Couragiert und digital

Geschrieben am 21.11.2017 von

Am 17. November beging der Verein Digitalcourage seinen 30. Geburtstag. 1987 hieß er noch Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs: FoeBuD. Initiatoren waren die Medienkünstlerin Rena Tangens und ihr Freund padeluun. Die Zwei betrieben eine Galerie in Bielefeld und öffneten den Bürgern die Datennetze. Der Verein kämpft seitdem für Informationsfreiheit und Datenschutz.

Vor dreißig Jahren gab es in den Bundesrepublik schon viele kleine private Computer und in Hamburg den Chaos Computer Club (CCC). Er zeigte, dass man mit Rechnern mehr tun kann als spielen und Texte schreiben. Der CCC wies den Weg in die Welt der Datennetze und machte das Hacken mit dem Akustikkoppler populär. Er inspirierte außerdem einen weiteren Verein im beschaulichen Bielefeld.

Rena Tangens und padeluun – er ist nur unter diesem Namen bekannt – sind eigentlich Künstler. Rena wurde in Bielefeld geboren. Nach ihrem Schulabschluss absolvierte sie eine Ausbildung in der Werbung; daneben arbeitete sie bei einem Stadtmagazin und einer Radiostation und drehte Experimentalfilme. Padeluun ist unbekannter Herkunft. Um 1980 arbeitete er teils in Düsseldorf – hier nahm er eine Platte auf – und teils in der Berliner Schmalfilmszene. Danach studierte er an der Gesamthochschule Kassel.

Rena Tangens… (Foto Digitalcourage CC BY-SA 2.0)

Wie es scheint, trafen sich die beiden 1984 bei einem Musikprojekt in Bielefeld. Es ging um die Aufführung eines 14 Stunden dauerndes Klavierstück des französischen Avantgarde-Komponisten Erik Satie. Die künstlerische Kooperation führte zur Gründung einer Galerie namens Art d’Ameublement. Der Name ist ebenfalls durch Satie inspiriert und lässt sich vielleicht mit Haushaltskunst übersetzen. Rena und padeluun produzierten klassische Videoarbeiten, wagten sich aber auch in ein Neuland, in die Welt der Mailboxen.

1985 bot Art d’Ameublement  unter dem Titel Interregionale Mehrwert Vorstellung sechs Veranstaltungen an. Dazu lud die Galerie Künstler aller Art ein, darunter auch Leute vom Chaos Computer Club. Für ihre Computer und Akustikkoppler wurde ein Netzanschluss installiert, was damals noch einige Mühe erforderte. Das Event dauerte drei Tage; die Rechner in Bielefeld malten auf dem Monitor fraktale Apfelmännchen und besuchten das System der „Washington Post“. Am Ende erklärten Rena und padeluun den CCC zum Kunstwerk.

…und ihr Mitstreiter padeluun                     (Foto Digitalcourage CC BY-SA 2.0)

1986 halfen die beiden unter anderem beim Internationaler Experimentalfilm-Workshop in Osnabrück, dem heutigen European Media Art Festival. Im Sommer 1987 stand eine Teilnahme bei der documenta in Kassel an. Zu Beginn jenes Jahres startete die Galerie ein Event-Programm „Public Domain“. Es bot Vorträge, Vorführungen oder Diskussionen über Kultur, Politik und Technik. Die ersten Veranstaltungen fanden im Februar, Mai, September und November statt. In diesem Umfeld entstand die Idee eines Vereins.

Vom 30. Mai 1987 ist die erste Satzung des FoeBuD überliefert, des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs. (Der Name parodierte das Bundespost-Deutsch.) Der Verein ist „eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Rasse sowie gesellschaftlicher Stellung, die sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit einsetzt und mit den Auswirkungen von Technologien auf die Gesellschaft sowie das einzelne Lebewesen beschäftigt und das Wissen um diese Entwicklung fördert“.

Das Digitalcourage-Team, links die beiden Gründer   (Foto Fabian Kurz CC BY-SA 2.0)

Die Satzung wurde wahrscheinlich auf der Public-Domain-Versammlung an jenem Tag verabschiedet. Nach einem Bericht der Stadtillustrierten Ultimo half der Chaos Computer Club vor Ort und online bei der Vereinsgründung mit. Der 30. Mai 1987 war ein Samstag, und bis zum Abschluss aller Formalitäten verging sicher noch einige Zeit. Traditionell feiert der FoeBud – der 2012 in Digitalcourage umbenannt wurde – seinen Geburtstag im November. Eine gute Übersicht über die Vereinsaktivitäten der ersten 25 Jahre liefert diese Seite.

Bundesweit bekannt wurden Rena Tangens und padeluun durch die BigBrotherAwards. Sie gehen an Menschen, Firmen und Institutionen, die sich nicht um die Bürgerrechte und die informationelle Selbstbestimmung scheren. Das Symbol ist, siehe oben, der Datenkrake; der im Eingangsbild lebt im Berliner Technikmuseum. In Paderborn zeigt das HNF, siehe unten, die Skulptur zum Award (Foto: Jan Braun, HNF). BigBrother-Vorschläge für 2018 können hier eingereicht werden. Der Digitalcourage wünschen wir alles Gute für die nächsten dreißig Jahre!

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