Sag mir wo die Fehler sind
Geschrieben am 26.05.2015 von HNF
Computer und Mikrochips sind kompliziert. Immer wieder müssen Ingenieure, Informatiker und Programmierer Fehler suchen. Fand man diese in der Anfangszeit der Technik meist in der Hardware, so stecken heute die „bugs“ primär in der Software und lassen sich nicht ausrotten. Welche Folgen hat das angesichts der immer weiter zunehmenden Abhängigkeit von digitaler Elektronik?
Es war kein Flug wie jeder andere. Am 9. Mai musste ein nagelneuer Militärtransporter des Typs Airbus A400M einen Erprobungsflug abbrechen und stürzte kurz vor der Landung auf dem Flughafen der spanischen Stadt Sevilla ab. Vier Männer der Besatzung starben, zwei weitere wurden schwer verletzt gerettet. Schon wenige Tage später verbreitete sich die Hypothese, dass der Crash auf eine fehlerhafte Software in der Triebwerkssteuerung zurückgehen könnte.
Zwei Wochen vorher, am 23. April, hatte die amerikanische Luftaufsichtsbehörde FAA vor einem Softwarefehler in der Stromversorgung des Passagierflugzeugs Boeing 787 gewarnt. Er bewirkt, dass sich aufgrund eines Zählerüberlaufs die Generatoren des „Dreamliners“ nach 248 Tagen abschalten – im Extremfall alle zugleich. Der Ratschlag der FAA klang wie der Tipp einer Telefon-Hotline für Computerprobleme: Das System regelmäßig herunterfahren und wieder neu starten.
Diese Beispiele stehen für eine beunruhigende Tendenz: Technische Anlagen, stationär oder mobil, werden mit digitaler Elektronik kontrolliert, die dem Verantwortlichen immer weniger direkte Zugriffe erlaubt. Der Pilot eines Flugzeugs sitzt nicht mehr an einem Steuerknüppel, dessen Auslenkung über Drähte oder Hydraulik auf das Höhen- und das Querruder einwirkt, sondern fliegt elektronisch. Seine Aktionen werden in digitale Impulse umgesetzt und sorgen zum Beispiel dafür, dass kleine Motoren in den Tragflächen und im Leitwerk die Ruder, Vorflügel und Landeklappen bewegen.
Speziell Airbus hat sich der Technik des „fly by wire“ verschrieben. Im Cockpit der A400M (Foto) und in den zivilen Modellen der Firma fallen die großen Flachbildschirme auf, einen Steuerknüppel sucht man vergeblich. Bei Boeing gibt es statt des Steuerknüppels das Steuerhorn am gleichen Platz. Gelenkt wird ein Airbus durch sogenannte Sidesticks links und rechts vor den Sitzen; aus der Frühzeit der Fliegerei blieben nur die Pedale für das Seitenruder und die Gashebel in der Mitte. Dazu kommen automatische Ansagen für Fluglagen und in Gefahrensituationen.
Wo digitale Elektronik ist, da sind die Softwarefehler nicht fern, die sich trotz aller Mühen von Programmieren und Informatikern nie völlig ausrotten lassen. Und wenn es doch einmal gelingt, die „bugs“ auf ein Minimum zu reduzieren, bleibt das Problem der Mensch-Maschine-Kommunikation. Bei mehr als einem Airbus-Absturz durchschauten die Piloten nicht mehr die Gefahrenwarnungen, die das akustische System im Sekundentakt auf sie losließ. Und die elektronische Steuerung liefert zwar Rückmeldungen von Gegenkräften (Force Feedback), der Pilot „fühlt“ aber nicht mehr, wie die Maschine auf seine Steuerbewegungen reagiert.
Der Münchner Informatikprofessor Thomas Huckle sammelt seit Jahren Softwarepannen aller Art. Wer zu Flugangst neigt, sollte Punkt 45 seiner Liste zu „Airplane disasters“ besser überspringen. Der israelische Mathematiker Nachum Dershowitz zählt auf seiner Seite insgesamt 107 „Software Horror Stories“ auf, und auch die deutsche Wikipedia nahm sich des Themas an. Ausführlicher ist wie so oft die englischsprachige Schwester. Eine schöne Übersicht über Software- und Nicht-Softwarefehler in der Raumfahrt stammt von Bernd Leitenberger.
Die Liste von Thomas Huckle behandelt „Software bugs related to cars“ (Nr. 42), und es ist absehbar, dass diese Kategorie bald heiß diskutiert werden wird. Verschiedene Firmen, alle voran eine bekannte Suchmaschine, planen den Einsatz selbstfahrender Autos, die nur durch Computerintelligenz gesteuert werden. Wie groß ist die Gefahr, dass solche Autos einen Unfall bauen, und wer käme im Falle eines Falles für die Folgen auf? Vor kurzem brachte der Wissenschaftsverlag Springer ein kostenloses E-Book über autonomes Fahren heraus, das schon ausführlich auf die Rechtsfragen eingeht.
Schließen wollen wir nicht mit dem Googlemobil der Zukunft, sondern mit dem C5 des englischen Computerherstellers Clive Sinclair von 1985, einem garantiert softwarefehlerfreien Elektroauto aus Kunststoff. Hier lenkte der Fahrer noch selbst und spürte den Straßenzustand direkt am Hosenboden. Wer nicht die Luxusversion mit Blinker fuhr, streckte vor der Kurve den Arm heraus. Der C5 fand 5.000 Käufer und sogar den Weg ins Deutsche Technikmuseum nach Berlin, siehe Foto.
(Die Flugzeugfotos sind von Airbus Defence and Space; das Bild oben zeigt keinen Absturz.)