Roboter auf Wanderschaft
Geschrieben am 21.08.2018 von HNF
Er ist der Roboter der Herzen: hitchBOT. Gebaut von den Medienforschern Frauke Zeller und David Harris Smith, durchquerte er 2014 per Autostopp Kanada. Ein zweites Modell bereiste 2015 Deutschland und die Niederlande. Am 1. August 2015 wurde hitchBOT in den USA bei einem Überfall schwer beschädigt. Im HNF fängt für ihn ein neues Leben an.
Roboter gibt es schon lange. In der Frühzeit hießen sie Automaten und waren ortsgebunden – man denke an den berühmten Schachtürken. Im 20. Jahrhundert lernten sie laufen und wurden mobil. Heute rollen sie durch Forschungsinstitute oder Computermuseen, besitzen Mikroprozessoren und elektronische Sinnesorgane. Mit manchen Robotern kann man sich sogar unterhalten. Sie führen ein glückliches Maschinenleben; eine wichtige Zutat müssen sie jedoch entbehren: Sie haben keine persönliche Freiheit.
Das änderte sich am Sonntag, dem 27. Juli 2014. An diesem Tag trat hitchBOT am Rande der kanadischen Stadt Halifax seine große Reise an. Das Verbum „hitch“ bedeutet anhängen oder ankuppeln, aber auch per Anhalter fahren. Der hitchBOT war also ein autostoppender Roboter, wie das Video zeigt, das damals entstand. Kaum hatte sich hitchBOT an die Schnellstraße gesetzt, als schon ein Fahrzeug hielt und ihn ein freundliches Menschenpaar mitnahm.
Im Film sieht man zu Beginn hitchBOTs „Eltern“ Frauke Zeller und David Harris Smith. Sie sind Medienforscher an kanadischen Hochschulen: David Smith kommt von der McMaster-Universität der Stadt Hamilton; er war zunächst künstlerisch tätig, mittlerweile ist er ein Spezialist für virtuelle Welten. Frauke Zeller lehrt seit 2013 an der Ryerson-Universität in Toronto. Den Doktor machte sie 2005 im Kassel mit einer Arbeit zur Beziehung von Mensch und Roboter. Ihre Habilitation an der TU Ilmenau behandelte Online-Communities.
Der hitchBOT war nicht das erste Gemeinschaftprojekt von Frauke Zeller und David Smith. Anfang 2013 konstruierten sie my kulturBOT 1.0, den ersten digitalen Kunstkritiker. Er basierte auf einem handelsüblichen Staubwisch-Roboter und fegte durch das Museum der McMaster-Universität. Mit einer Digitalkamera nahm er die Umgebung sowie die Besucher auf und projizierte seine Fotos an eine freie Wand. Jedes schmückte ein Zitat des Futuristen Filippo Marinetti. Seit Ende 2014 lassen sich Bilder und Sprüche auf Twitter studieren.
Nachfolger des ersten kulturBOT waren der verbesserte kulturBOT 3.0 und der völlig anders konstruierte hitchBOT. Er bestand aus einem rundlichen Körper und einem Kopf aus LED-Panels. Die Extremitäten aus Weichkunststoff trugen Stiefel und Handschuhe; beweglich war nur der rechte Arm mit dem aufwärts zeigenden Anhalter-Daumen. Ein Tablet-Computer und ein Arduino-Board sorgten für die Intelligenz; Solarzellen, Akkus und ein Zigarettenanzünder brachten Strom.
Dank seines GPS-Geräts wusste hitchBOT stets, wo er war; über das Funknetz 3G hielt er Kontakt zur Außenwelt und zu den sozialen Netzwerken. Er konnte sich mit einer künstlichen Stimme bemerkbar machen und dank einer Chatbot-Software Dialoge führen. Falls seine Begleiter keine Einwände hatten, knipste er alle 20 Minuten ein Digitalfoto und stellte es ins Internet. Schon vor dem Start seiner Tour rührten Frauke Zeller und David Harris Smith die Werbetrommel. Danach wurde hitchBOT zu einem landesweiten Medienereignis.
Seine Reise begann, wie berichtet, am 24. Juli 2014 nahe Halifax am Atlantik. Sie endete 18 Autostopps später am 21. August im Pazifikhafen Victoria. Kurz vor Schluss wagte hitchBOT einen kurzen Abstecher in die USA. Die Fähre beförderte ihn zum nahe gelegenen Seattle, wo er eine Stunde am Kai saß. Dann kehrte er wieder nach Kanada zurück. Seine Heimat hat er seitdem nicht mehr verlassen. Seit November 2017 sitzt er in der eigenen Vitrine (bitte etwas scrollen) im Technikmuseum der kanadischen Hauptstadt Ottawa.
Schon am 13. Februar 2015 ging sein Zwilling auf Wanderschaft; er hieß ebenfalls hitchBOT. Er flog zunächst mit Frauke Zeller und David Smith nach München und besuchte dort das Hofbräuhaus. Am Abend setzte er sich an eine Tankstelle; eine Mitfahrgelegenheit fand sich schnell. In der Folgezeit sah hitchBOT Nr. 2 Neuschwanstein, Frankfurt, Bottrop und Köln. Hier erlebte der Roboter nicht nur den Rosenmontag, sondern auch Stefan Raab. Seine nächsten Stationen waren Berlin, Hamburg, Wolfsburg, Leipzig und Nürnberg.
Am 22. Februar traf er wieder in München ein. Von dort begleitete er seine Konstrukteure zur Social Media Week nach Hamburg; YouTube zeigt die Ankunft im Flughafen. Anschließend kehrte das Team wieder nach Kanada zurück. Im Juni 2015 tourte hitchBOT drei Wochen lang durch die Niederlande, am 17. Juli begann er eine Reise durch die USA. Startpunkt war ein Kunstmuseum in Salem nordöstlich von Boston; als Ziel wurde das Science-Center Exploratorium in San Francisco anvisiert.
Nach zwei Wochen hatte hitchBOT die Millionenstadt Philadelphia erreicht. Dann schlug jedoch das Schicksal zu: Der Roboter wurde überfallen und fürchterlich zugerichtet. Die Gewalttat wurde nie aufgeklärt. Ein Twitter-Foto vom 1. August 2015 überliefert noch den alten Zustand, das nächste vom 2. August ist ein Bild des Jammers. Frauke Zeller konnte an die BBC nur die traurige Erkenntnis skypen: „Manchmal passieren dem besten Roboter die schlimmsten Dinge.“ Eine Reparatur schloss sie aus.
Nicht aber das HNF. Es erwarb die Reste des Roboters und stellte ihn in voller Größe wieder her. Ab dem 21. August 2018 erwartet er die Besucher in der neu gestalteten Medienabteilung. Frauke Zeller hat inzwischen einen neuen Freund, einen Roboter der Marke Pepper. Einen solchen besitzt das HNF – siehe Video – schon seit zwei Jahren.