Robotron – der sozialistische Computerkonzern

Geschrieben am 01.04.2019 von

Am 7. Oktober 1969 feierte die DDR den zwanzigsten Jahrestag der Gründung. Die Bürger bekamen ein zweites TV-Programm, die Berliner erhielten einen Fernsehturm. Schon am 1. April wurde der größte deutsche Computerhersteller aller Zeiten geschaffen, das Kombinat Robotron. Am Ende hatte es 68.000 Mitarbeiter. Mit einer Vielzahl von Betrieben deckte es die gesamte Informationstechnik ab.

Der Start geschah unter Ausschluss der Öffentlichkeit, den Quellen zufolge am 1. April 1969. In der (Ost-) „Berliner Zeitung“ stand das Kombinat Robotron am 22. April des Jahres; sie schrieb über eine Lehrlingskonferenz in Leipzig und erwähnte den Berliner Betrieb. Sechs Tage später erschien das Kombinat im Parteiblatt „Neues Deutschland“, nicht in einem Artikel, sondern in einer Stellenanzeige. Gesucht wurden vor allem Ingenieure und Wissenschaftler für das zukünftige Robotron-Forschungszentrum Dresden. Den Robotron-Generaldirektor Siegfried Zugehör erwähnte die Zeitung erst am 1. Juni 1969.

„Neues Deutschland“ vom 28. April 1969 (Bild ZEFYS, Staatsbibliothek zu Berlin)

Das Wort Robotron war nicht neu. So hießen ab 1959 Produkte aus dem VEB Elektronische Rechenanlagen in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Der erste Robotron-Rechner R12 operierte mit Röhren; er half einer Buchungsmaschine beim Multiplizieren und beim Dividieren. Der Robotron 100 von 1964 enthielt Transistoren. Er war ein richtiger Computer wie auch das größere Modell R300 von 1967. Mit 18.500 Transistoren entsprach der Robotron 300 der IBM 1401, die es schon seit 1959 gab. Gefertigt wurde er in Radeberg bei Dresden.

Der Volkseigene Betrieb aus Karl-Marx-Stadt gehörte zur Vereinigung Volkseigener Betriebe Büromaschinen und ab 1964 zur VVB Datenverarbeitungs- und Büromaschinen. Fünf Jahre später wurden daraus die Kombinate Robotron und Zentronik. Robotron baute mittelgroße und große Computer und ihre Peripheriegeräte; Zentronik produzierte Buchungs- und Schreibmaschinen sowie Kleinrechner. Ein Erfolgsmodell war das System Cellatron 8205; von 1969 an kamen davon 3.000 Stück heraus.

Optimistisch in die neue Zeit: Robotron-Betriebsfestspiele 1970 in Dresden (Foto Erich Höhne, Deutsche Fotothek CC BY-SA 3.0 DE)

Am 1. April 1969 wurde aus der Marke „Robotron“ der Verbund „robotron“; wir bleiben aber beim großen R. Die Zentrale des Kombinats saß in Radeberg. In den frühen 1970er-Jahren entstanden ein neues Hauptquartier und ein Forschungszentrum in Dresden. Der Schwung der Anfangsjahre erlahmte ab 1972. Zuwächse gab es bei kleinen Geräten, auch durch die Übernahme von Zentronik. Ab 1978 besaß Robotron im ostdeutschen Computermarkt ein Monopol; in den späten Achtzigern arbeiteten in 21 Betrieben 68.000 Werktätige.

Vergleichbar war höchstens das 1977 geschaffene Kombinat Mikroelektronik Erfurt, das Halbleiter und Mikroprozessoren lieferte. 1987 besaß die DDR rund 2.000 Groß- und Prozessrechner, 4.400 Systeme der mittleren Datentechnik und 42.000 Mikrocomputer. Robotron beteiligte sich auch am ESER-Programm des Ostblocks, der Nachahmung der IBM-360-Familie. Von den ESER-Mainframes wurden rund eintausend exportiert. Ab 1987 gingen pro Jahr 10.000 Exemplare des Standard-PCs Robotron 1715 in die Sowjetunion.

Robotron-Stand auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1977 (Bild Deutsche Fotothek CC BY-SA 3.0 DE)

Am 1. Juli 1990 löste sich das Kombinat im Zuge der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von BRD und DDR auf. Einige Zweige machten eine Weile weiter – wir haben darüber im Blog berichtet. Der Dresdner Robotron-Komplex wurde zur Hälfte abgerissen; eines der Gebäude dient heute als Hotel. Robotron-Computer überlebten in Museen und Sammlungen. Das HNF zeigt eine ESER-Anlage in seiner Ausstellung, kleinere Rechner sind im Depot.

Die gute Nachricht lautet, dass Robotron wie kaum ein anderer Computerhersteller im Netz präsent ist. Zu nennen sind hier die Plattform robotron technik und die umfangreichen Links auf der Wikipedia-Seite. Fotos liegen auf Wikimedia und in der Deutschen Fotothek. Die Marke Robotron hält seit 1997 die Robotron Datenbank-Software GmbH; sie besitzt auch die zugehörige Homepage. Ob sie die Rechte am Robotron-Videospiel erwarb, ist unbekannt.

Arbeitskollektiv im Robotron-Werk von Dresden-Gruna im Jahr 1980 (Foto Christian Borchert, Deutsche Fotothek CC BY-SA 3.0 DE)

Unser Eingangsbild oben stammt ebenfalls aus der Deutschen Fotothek (CC BY-SA 3.0 DE). Es zeigt die Dresdner Robotron-Gebäude kurz vor der Fertigstellung 1971 oder 1972. Die Kombinatsleitung vorne und den Komplex links davon gibt es noch. Weiter hinten stehen das Rechenzentrum und das Zentrum für Forschung und Technik; diese beiden wurden, wie es so schön heißt, rückgebaut. Hinter dem Baukran erkennt man den rückwärtigen Teil des Deutschen Hygiene-Museums.

 

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2 Kommentare auf “Robotron – der sozialistische Computerkonzern”

  1. Christoph sagt:

    Dazu gibt’s eine schöne Doku auf Youtube vom MDR, die auch einige Geräte in Aktion zeigt
    https://www.youtube.com/watch?v=EapLXvQ4pt8

  2. Sabine sagt:

    Im ehemaligen Robotron-Gebäude residiert nicht nur ein Hotel. Es ist immer noch ein Bürokomplex mit verschiedensten Mietern. Unter anderem ist da auch die Dresdner Niederlassung der Robotron Bildungs- und Beratungs GmbH zu finden.

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