Messeabenteuer 1965

Geschrieben am 30.06.2015 von

Wer vor 50 Jahren die allerneuesten Computer und Rechenmaschinen sehen wollte, besuchte nicht die CeBIT – die gab es noch nicht – sondern die richtige Hannover Messe, die vom 24. April bis 2. Mai 1965 die Tore öffnete. Ein Messe-Katalog von damals teilt uns mit, welche Firmen im Bereich Bürotechnik ausstellten und was sie ihren Kunden zeigten.

Tusch! „Hannover ist endgültig zur Weltmesse geworden: Aus 105 Ländern kamen über eine Million Besucher. Unter ihnen drei sowjetische Minister.“ So schrieb die ZEIT am 7. Mai 1965 nach Ende der Hannover Messe und fuhr fort: „Chemie, Elektroindustrie, Fernsehindustrie konnten große Aufträge verbuchen, Büromaschinen und Elektronik waren Spitzenreiter.“ Zu den Büromaschinen zählte vor 50 Jahren auch der gesamte Bereich der Rechentechnik, und wir wollen uns einmal anschauen, was die ZEIT so zum Jubeln brachte.

Hier hilft uns der offizielle Messekatalog, dessen erster Band auf 556 Seiten die ausstellenden Firmen nennt sowie die Hallenpläne bringt. (Band 2 zu den ausgestellten Produkten lag uns leider nicht vor.) Auf der farbigen Übersicht – siehe oben – fällt das riesige Freigelände auf, das heute weitgehend verschwunden ist, doch in den 1950er und 1960er Jahren mit Kränen, Baggern, Traktoren, Lastern und anderem Großgerät gefüllt war und immer wieder durch die Wochenschau überliefert wurde.

Die Büromaschinen standen natürlich nicht unter freiem Himmel, sondern drängten sich auf den drei Etagen von Halle 17 in der Nordostecke des Messegeländes. Im Erdgeschoss finden wir die größeren Computerfirmen IBM, Bull, Remington Rand, Zuse, Electrologica aus Holland und ICT aus England, außerdem die Kölner Wanderer Werke mit ihrer Logatronic. Das ist der bekannte Buchungsautomat, der von Heinz Nixdorfs Labor für Impulstechnik kam, das keinen eigenen Messestand besaß. Aus Paderborn stammte ebenso die Transistor-Rechenmaschine Wanderer Conti.

Wanderer-Stand mit Buchungsautomat Logatronic und Rechenmaschine Conti

Wanderer-Stand mit Buchungsautomat Logatronic und Rechenmaschine Conti

Weiterhin treffen wir Rechen- und Buchungsmaschinen von Addimult, Alpina, Olympia und Siemag. Die kleinere Bürotechnik setzt sich im 1. Obergeschoss fort, mit Marken wie Addiator, Addo, Anker, Burroughs, Curta, Diehl, Eldata, Facit, Friden, Hamann, Log Abax, Kienzle, Monroe, und das ist nur die erste Hälfte des Alphabets. Westdeutsche Vertriebsfirmen stellen auch DDR-Produkte aus, sprich Ascota, Optimatic und Soemtron sowie eine Addiermaschine aus Amerika mit Namen Commodore, deren Hersteller sich später ganz anderen Rechnern widmen sollte.

Neben der digitalen Bürotechnik gibt es 1965 die analoge; die Albert Nestler Verkaufsgesellschaft, die Aristo-Werke und A. W. Faber-Castell zeigen auf ihren Ständen Batterien von Rechenstäben und Rechenscheiben. Eine analoge Vergangenheit hat auch die Eurocomp GmbH aus Minden: Als sie noch Schoppe & Faeser hieß baute sie einige große Integrieranlagen. In Halle 17 bietet sie vor allem Röhren- und Transistorcomputer der Typen LGP 21, LGP 30 und RPC 4000 an.

Rechengeräte sind aber nicht die einzigen Erzeugnisse, die die Messebesucher bei der Bürotechnik sehen. Präsentiert werden überdies Zeichengeräte, Schreibmaschinen, Kopierer und Vervielfältiger, Büromöbel und Geldschränke, Aktenordner, Papierwaren und Verpackungen, und auch die Fachverlage geben sich ein Stelldichein. Umgekehrt treffen wir Computerhersteller noch woanders, Siemens und Telefunken in der riesigen Halle 13, Digital Equipment und Hewlett-Packard in der Elektronikhalle 11A am südöstlichen Ende des Geländes.

1965 war die Hannover Messe ein echtes Abenteuer, und das nicht nur, weil die Gutbetuchten mit dem Kleinflugzeug direkt vor dem Eingang West 1 landen konnten. Die Welt der Technik war bunt und vielfältig, jede Industrieschau war eine kleine Weltausstellung. Unser Schlussfoto führt uns vier Jahre weiter auf die Messe von 1969, wo die 1968 gegründete Nixdorf Computer AG ausstellte. Der Herr neben Heinz Nixdorf ist Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel, wohl beim Messerundgang, und rechts oben auf dem Schild lesen wir schon das Zeichen der Zukunft – „on-line“. Tusch!

1969_NCAG

 

Tags: , , , , , , , , ,

Ein Kommentar auf “Messeabenteuer 1965”

  1. Karl Jaeger sagt:

    Auch 10 Jahre später war die CeBIT noch ein echtes Abenteuer. Obwohl die Halle 1 schon gebaut war reichte sie bei weitem nicht aus für die schnell wachsende IT-Industrie zumal einige große Hersteller wie IBM ganze Geschosse der Halle für sich beanspruchten. IBM zB das OG der Halle 1 mit eigenem Fahrstuhl. Ohne Termin mit dem zuständigen IBM Mitarbeiter kamen die „Sehleute“ dort garnicht hin. Nachdem ich im Forschungsinstitut 1977 angefangen hatte durfte ich 1978 schon auf die CeBIT und die 2te Hälfte im Alleingang unseren Stand in der Halle 6 übernehmen. Dort gab es natürlich auch Rechner die zu dem Zeitpunkt bereits über das ganze Messegelände verteilt waren. Für einen Überblick brauchte man min. 3 Tage. Größtes Problem: den Dienstwagen auf d m Messeparkplatz Ost 3 in der Dunkelheit nach Messeschluss zu finden denn ich war it dm Zug angereist und der einzige Hinweis war ein Heckaufkleber des BFI.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.