Addierer

Herr Leibniz und sein Addiergerät

Geschrieben am 19.09.2025 von

Gottfried Wilhelm Leibniz erfand die Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten, er skizzierte auch ein Gerät für binäre Operationen. Seinen Kern bildete ein Addierer, der mit Kugeln arbeitete. 1961 erhielt der in London lebende Miles Libbey ein Patent für solch eine Rechenvorrichtung. In dieser Woche startete in deutschen Kinos der erste Spielfilm über den großen Gelehrten. 

„Eine Büchse soll so mit Löchern versehen sein, dass diese geöffnet und geschlossen werden können. Sie sei offen an den Stellen, die jeweils 1 entsprechen, und bleibe geschlossen an denen, die 0 entsprechen. Durch die offenen Stellen lasse sie kleine Würfel oder Kugeln in Rinnen fallen, durch die anderen nichts. Sie werde so bewegt und von Spalte zu Spalte verschoben, wie die Multiplikation es erfordert.“

So beginnt eine Notiz, die der 32-jährige Gottfried Wilhelm Leibniz am 15. März 1679 zu Papier brachte. Sie beschrieb ein Gerät, das zwei Dualzahlen A und B multipliziert, wir schilderten es schon in unserem Blog. Dabei wird A mit Stellenverschiebungen auf sich selbst addiert, so wie es der zweite Faktor B fordert. Eine 1 in der Zahl bedeutet Addition, eine 0 keine Addition. Im Gerät bewegen sich Würfeln oder Kugeln; es ist klar, daß man am Schluss irgendwo das Produkt A mal B ablesen kann. Den genauen Mechanismus hat Leibniz allerdings für sich behalten.

Die binäre Rechenmaschine des Arithmeums; die „Treppe“ links unten bildet die Addiermechanik. Links oben werden Kugeln in die Berechnung eingeführt.

Die Notiz gehört zu einem lateinischen Manuskript mit dem Titel De Progressione Dyadica. 1966 gab es die Siemens AG in deutscher Sprache heraus. Es ist inzwischen online, unsere Notiz findet sich auf PDF-Seite 68. Ab 1972 entstanden drei funktionsfähige Realisierungen des Leibnizschen Konzepts; die letzte vom Bonner Arithmeum behandelten wir ebenfalls im Blog. Alle enthalten einen Addiermechanismus, der die einlaufenden Kügelchen sammelt, einige von ihnen entfernt und aus den übrigen das Endresultat gewinnt.

Einen solchen Mechanismus meldete Miles A. Libbey – er wohnte im Londoner Stadtteil Eltham – am 2. Dezember 1959 zum Patent an. Er tat es nicht beim englischen, sondern beim amerikanischen Amt; es erteilte am 31. Oktober 1961 das gewünschte Patent unter der Nummer 3.006.082. Über den Erfinder wissen wir wenig. Seine Erfindung trägt den Namen „Educational Device for Teaching Binary Computation“, Lehrmittel zum Unterrichten von Berechnungen im Dualsystem. Die Patentschrift umfasst vier Bild- und vier Textseiten.

Grafik aus dem Patent von Miles Libbey mit sechs „Flip-Flops“

Die Patentgrafik blickt ins Innere. Auf einem senkrechten oder geneigten Brett sitzen Wippen, die sich um einen kleinen Winkel drehen können. Der Text spricht von Flip-Flops, sie nehmen also einen von zwei stabilen Zuständen an. Zu Beginn sind alle Wippen nach links geneigt. Von oben fallen und rollen aus benachbarten Löchern maximal sechs Kugeln. Trifft auf eine Wippe eine Kugel, dann neigt sie sich nach rechts, und die Kugel kullert nach unten heraus. Die Wippen verharren danach in ihren Positionen.

Die Kugeln repräsentieren den ersten Summanden einer binären Addition, jede steht für die Ziffer 1 innerhalb der Dualzahl. Nach dem Herunterfallen zeigt eine linksgeneigte Wippe eine 0 an und eine rechtsgeneigte eine 1. Nun folgt der zweite Summand. Wenn eine Kugel auf eine Wippe in 0-Position rollt, dann setzt sie diese auf 1 und verschwindet. Eine Wippe in der 1-Position stellt die Kugel auf 0 um, und sie fällt auf die nächste Wippe. So wird ein Übertrag addiert. Der Durchlauf der Kugeln führt zum Resultat, das mit den Wippen verbundene Pfeile auf der Vorderfront des Geräts anzeigen. Libbey dachte auch an eine elektrische Angabe.

Die Ergebnis-Anzeige aus dem Patent: Die Pfeile zeigen die Stellung der Wippen an.

Ein solcher Addierer lässt sich leicht in einen Multiplizierer verwandeln, wenn der Benutzer, um Leibniz zu zitieren, die Büchse mit den Löchern vertritt und Kugeln einwirft. Nach Miles Libbeys Erfindung erschienen weitere Kugelrechner wie der BOBCAT des Engländers Phillip Youngman; hier wird er ausführlich beschrieben. YouTube präsentierte die Marble Adding Machine des Deutschkanadiers Matthias Wandel; das ist eine online bedienbare Version, sofern der Browser mitmacht. Auch das HNF legte sich 2007 eine Kugelmaschine zu, man sieht sie oben in unserem Eingangsbild.

Hinweisen möchten wir nun auf Leibniz – Chronik eines verschollenen Bildes, den ersten Kinofilm über den Gelehrten. Er startete am 18. September, Regie führte Edgar Reitz, die Titelrolle spielt Edgar Selge. Hier geht es zum Trailer. Im Netz finden sich die Dokumentation Auf der Suche nach der Weltformel sowie das Musical Candide von Leonard Bernstein. Es basiert auf einem Roman des französischen Schriftstellers und Philosophen Voltaire, der die Leibnizsche Theodizee aufs Korn nahm, seine Erklärung für das Übel in der Welt.

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