Fasse dich kurz
Geschrieben am 05.01.2018 von HNF
Vor 25 Jahren erschien ein neues Medium: der Short Message Service oder die SMS. Dabei sendet der Besitzer eines Handys eine Botschaft mit maximal 160 Zeichen. Die erste SMS wurde am 3. Dezember 1992 in England verschickt. Sie ging von einem Computer an ein Mobiltelefon. Übermittlungen von Handy zu Handy begannen Ende 1993 in Finnland.
„Zunächst muß ich zugeben: Ich bin süchtig nach SMS. […] Ich smsse etwa während eines langweiligen Interviews oder eines Banketts. Wenn ich mein Gegenüber ermuntern will, seine Tischnachbarin anzusprechen, weil sie seit Monaten in ihn verliebt ist, was ist da eleganter als eine SMS? Meine beiden Söhne und meine Frau smssen mir täglich, und auch mein Orchester habe ich vor kurzem mit Handys ausgestattet. Manchmal hört es im Tourbus nicht auf zu piepen. Nicht der Euro, sondern SMS vereint uns Europäer.“
Dieses offenbarte 1999 Erfolgsgeiger André Rieu dem SPIEGEL. Heute sagt man „simsen“ statt „smssen“, doch ist klar, was Herr Rieu so liebte – den Kurznachrichtendienst SMS. Der Short Message Service gehört zu den Angeboten des digitalen Mobilfunks GSM, der seit 1982 als europäisches Projekt heranwuchs. Es arbeitet mit dem Store-and-Forward-Prinzip: Eine Nachricht, genannt „die SMS“, wird ins Handy getippt und gelangt an eine Zentralstelle. Die speichert die SMS und schickt sie, sobald im System Platz frei ist, ans Ziel weiter.
SMS-Botschaften nutzen einen Steuerkanal des Mobilfunks; er stand von Anfang an zur Verfügung und bot genug freie Kapazitäten. Aus technischen Gründen beträgt die Länge einer Nachricht 1.120 bit oder 160 Zeichen. Das Konzept der Kurznachrichten entstand Mitte der 1980er-Jahre in deutsch-französischer Zusammenarbeit. Technisch festgezurrt wurde das System vom Postingenieur und –manager Friedhelm Hillebrand. Er leitete ab 1987 den Aufbau des westdeutschen GSM-Netzes D1 in der Bundespost-Tochter Detecon.
Das erste GSM-Netz weihte am 1. Juli 1991 der finnische Premierminister Harri Holkeri ein. Sein Anruf von Helsinki nach Tampere liegt als Video vor. Die erste Kurznachricht versandte am 3. Dezember 1992 der junge Informatiker Neil Papworth. Seine Firma installierte digitale Kommunikationssysteme. Er saß an einem Computerterminal in der englischen Stadt Reading. Die SMS ging an den Vodafone-Manager Richard Jarvis; sie wünschte ihm frohe Weihnachten. Jarvis besaß schon ein GSM-Handy Orbitel 901, das eine SMS anzeigte.
Friedhelm Hillebrand gilt heute als Haupterfinder der SMS; im September 2017 wurde er in die Ruhmeshalle der internationalen Stiftung für Rundfunkgeschichte aufgenommen. Aus jenem Anlass entstand ein Film, der die Stationen seiner Karriere abbildet. Nach dem Start von D1 am 1. Juli 1992 wirkte er in internationalen Gremien zum Thema Mobilfunk mit. Seit 2002 leitet er ein Beratungsunternehmen in Bonn. Darüber hinaus schrieb er mehrerer Fachbücher. Wir bedanken uns herzlich für das Foto oben und die Nutzungserlaubnis.
Kurz erinnern möchten wir an einen Vorläufer der SMS, den Pager oder Piepser. Der analoge Funkrufdienst wurde 1949 in den USA erfunden; das erste wirklich erfolgreiche Gerät, der Pageboy von Motorola, kam 1964 auf den Markt. Zunächst machte sich der Empfänger nur akustisch bemerkbar; in den frühen 1980er-Jahren erschienen aber Modelle mit einem kleinen Display. Auf diesem konnte der Benutzer verschiedene Codenummern ablesen. In der Bundesrepublik bot die Post ab März 1989 den Cityruf an.
Wie oben erwähnt, verband die erste SMS 1992 einen Computer und ein Mobiltelefon. Wann die erste Nachricht von Handy zu Handy ging, verbirgt sich im Dunkel der Technikgeschichte. Wahrscheinlich geschah es Ende 1993 im finnischen Netz Radiolinja. Bei uns nahm zur CeBIT 1994 der SMS-Dienst D1-Alpha den Betrieb auf; er kam von der DeTeMobil, der jetzigen Telekom Deutschland. Als Hardware standen das Nokia 1011 zur Verfügung sowie das darauf basierende Modell Philips PR 810. Sie besaßen schon Tasten mit Buchstaben.
Wer ein Handy ohne ABC besaß, musste DeTeMobil anrufen und die Botschaft diktieren. In den Neunzigern setzten sich aber die alphanumerischen Handys durch. Im Jahr 2000 wurden in Deutschland 11,4 Milliarden SMS verschickt, 2007 die doppelte Zahl. 2012 waren es fast 60 Milliarden Kurznachrichten, 2016 bloß noch 12,7 Milliarden. Der Dienst hat also seine goldene Ära hinter sich. Werden wir bald nur noch twittern und whatsappen? Falls SMS – was wir nicht hoffen – doch untergeht, bleibt uns das Titanic-Lied von SMS-Fan Andre Rieu.
Das Eingangsbild zeigt die Handyvitrine im HNF (Foto: Jan Braun, HNF).