Konrad Zuse und der Plankalkül
Geschrieben am 22.06.2020 von HNF
Am 22. Juni 1910 wurde in Berlin Konrad Zuse geboren. Er erfand nicht nur den Computer, sondern gründete auch die erste deutsche Firma für seine Herstellung. 1945 schuf er den Plankalkül, der die Vorstufe einer höheren Programmiersprache war. Der Kalkül ist etwas knifflig, doch meldete Zuse 1950 einen Digitalrechner zum Patent an, der ihn benutzte.
Im Blog haben wir schon öfter über Konrad Zuse gesprochen, der heute vor 110 Jahren in Berlin-Wilmersdorf zur Welt kam. Zur Feier des Tages möchten wir an seinen Plankalkül erinnern. Er sollte rechnerische, wissenschaftliche und technische Probleme in einer logischen Sprache ausdrücken, die die Bearbeitung im Computer ermöglichte. Die Vorsilbe Plan- spielte auf den Rechenplan an – so nannte Zuse bekanntlich ein Computerprogramm.
Die Urversion des Kalküls brachte Konrad Zuse nach Kriegsende im Allgäu zu Papier. Im September 1948 stellte er die Grundzüge auf einer wissenschaftlichen Tagung in Göttingen vor; sein Referat wurde außerdem in der Zeitschrift „Archiv der Mathematik“ veröffentlicht. Danach übersetzte er sein Konzept in einen Patentantrag. Diesen reichte Zuse am 13. Mai 1950 im wiedereröffneten Deutschen Patentamt ein. Die Zentrale des Amtes saß nicht mehr in Berlin, sondern seit 1949 im Bibliotheksbau des Deutschen Museums in München.
Fünf Jahre später wurde das Patent unter Nummer 926.449 erteilt; Inhaber war die Zuse KG. Man kann es in der Datenbank des Patentamts herunterladen: bitte in die oberste Zeile des Menüs „DE926449“ tippen, die Recherche starten und anschließend bei „Herunterladen“ den PDF-Schalter anklicken. Das Dokument enthielt zehn Textseiten und eine Grafik; es trug den Titel „Kombinierte numerische und nichtnumerische Rechenmaschine“. Nach der deutschen Patentklassifikation bezog es sich auf ein Rechengerät, es dürfte aber das erste Software-Patent der Technikgeschichte gewesen sein.
Die Patentschrift Nr. 926.449 vom 13. Mai 1950 beschrieb zwei Programme in Konrad Zuses Plankalkül. Sie lösten aber keine Rechenaufgabe, sondern analysierten Zeichenfolgen. Das erste Programm – auf das zweite möchten wir verzichten – beantwortete die Frage, ob eine mathematische Formel syntaktisch richtig ist. Dabei wurde jedes Symbol der Formel, also die Buchstaben, Ziffern, Klammern und Operationszeichen, durch acht Bit dargestellt. Hier ahnte Konrad Zuse offenbar schon das zukünftige Byte voraus.
Die Bitfolge wurde durch den patentierten Computer untersucht, der einem bestimmten Programm folgte; Konrad Zuse sprach vom Gesamtrechenplan. Bemerkenswert ist, dass das Hauptprogramm sechs Unterprogramme aufwies, die Zuse mit P 23 bis P 29 bezeichnete. Die Haupt- und Unterrechenpläne wurden aus dem vorangestellten Schema des Plankalküls gewonnen. Am Ende des Algorithmus stand eine Ja-Nein-Ausgabe: die eingegebene Formel war entweder syntaktisch korrekt, oder sie war es nicht.
Die Grafik in der Patenschrift zeigt die drei Abschnitte des Plankalkül-Computers. Ganz links befindet sich das Rechenwerk RW 1 für aussagenlogische Operationen und der zugehörige Komponentenspeicher KSp. Daneben sitzt das zweite Werk RW 2 zum Zahlenrechnen mit dem Hauptspeicher HSp. Der gestrichelte Kasten rechts im Bild enthält das Programmwerk Pr W, das die beiden Rechenwerke steuert. Zu ihm gehören das Ablaufwerk Ablw und das Schlüsselwerk Schlw. Letzteres besitzt einen Adressenspeicher Ad.Sp. und dazu noch einen Speicher GK Sp für Grundkommandos. Alles ist mit allem verbunden
Die Grundkommandos zum Eingeben, Anzeigen, Speichern usw. sind so etwas wie das Betriebssystem des Rechners. Was aber ist das Schlüsselwerk? Diese Frage klärt ein zweites Patent für ein „Schlüssel-Programmwerk“. Konrad Zuse meldete es am 25. April 1950 an, also vor seiner numerischen und nichtnumerischen Rechenmaschine. Das Münchner Amt erteilte das Patent erst 1965. Es bekam die Nummer 977.282 und lässt sich in der Datenbank mit dem Kürzel „DE977282“ herunterladen.
Allem Anschein nach regelt das Schlüsselwerk das Adressieren von Speicherplätzen in Unterprogrammen. Es ist nicht der einzige Punkt, den Zuse im Hauptpatent von 1950 offenließ. Hätte ein Benutzer zum Beispiel Rechenpläne speichern können? In der Passage zum Schlüsselwerk gibt es dazu einige Andeutungen. In Konrad Zuses ersten Maschinen musste man den kompletten Rechenplan per Lochstreifen einführen. Im Eingangsbild sehen wir den Nachbau der 1938 fertiggestellten Z1 im Berliner Technikmuseum.
Manche Technikhistoriker kreiden Zuse an, dass er in seinen grundlegenden Entwürfen auf bedingte Sprünge verzichtete. Sie wären erst auf Drängen der ETH Zürich eingebaut worden, die 1950 seine Z4 aufstellte. Patent Nr. 926.449 macht deutlich, dass der Computerpionier schon früh von der Wichtigkeit bedingter Operationen wusste. Auf Seite 5 lesen wir von Bedingungsleitungen und bedingten Kommandos. In seinem Vortrag von 1948 erwähnte Zuse eine logistische Rechenmaschine für Programme mit aussagenlogischen Elementen.
1959 schrieb Zuse einen weiteren Zeitschriftenartikel zum Plankalkül; als Anwendung nahm er die Situation einer Schachfigur. 1972 publizierte er die Urfassung. 1976 beschwor er im Rückblick auf vierzig Seiten die Klarheit durch den Plankalkül – bitte mit den Pfeilen unter den Seiten blättern. Richtig froh ist Konrad Zuse mit seiner Erfindung wohl nicht geworden. Wie wir jedoch zeigten, kann man dazu noch manche interessante Entdeckung machen.