Die digitale Erde

Geschrieben am 22.08.2016 von

Am 10. August 1966 startete die NASA-Raumsonde Lunar Orbiter 1. Einige Tage später schlug sie eine Kreisbahn um den Mond ein und nahm von dort 229 Fotos der Oberfläche auf. Zwei davon zeigten auch die Erde. 2008 konnten Raumfahrt-Fans die Rohdaten der Bilder digitalisieren und diese in einer Qualität darstellen, die 1966 noch unerreichbar war.

Zu den schönsten Ergebnisse des amerikanischen Apollo-Projekts zählen die Erdfotos. Die Astronauten der NASA, die von 1968 bis 1972 zum Mond flogen, nahmen viele Bilder unseres Planeten auf. Sie zeigen ihn als blaue Murmel im schwarzen Weltall mit Kontinenten, Ozeanen, Eisflächen und Wolken.

Das erste Foto des Raumschiffs Erde entstand aber schon früher. Am 25. April 1966 startete im sowjetischen Kosmodrom Baikonur der Nachrichtensatellit Molnija 1-3. Seine Bahn führte ihn zweimal pro Tag hoch über die Nordhalbkugel. Eine elektronische Kamera nahm dabei Schwarzweiß-Bilder auf. Das Foto unten wurde am 30. Mai 1966 zur Erde gefunkt und in der Fachpresse veröffentlicht. Es zeigt vermutlich rechts unten Skandinavien und Sibirien und links oben die vereiste Arktis.

Sowjetisches Satellitenfoto vom Mai 1966

Sowjetisches Satellitenfoto vom Mai 1966

Am 10. August 1966 hob in Cape Kennedy eine Rakete der Konkurrenz ab. Die US-Raumfahrtbehörde NASA startete im Rahmen des Apollo-Projekts den Lunar Orbiter 1. Die 385 Kilo schwere Raumsonde flog Richtung Mond und schlug vier Tage später eine Umlaufbahn um den Erdtrabanten ein. Vom 18. bis 29. August fotografierten die Kameras des Satelliten ausgewählte Gebiete auf der Vorderseite des Mondes. Das Hauptziel war, geeignete Landeplätze für NASA-Astronauten zu finden, doch bereicherten die Lunar-Orbiter-Fotos ebenso die allgemeine Mondforschung.

Auf Lunar Orbiter 1 folgten die Modelle 2, 3, 4 und 5. Ende August 1967 besaß die NASA mehr als 3.000 Mondfotos, die 99 Prozent der Oberfläche mit 60 Meter Auflösung oder besser erfassten. Das Programm erbrachte spektakuläre Bilder, die sich weltweit in den Medien verbreiteten. Ein Beispiel ist das Foto des Jahrhunderts, eine Schrägaufnahme des Mondkraters Copernicus. Die Sonde Lunar Orbiter 2 knipste es am 24. November 1966 aus einer Flughöhe von nur 45 Kilometern.

Lunar-Orbiter-Foto in analoger Form (oben) und neu digitalisiert (unten)

Lunar-Orbiter-Foto in analoger Form (oben) und neu digitalisiert

Das Foto zeigt ein Merkmal aller Lunar-Orbiter-Bilder, so wie sie in den 1960er-Jahren veröffentlicht wurden: die Streifen. Diese resultierten aus dem Aufnahme-, Übertragungs- und Speicherverfahren. In der Sonde gelangten die Bilder der zwei Kameras – eine mit Normal- und eine mit Teleobjektiv – hochkant auf einen 70 Millimeter breiten Film. Die Einzelbilder des Films wurden streifenweise gescannt und die Helligkeitswerte als analoge Funksignale an eine Bodenstation übermittelt.

Auf der Erde erfolgte eine Speicherung der Signale auf Magnetband. Außerdem wurden die Scanwerte in Streifen zurückverwandelt und Abschnitt für Abschnitt auf einem Monitor angezeigt. Die Monitorbilder nahm eine 35-mm-Filmkamera auf. Ihre Bilder wurden zu langen Bändern kombiniert, die den gescannten Streifen des 70-mm-Films entsprachen. Am Schluss klebten geschickte NASA-Angestellte die Bänder zur ursprünglichen Mondansicht zusammen. Bei aller Sorgfalt blieben die Streifen sichtbar, und die Bildqualität verschlechterte sich.

"Abnehmende Erde" vom 25. August 1966

„Abnehmende Erde“ am 25. August 1966

Schon in den 1960er-Jahren wurden mit der verfügbaren Technik analoge Bilddaten der Lunar Orbiter digitalisiert. Später setzte die NASA alle Fotos der Sonden ins Internet. Die Bilder basierten jedoch auf den Collagen, die aus dem oben geschilderten Verfahren hervorgingen. 2007 starteten Raumfahrt-Enthusiasten das Lunar-Orbiter-Bildrettungsprojekt LOIRP. Sein Ziel: die noch existierenden Magnetbänder mit den Rohdaten auszulesen und diese in Digitalfotos umzuwandeln.

Am 13. November 2008 stellte die NASA das erste Ergebnis des Projekts vor. Das Originalfoto wurde vor 50 Jahren, am 23. August 1966, von Lunar Orbiter 1 aufgenommen. Es zeigt einen Earthrise, also die Erde über dem Mondhorizont. Die Gegenüberstellung macht den Fortschritt deutlich, den die direkte Digitalisierung brachte. Unser Planet liegt jedes Mal auf der Seite. Für unser Eingangsbild haben wir ihn herangezoomt und um 90 Grad gedreht. Nun steht die Erde richtig, und man erkennt das Mittelmeer, Sizilien und die libysche Küste.

Ohne Streifen sieht man es deutlich: Der Erdaufgang ist das älteste Foto, dass unseren Heimatplaneten schwarzweiß, doch gut erkennbar im Weltraum abbildet. Schon hier empfindet der Betrachter das kosmische Feeling, das später die Fotos der Apollo-Astronauten auslösten. Das zweite Bild dieser Art schoss Lunar Orbiter am 25. August 1966. Oben haben wir die Erdsichel herausgeschnitten und hochgestellt. Unter den Wolken verbergen sich der Indische Ozean und die benachbarten Kontinente.

Das erste Erdfoto eines geostationären Satelliten (ATS-1) vom 11. Dezember 1966

Erstes Erdfoto eines geostationären Satelliten (ATS-1), aufgenommen am 11. Dezember 1966

Der erste geostationäre Satellit, der ein fast vollständiges Foto der Erde lieferte, war der amerikanische ATS-1. Gestartet am 7. Dezember 1966, sendete er vier Tage später das obige Bild. Besonders gut ist Kalifornien zu sehen. Das erste Farbportrait des Planeten erstellte der US-Forschungssatellit DODGE im August 1967. Um einiges schärfer ist die Aufnahme des ATS-3 vom 11. November 1967. Sie schmückte im Herbst 1968 den legendären Whole Earth Catalog des Schriftstellers, Öko-Denkers und Internetpioniers Stewart Brand.

Das Schlussbild verdanken wir keinem Satelliten, sondern einer Apollo-Kapsel. Apollo 4 war das erste System, das am 9. November 1967 einen Testflug mit der Mondrakete Saturn 5 unternahm. Es hatte keine Astronauten, doch eine automatische Kamera an Bord, die wunderschöne Erdfotos machte. Nachzutragen bleibt, dass bis 2014 alle Lunar-Orbiter-Bilddaten erfolgreich digitalisiert wurden.

 

Apollo4

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