Der erste handliche Taschenrechner
Geschrieben am 22.01.2021 von HNF
Im Oktober berichteten wir schon über die ersten Taschenrechner aus Japan und Amerika, die 1970 in den Handel kamen. Vor fünfzig Jahren, im Januar 1971, erschien in Tokio der Busicom LE-120A der Business Computer Corporation. Der „HANDY-LE“ war 24 Millimeter dünn und zeigte die Zahlen mit Leuchtdioden an. Er gilt als erster echter handlicher Taschenrechner.
Es war nicht die Telekom, die das „Handy“ erfand. In Amerika hießen bereits im Zweiten Weltkrieg tragbare Funkgeräte Handy-Talkies. Eine japanische Firma nahm dann das Wort, fügte zwei Buchstaben hinzu und bezeichnete damit ein Produkt. Der HANDY-LE, auch Busicom LE-120A genannt, war der erste Taschenrechner der Technikgeschichte, der so handlich und klein war, dass er in die Westentasche passte. Verkauft wurde er ab Januar 1971 von der Business Computer Corporation aus Tokio.
Gegründet wurde die Firma 1945 als Nippon Calculating Machine Corporation. Sie stellte mechanische Rechenmaschinen mit Sprossenrädern her. Innovativ war der Einsatz einer Kunststoffverkleidung. In den 1960er-Jahren erhielten die Maschinen den Namen Busicom; schließlich nannte sich auch der Hersteller so. 1966 entstand der elektronische Tischrechner Busicom 161, 1970 kam der kleine Junior heraus; in ihm steckten 22 Chips mit integrierten Schaltungen. In den USA bot ihn die National Cash Register Company als NCR 18-15 an.
Anfang 1971 erschien eine revidierte Version des Junior; die amerikanische Ausführung trug das Kürzel NCR 18-16. Darin wurden die 22 IC-Chips durch einen Mikroprozessor ersetzt. Der MK6010 stammte vom texanischen Start-up Mostek und vereinte 2.100 Transistoren; er war der erste „Calculator on a Chip“. Mostek lieferte an Busicom außerdem die abgeänderte Version MK6010L. Sie war für ein Gerät gedacht, das parallel zum neuen Junior entstand, den Taschenrechner Busicom LE-120A alias HANDY-LE.
Der Handy war im Januar 1971 erhältlich. Er sah so aus, wie wir es von Taschenrechnern gewohnt sind: klein, flach und mit grafisch reduzierter Anzeige. Die Maße betrugen 7,2 mal 12,4 mal 2,4 Zentimeter; die zwölf Ziffern bestanden aus Leuchtdioden. Die Verkleidung war aus Metall, den Strom zum Rechnen lieferten vier Batterien. Der Verkaufspreis betrug 89.800 Yen, was etwa 900 DM entsprach. In den USA kostete der Busicom LE-120A knapp 400 Dollar. Zur Ausstattung gehörte ein Tragegurt, der ungewolltes Fallenlassen verhinderte.
Auf den LE-120A folgten ähnliche Modelle, etwa 1972 der etwas schmalere LE-120S. Sein Kunststoff-Gehäuse machte ihn hundert Dollar billiger. Nur zehn Ziffern wies der Busicom LE-100A auf; er verwendete einen TMS0106-Prozessor von Texas Instruments. Ein TMS0105-Chip der gleichen Firma befand sich im sensationell kleinen Busicom LE-80A. Er war nur 5,5 Zentimeter breit, 8,1 Zentimeter lang und 2,1 Zentimeter dick. Er besaß acht Ziffern und wurde mit vier kurzen N-Batterien geladen.
Die Japaner bauten neben Taschenrechnern weitere elektronische Tischrechenmaschinen. Das Modell Busicom 141-PF vom Oktober 1971 schrieb Computergeschichte, denn in ihm arbeitete der Vier-Bit-Chip 4004 von Intel. Er ging auf einen Auftrag von Busicom zurück; an der Realisierung wirkte der Busicom-Ingenieur Masatoshi Shima mit. Die Firma überließ dem kalifornischen Unternehmen aber alle Nutzungsrechte, und so begann im Herbst 1971 das Zeitalter des Mikroprozessors. In unserem Blog werden wir darauf noch zurückkommen.
Die Business Computer Corporation meldete 1974 Bankrott an, den griffigen Produktnamen erwarb eine Büromaschinenfirma in der englischen Stadt Bristol. Der japanischen Busicom gelang später ein Neuanfang als Hersteller von Netzausrüstungen. In den 2000er-Jahren verschwand sie endgültig; der englische Namensvetter schloss 2016. Wir sollten Busicom aber in Erinnerung behalten, denn neben der Geburtshilfe für den Mikroprozessor leistete die Firma auch einen Beitrag zur deutschen IT-Geschichte.
Anfang 1972 übergab Otfried Steger, DDR-Minister für Elektrotechnik und Elektronik, dem Direktor des Kombinats Funkwerk Erfurt ein Souvenir von einer Japan-Reise: einen Busicom LE-120A. Er möge doch ermitteln, wie die DDR ein solches Gerät fertigen könnte. So begann die Entwicklung des ersten ostdeutschen Taschenrechners. Der minirex 73 wurde 1973 auf der Leipziger Frühjahrsmesse vorgestellt und danach in Serie produziert. Er erhielt ein neues Design und den Texas-Instruments-Chip TMS0105NC; 1975 trat an seine Stelle die DDR-Kopie U820D. Unser Eingangsbild zeigt noch einmal den Busicom LE120S; unten folgt ein minirex.
Interessant an dem Fall ist die Tatsache, dass, wie so oft, die Bedeutung einer Innovation (Mikroprozessor) anfänglich verkannt wurde. Derartige Fälle gibt es viele in der Technikgeschichte. Sie sind besonders aufschlussreich. Wie wäre es mal mit einem Blogbeitrag zu diesem Thema?
Im November werden wir was zum Jubiläum des Intel 4004 bringen.