. Ziel der Reise war ein Hafen auf der Insel Neufundland mit dem schönen Namen Heart’s Content. Hier entstand auch unser Eingangsbild. Am 28. Juli 1866 gingen nach acht Jahren wieder Telegramme über den Atlantik.

Am 9. August legte die „Great Eastern“ in Neufundland wieder ab und fuhr ostwärts. Das Ziel war aber nicht England, sondern das Ende des Kabels, das ein Jahr zuvor abgerissen war. Der Crew des Schiffs gelang es tatsächlich, die Leitung auf dem Grund des Ozeans zu finden und an Bord zu holen. Ein neues Kabel wurde angesetzt und die 1865 abgebrochene Verlegung fortgesetzt. Am 7. September lief die „Great Eastern“ in Heart’s Content ein. Amerika und Europa waren doppelt verknüpft.

Hier wird das Kabel von 1866 gefeiert. Europa ist links, Amerika rechts.

Hier wird das Kabel von 1866 gefeiert. Europa ist links, Amerika rechts.

Ein früher Benutzer der Telegrafenleitung war Kaiser Maximilian von Mexiko. Belegt ist eine Depesche vom Oktober 1866 an seine in Europa weilende Gattin, Kaiserin Charlotte. Sie umfasste 478 Worte und kostete 5.000 Dollar. Normale Sterbliche fassten sich meist kürzer. Die offiziellen Gebühren betrugen 20 Pfund für 20 Worte und sanken dann auf 5 Pfund für 10 Worte. Ab 1872 gab es diese schon für 2 Pfund. Was immer noch viel Geld war – ein Pfund von 1870 entspricht etwa 50 heutigen.

Das Kabel von 1866 war bis 1872 in Betrieb. Die andere Leitung, die 1865 begonnen und 1866 vollendet wurde, hielt sogar bis 1877 durch. Da gab es schon genug Ersatz auf dem Boden des Atlantiks. Die Pioniertat von Cyrus Field war der Urahn der heutigen Transatlantikkabel. Neben gelegentlichen Telegrammen befördern sie Fernschreiben, Telefonate und die Datenpakete des Internets. Sie bestehen natürlich nicht mehr aus Kupfer wie anno 1866, sondern aus Glasfasern.

Zum Abschluss sei an einen weiteren Jahrestag erinnert: Vor 60 Jahren, am 25. September 1956, ging TAT-1 in Dienst, das erste transatlantische Telefonkabel zwischen Neufundland und Schottland. Und da 1895 der Film erfunden wurde, gibt es dazu bewegte Bilder in echten Farben (ab Minute 0:58).

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3 Kommentare auf “Der Draht durch den Ozean”

  1. Lieber Mitleser,
    man schätzt, dass 95% des transatlantischen Telegrafenverkehrs codiert bzw. verschlüsselt war. Es wurden Kostenersparnis (Wortlänge möglichst < 10 Zeichen) und Geheimhaltung gleichzeitig angestrebt. Denn ein transatlantisches Telegramm von 20 Wörtern kostete anfangs bis zu 20 Pfund, mehr als Wocheneinkommen eines einfachen Handwerkers. Hierzu kamen die verschiedensten Codebücher zum Einsatz. Das französisch Gerät Ideal Codigraph aus dem Jahre 1910 übersetzte z.B. Zahlen in aussprechbare Worte der Länge von 10 Zeichen.

  2. joru sagt:

    Hier nur mal einige Anmerkungen zum Abschnitt über’s Kabel von 1858.

    Es funktionierte nicht 2 Monate sondern lediglich 3 Wochen.
    Das erste funktionierende Kabel im Ärmelkanal wurde 1851 verlegt.
    Fields Grundkapital kam nicht ausschließlich aus England, allerdings zu einem großen Teil.
    Von einer offiziellen „Einweihung“ des Kabels durch Telegramme des am. Präsidenten und der brit. Queen kann keine Rede sein.
    Das Kabel „schmorte“ nicht am 20. Oktober durch, sondern versagte seinen Dienst am 1. September.

    Das geht dann so weiter. Bitte besser recherchieren!

  3. HNF sagt:

    Vielen Dank für die Hinweise! Das erste Kabel durch den Ärmelkanal wurde 1850 gelegt, siehe http://todayinsci.com/Events/Telegram/SubmarineTelegraphs-EnglishChannel%281852%29.htm, allerdings funktionierte es nicht. Eine „offizielle Einweihung“ war es 1858 sicher nicht, aber im übertragenen Sinne kann man vielleicht schon davon sprechen.

    Generell recherchieren wir nach bestem Wissen und Gewissen, aber jede Überlieferung kann Fehler aufweisen. Da bitten wir um Nachsicht und weiterhin kritische Lektüre unserer Beiträge!

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