Wählen mit Maschinen
Geschrieben am 01.09.2017 von HNF
Am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Drei Wochen vorher eröffnet das HNF eine kleine Ausstellung über Wahlgeräte. Diese gestatten eine Stimmabgabe ohne Ausfüllen von Zetteln. Die ersten Wahlmaschinen wurden 1892 in den USA aufgestellt. In Deutschland kamen ab der Europawahl 1999 hin und wieder Wahlcomputer zum Einsatz. 2009 verbot sie aber das Bundesverfassungsgericht.
Es ist wieder so weit: In drei Wochen wird der Bundestag gewählt. Wer nicht die Papiere zur Briefwahl beantragen möchte, sucht das Wahllokal auf und gibt die Stimme ab. Genauer gesagt, zwei Stimmen, denn die deutsche Politik kennt die Erststimme für die Abgeordneten und die Zweitstimme für die Parteien. Der Wähler oder die Wählerin kreuzt, vor neugierigen Blicken geschützt, die diversen Listen an; anschließend gelangen sie in die sprichwörtliche Urne. Es geht aber auch anders.
Die uns allen vertraute Technik, die Parteien auf einem Zettel zum Ankreuzen aufzureihen, wurde zuerst bei der Reichstagswahl vom 7. Dezember 1924 praktiziert. Die Grundidee stammt jedoch aus dem britischen Weltreich. 1856 galt in Australien das erste Wahlgesetz, das vorgedruckte Unterlagen und geheimes Ausfüllen derselben an bestimmten Plätzen vorschrieb. Im Jahr 1888 übernahm der amerikanisches Bundesstaat Massachusetts den „Australian ballot“, andere Bundesstaaten folgten schnell.
Zur gleichen Zeit verbreitete sich in den USA ein zweites Verfahren: die Wahlmaschine. Seit 1875 meldeten Erfinder Patente für solche Apparate an. Im Jahr 1900 wurde die U.S. Standard Voting Machine Company gegründet; sie stellte Geräte her, auf denen man mit vielen kleinen Hebeln abstimmte. Ein Vorhang sorgte für Geheimhaltung. Bei den Präsidentenwahlen der 1930er-Jahre standen die Produkte der Firma in einem Sechstel der Wahlkreise. In den 1960er-Jahren kam dann das Votomatic-System mit Lochkarten heraus.
Damit sind wir beim Thema, der computerunterstützten Stimmabgabe. In Deutschland wurde sie schon vor Jahrzehnten erlaubt. Paragraph 35 des Bundeswahlgesetztes vom 9. Mai 1956 sagte zunächst: „Gewählt wird mit amtlichen Stimmzetteln in amtlichen Umschlägen.“ Weiter unten hieß es aber: „Der Bundesminister des Innern kann zulassen, daß anstelle von Stimmzetteln amtlich zugelassene Stimmenzählgeräte verwendet werden.“ Dann passierte vierzig Jahre lang nur wenig; es wurde stets von Hand gewählt und von Hand ausgezählt.
Derweil wurden in den Niederlanden elektronische Geräte entwickelt. Die Serienfertigung übernahm die Nederlandse Apparaten Fabriek, kurz Nedap, in Groenlo. In den späten 1980er-Jahren waren schon 1.200 Maschinen im Einsatz. Am Ende der Neunziger stimmten 95 Prozent der Wähler digital ab. Ein Nedap-Wahlcomputer besaß eine Grundplatte, aus der ein Tastenfeld hochgeklappt wurde. Am Rand saß ein Display, darunter speicherten Chips die Stimmen. Vorn und an den Seiten dienten drei Wände als Sichtschutz, siehe Eingangsbild.
1997 beantragte Nedap die Zulassung ihrer Computer in Deutschland und erhielt sie auch. Bei der Europawahl des Jahres 1999 kamen in Köln eine Anzahl Geräte zum Einsatz, bei der Bundestagswahl 2002 fanden sie ihren Weg in 29 Kommunen. Für die Parlamentswahl 2005 wurden mehr als 1.800 Systeme aufgestellt, vor allem in Nordrhein-Westfalen. An ihnen gaben zwei Millionen Bürger ihre Stimmen ab. Von 2006 bis 2008 fanden einige Kommunal- und Landtagswahlen mit den Computern statt, zuletzt im Januar 2008 in Hessen.
Nach der Wahl von 2005 erhoben ein Frankfurter Physiker und sein Vater, ein emeritierter Politikwissenschaftler, Einspruch gegen das Ergebnis. Als der Bundestag den Einspruch ablehnte, zogen sie vor das Bundesverfassungsgericht. Sie begründeten ihre Klage damit, dass die Wahlcomputer eine nicht nachprüfbare Stimmenauszählung vornehmen würden. Die Richter sahen es ebenso. Am 3. März 2009 erklärten sie die Verordnungen für den Einsatz jener Computer und die Verwendung der Nedap-Rechner bei der Wahl von 2005 für verfassungswidrig.
Das Wahlergebnis galt nach wie vor, doch die Geschichte der Wahlcomputer in Deutschland war zu Ende, jedenfalls vorläufig. In den Niederlanden hatte die Regierung schon 2007 die digitale Stimmabgabe widerrufen. Ob einmal ganz andere Systeme eingeführt werden, etwa Online-Wahlen, wissen wir nicht. Wir laden aber alle Interessierten zur Sonderausstellung des HNF über Wahlgeräte ein. Eröffnet wird sie am Samstag, den 2. September mit Vorträgen, Kaffee und Kuchen sowie „Bingo-Voting“. Wir freuen uns auf Ihre Stimmen.