1_telefunken-ra-770-7831-676436-Kopie

In Memoriam Wolfgang Giloi (1930-2009)

Geschrieben am 17.10.2025 von

Er war einer der wenigen Informatiker, die sich in der analogen wie auch in der digitalen Welt auszeichneten. Nach seinem Studium in Stuttgart schuf Wolfgang Giloi mit dem Telefunken RA 770 den besten Analogrechner der Welt. Als Professor in Berlin war er ein Pionier der Computergrafik, später wirkte er am Bau des Superrechners Suprenum mit.

Geboren wurde Wolfgang Giloi am 1. Oktober 1930 im pfälzischen Sobernheim, heute Bad Sobernheim. Leider wissen wir nichts über seine Kindheit und Schulzeit. Fassbar wird er erst durch sein Studium der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Stuttgart, das er 1960 mit einer Doktorarbeit über Regelungstechnik abschloss.

Nach der Promotion ging Wolfgang Giloi zur Telefunken GmbH. Von 1962 bis 1964 leitete er in Konstanz die Abteilung für Analog- und Hybridrechner, die digitale Erweiterungen sind. Giloi gilt als Chefentwickler des Telefunken RA 770, den Experten für den besten jemals gebauten Analogcomputer halten. Er verwendete Silizium-Transistoren, war knapp zwei Meter lang und kam 1966 heraus. Ein Exemplar steht in der betreffenden Ausstellung im ersten Obergeschoss des HNF; es ist oben in unserem Eingangsbild zu sehen.

Wolfgang Giloi (rechts) im heißen Sommer 1983 bei einer KI-Konferenz der Firma Nixdorf. Links sitzt Stuart Savory von der NCAG. (Foto Bernhard Mescheder)

1965 erhielt Giloi eine Professur im Institut für Informationsverarbeitung der Technischen Universität Berlin, wo er auch das Institut leitete. Er hatte Zugriff auf einen RA 770 und einen Digitalrechner SDS 930 der kalifornischen Firma Scientific Data Systems. Ein Bildschirm für Vektorgrafiken konnte angeschlossen werden; die Eingabe geschah per Lichtgriffel. Wolfgang Giloi baute dann die erste deutsche Arbeitsgruppe für Computergrafik auf. Sein Assistent, der gebürtige Portugiese José Luis Encarnação, wurde später an der TU Darmstadt ein fleißiger Forscher in jenem Feld.

Gastprofessuren führten Giloi nach Mexiko und ans Massachusetts Institute of Technology. 1968 wirkte er an der Organisation der deutsch-amerikanischen Tagung „Der Computer in der Universität“ mit. Sie brachte ihm seine einzige Nennung Im SPIEGEL ein. In den 1970er-Jahren lehrte er an der Universität des Saarlandes und der University of Minnesota, in den Achtzigern in Louisiana und in Los Angeles. Er schrieb mehrere Fachbücher und interessierte sich auch für Computergeschichte, speziell für den Plankalkül von Konrad Zuse.

Ein Knoten aus dem Suprenum-1-Rechner von 1990

1983 wurde Giloi Direktor des Berliner Forschungszentrums für innovative Rechnersysteme und -technologie FIRST. Es gehörte zur Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, kurz GMD, einer Großforschungseinrichtung mit der Zentrale in Sankt Augustin bei Bonn. FIRST war die hiesige Antwort auf die japanische Fünfte Generation; die ersten Aufgaben waren Prozessoren für die in der Künstlichen Intelligenz populären Programmiersprachen LISP und Prolog. Hierbei kam es auch zur Zusammenarbeit mit der Nixdorf Computer AG.

Ab 1985 widmete sich Wolfgang Giloi dem SUPRENUM, dem Superrechner für numerische Anwendungen. Das Projekt sollte zu einem deutschen Äquivalent der Cray-Supercomputer aus den USA führen. Die Hardware kam von der Krupp Atlas Elektronik GmbH in Bremen. Das erste Suprenum-Modell wurde Ende 1990 bei der GMD installiert, es folgten fünf kleinere Systeme an verschiedenen Plätzen. Eines erhielt auch Gilois Forschungszentrum in Berlin. Danach wurde das Projekt rasch eingestellt, Details zu ihm liefert die englische Wikipedia.

Wolfgang Giloi mit Analogrechner, aufgenommen 2006 (Foto Bernd Ulmann)

1996 ging Wolfgang Giloi in den wohl verdienten Ruhestand, er starb am 31. Mai 2009 in Berlin. Wir möchten zum Abschluss an eine Pioniertat von ihm erinnern, die vermutlich auf der Hannover-Messe 1964 stattfand. Für den Telefunken-Stand programmierte Giloi die erste deutsche Computeranimation, die ein fahrendes Auto auf einer holprigen Straße zeigte. Der zugehörige Computer war allerdings ein Analogrechner. Überliefert ist davon ein Bild der Technikzeitschrift hobby; im Jahr 2010 rekonstruierte Analogrechner-Experte Bernd Ulmann die Darstellung auf seinem RA 770.

Wir bedanken uns bei Bernhard Mescheder und Bernd Ulmann herzlich für die Fotos von Wolfgang Giloi.

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Ein Kommentar auf “In Memoriam Wolfgang Giloi (1930-2009)”

  1. Karl Jaeger sagt:

    Vielen Dank für die Zeitreise in die Vergangenheit am Forschungsinstitut. Im BLOG hatte ich unter anderem hier schon drauf verwiesen https://blog.hnf.de/hp-85-personal-computer-fuer-profis/
    Leider habe ich vergessen ob es sich um einen Telefunken Analog Rechner handelte. Er sah jedenfalls genau so aus wie auf dem Titelbild. Das Betriebsforschungsinstitut des VDEh befindet sich in der Sohnstr. In Düsseldorf. Dort gab es auch die Prozessrechner von Hewlett Packard auf denen ich die Lochstreifen mit den Messdaten aus den Stahlwerken von ASCII in EBCDIC umwandelte um sie auf dem Großrechner weiter zu verarbeiten. Im Artikel ist beschrieben wie sie von dort wieder auf den Tischrechner übertragen wurden um eine Vectorgrafik darzustellen. Etwa 5mal umständlicher als mit dem Analogrechner in der Autodemo. Dafür aber 100mal genauer dank Matpack und Plot10 das von mir für Ausgabe auf HP umgeschrieben wurde. Sozusagen hybride Lösung in Fortran und Basic. Im Link auf meine Webseite ist auch das auf der CeBIT und anderen Messen ab 1979 ausgestellte Ergebnis zu sehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.