Zyklen des Fortschritts

Geschrieben am 11.03.2025 von

Der russische Nationalökonom Nikolai Kondratjew fand 1926, dass die Konjunktur seit der industriellen Revolution in Wellen fortschreitet. Ihre Höhepunkte liegen 50 bis 60 Jahre auseinander. Sein deutscher Kollege Gerhard Mensch entwickelte daraus um 1970 die Theorie der Innovationszyklen. Eigentlich müssten wir gerade solch einen Zyklus erleben. Wo bleiben also die Sensationen in Wissenschaft und Technik?

Der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov nannte sie Psychohistorik und meinte damit eine Wissenschaft, die einigermaßen genau die Zukunft ausmalt. Manche Gelehrte nahmen an, dass sich Geschichte wiederholt und Kulturen in aller Welt immer wieder Auf- und Abstiege erlebten. Außerdem gibt es noch die Wirtschaftswissenschaftler, die an Konjunkturzyklen glaubten und es wohl immer noch tun.

Einen ganz besonderen Zyklus bilden die langen Wellen. Sie gehen auf den russischen Nationalökonomen Nikolai Kondratjew zurück; früher schrieb man ihn „Kondratieff“. Seine Theorie erschien 1926 in einer deutschen Zeitschrift; sie umriss die Wirtschaftsgeschichte in England, Frankreich, Deutschland und den USA. Er ortete drei Konjunkturgipfel um 1800, 1860 und 1910; so schuf er die nach ihm benannten Zyklen. Der 1892 geborene Kondratjew musste für seine Ideen unter Stalin bitter bezahlen. Er wurde 1930 eingesperrt und 1938 erschossen. Seine Lehre erfuhr im Nachkriegsboom ab 1950 eine glänzende Bestätigung.

Nikolai Kondratjew (1892-1938)

In den frühen 1970er-Jahren leitete der deutsche Wirtschaftsforscher Gerhard Mensch aus ihr die Theorie der Innovationszyklen ab; er verfasste dazu auch ein Buch. Nach Anmelden im Internet Archive kann man die US-Ausgabe lesen. In der Tat existieren viele Parallelen zwischen ökonomischen und technischen Entwicklungen. Um 1800 begann die industrielle Revolution, in der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreiteten sich Bahn- und Telegrafennetze. Im frühen 20. kamen die Großchemie, die Elektrifizierung und die Funktechnik sowie Autos, Flugzeuge, Schnelldampfer und Lochkarten hinzu.

Der Boom der 1950er- und 1960er-Jahren brachte Kunststoffe, Düsenflugzeuge, Raumfahrt und Automation, Transistorradios und Transistorrechner, den Laser, das Farbfernsehen und das ARPANET. Ältere Leser erinnern sich vielleicht an die Suche nach der Welt von morgen und den damaligen Zukunftsglauben. Nach 1970 trat an seine Stelle eine Zukunftsskepsis und die Überzeugung von den Grenzen des Wachstums. Die Computertechnik koppelte sich dabei vom Rhythmus der Innovationszyklen ab. Der Mikrocomputer war ein Kind der 1970er-Jahre, das World Wide Web entstand in den Neunzigern.

Karikatur der Innovationstheorie von Gerhard Mensch

Mittlerweile leben wir im Jahr 2025 und rein kalendarisch im „Fünften Kondratjew“. Von technischen Revolutionen spüren wir jedoch nur wenig. Dass uns die Informatik in letzter Zeit Neues bescherte, ist unbestreitbar, man denke an das Smartphone, das Maschinelle Lernen oder an beliebig abrufbare Online-Videos. Solche Innovationen entwickelten sich aber evolutionär im Zug des normalen Fortschritts. Und manches scheint uns nur neu. Ein selbstfahrendes Auto sauste schon 1987 über eine deutsche Straße, und Elektrowagen schnurrten vor dem Ersten Weltkrieg in Amerika und Europa.

Innovationszyklen könnten also eine Sache der Vergangenheit sein. Aber vielleicht stehen uns singuläre wissenschaftlich-technische Durchbrüche bevor, etwa ein funktionierender Kernfusionsreaktor oder die Supraleitung bei Raumtemperatur. Überfällig ist auch eine praktikable Darstellung von 3D-Bildern und -Videos, die man ohne 3D-Brillen betrachten kann. Die Mathematiker würden sich über ein System mit Künstlicher Intelligenz freuen, das nicht wie ChatGPT mit Sprache trainiert wird, sondern mit logischen Beweisen operiert.

Selbstfahrendes Auto Waymo – ein Zeichen für einen neuen Innovationszyklus?

Nicht vergessen sei der deutsche Kondratjew-Forscher Leo A. Nefiodow (1939-2022). Er arbeitete bei Siemens und IBM; von 1973 bis 2002 war er für die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung in St. Augustin tätig. Mehr zu ihm steht im Internet. Der heute aktivste Kondratjew-Fan ist der 1969 geborene Wirtschaftsjournalist Erik Händeler. Zu beachten ist aber, dass in der Lange-Wellen-Szene wenig Einigkeit über die Details der Theorie herrscht, speziell über die genaue Zahl der Konjunktur- und Innovationszyklen.

Wir haben mit Science-Fiction angefangen und hören mit ihr auf, sprich mit utopischen Träumen. Der größte ist der vom Künstlichen Bewusstsein, der Vollendung der Künstlichen Intelligenz. Leichter zu realisieren dürften lebensecht wirkende KI-Filme sein, etwa eine Fortsetzung der Fernsehserie Raumpatrouille. Aus Raumfahrtromanen kennen wir den Weltraumlift, der wohl ein Traum bleiben wird. Näher an der Wirklichkeit liegen Katapult-Konzepte wie die kosmische Straßenbahn StarTram, siehe unten. Ab in die Zukunft!

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