Zukunft 1982
Geschrieben am 15.03.2022 von HNF
Der gebürtige Münchner Egon Larsen war ein fleißiger Journalist und Schriftsteller. 1957 erschien sein Roman „Du wirst die Zukunft noch erleben“. Darin lässt sich ein Reporter einfrieren und verbringt Jahrzehnte im Tiefschlaf. Am 15. März 1982 erwacht er und bereist die hochtechnisierte Welt; schließlich fliegt er zum Mond. Wir haben uns Larsens Buch einmal angeschaut.
Wer sich in den 1950er-Jahren für die Welt von morgen interessierte, las die Romane des Gebrüder Weiß Verlags aus Berlin-Schöneberg. 1957 brachte er einen Titel heraus, der etwas aus dem Rahmen fiel. „Du wirst die Zukunft noch erleben“ – in England hieß das Buch „You’ll See“ – war eine Utopie, griff jedoch wie kein anderes Werk der Science-Fiction auf reale wissenschaftliche und technische Entwicklungen zurück. Der Autor war auch kein Romancier, sondern hatte sich einen Namen mit Sachbüchern gemacht.
Egon Lehrburger wurde am 13. Juli 1904 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in München geboren. Ab 1928 schrieb er für große Tageszeitungen. 1933 floh er nach Frankreich, ab 1935 wohnte er in Prag. 1938 konnte er nach London emigrieren; nun nannte er sich Egon Larsen. Im Zweiten Weltkrieg war er für die BBC tätig. Ab den 1950er-Jahren verfasste er Bücher über Wissenschaft und Technik sowie zu historischen Themen. Er war Korrespondent des Bayerischen Rundfunks und arbeitete für den Schulfunk. Am 17. Oktober 1990 starb Egon Larsen in London.
1957 veröffentlichte er in deutscher und englischer Sprache einen Science-Fiction-Roman. Du wirst die Zukunft noch erleben oder „We’ll See“ ist aber keine Utopie mit Aliens und Robotern, sondern ein Porträt der künftigen Welt auf wissenschaftlicher Grundlage. Egon Larsen studierte Artikel zur Forschung und Technik seiner Zeit und baute die Inhalte im Text weiter aus. Sein Buch enthält viele dokumentarische Fotos und einen sieben Seiten langen Anhang, in dem er penibel seine Quellen auflistete.
Der Ich-Erzähler ist ein junger englischer Journalist, heißt ebenfalls Larsen und lässt sich im März 1957 von einem Professor Bergk einfrieren. Die nächste Zeit verbringt er ohne zu altern in der Kühlkammer. Am 15. März 1982 – vor vierzig Jahren – wird er aufgeweckt. Er befindet sich in der Londoner Universitätsklinik und in einer sehr veränderten Welt. Es gibt keine Nationalstaaten mehr, sondern nur eine globale Administration in Gestalt der „Schweitzer-Russel-Hahn-Foundation“. Sie entstand aus der Fusion amerikanischer Stiftungen.
Reporter Larsen lernt die Zukunft zunächst im Haus seines Arztes kennen. Der wohnt auf den Scilly-Inseln vor der englischen Südküste, die er mit dem privaten Düsenhelikopter erreicht. Von dort geht es zurück nach London; per U-Boot und Einschienenbahn wird die Reise nach Paris fortgesetzt. Hier wartet der Coleopter nach Indien. Danach tourt der Reporter durch Zypern und die Sahara, sieht die Weltregierung in New York und besucht Berlin, die Insel Mainau und wieder London. Das letzte Kapitel führt ihn zur ersten Landung auf dem Mond.
„Du wirst die Zukunft noch erleben“ ist Futurismus pur und erinnert an die Bilder des visionären Grafikers Klaus Bürgle. Die Menschen leben im Atomzeitalter; in der Küche sitzt eine Strontium-Batterie mit den Maßen einer Zigarettenschachtel. Kleine Reaktoren treiben Schiffe, Flugzeuge, Züge und Lastwagen an, doch gibt es großflächige Solarmodule. Die Polargebiete sind eisfrei; das Wasser, das der Anstieg des Meeresspiegels brachte, fließt nach Afrika. Zitat: „Ein paar Atomexplosionen schafften die Reservoirs für die Stauseen.“ Die Umwandlung von Salz- in Süßwasser überspringen wir.
Egon Larsen interessierte sich natürlich für die Medientechnik. In seinem Roman finden wir Videorekorder und Bildtelefone mit 3D-Monitoren. Die Telefonnummer wird eingesprochen; auch die Schreibmaschine versteht Diktate. Die Zeitung kommt als Fax, Fachzeitschriften liest man am Mikrofilm-Projektor. Ein „Telemeter“ ermöglicht Videokonferenzen, und ein beliebtes Fernsehprogramm hilft bei der Eheanbahnung. In Indien fahren schon Autos ohne menschliche Steuerung und mit einem Mindesttempo von 120 Stundenkilometern.
Auf Seite 38 spricht unser Autor von einem „kybernetischen Analog-Rechengerät – vom Volksmund noch immer ‚Elektronenhirn‘ genannt“. Die Stelle bleibt rätselhaft, doch wusste Egon Larsen vom Londoner Computerpionier Andrew Booth. Ein richtiger Digitalrechner taucht nur einmal im Roman auf; er steuert eine automatische Fabrik. Die Welt von 1982 ist praktisch computerfrei, was vielleicht damit zusammenhängt, dass sich Larsen gerne auf Presseartikel stützte. Dort waren 1957 Denkmaschinen noch selten. Er schrieb damals allerdings ein Buch über Transistoren.
Damit endet die Reise durch die Zukunft, wie Egon Larsen sie sah. Sein Nachlass liegt im Archiv des Bayerischen Rundfunks, eine Sammlung von Zeitungsausschnitten, die er zusammentrug, verwahrt ein Antiquariat. Sein Roman ist noch in Bibliotheken erhältlich. Eine seiner Voraussagen galt der englischen Krone. Auf Seite 39 verlobt sich Prinz Charles, der im Frühjahr 1957 acht Jahre zählte. Damit lag Larsen fast richtig: Die reale Verlobung mit Diana Spencer fand im Februar 1981 statt. Ein schlechter Prophet war er also nicht.
Die aktuelle Ausgabe des „Neuen Universums“ war für mich als Junge jedes Jahr zu Weihnachten d a s Geschenk. Da kam keine Langeweile auf. Es erfuhr aber eine Veränderung, die mir gar nicht gefiel.