1880 – ein Patent für eine Chiffriermaschine

Geschrieben am 14.01.2025 von

Hilfsmittel zum Verschlüsseln von geheimen Texten gibt es schon lange. Die frühe Neuzeit kannte die Alberti-Scheibe, Gottfried Wilhelm Leibniz beschrieb 1688 ein Chiffriergerät mit Tasten. Um 1790 erfand der amerikanische Politiker Thomas Jefferson die Chiffrierwalze mit kleinen Scheiben. Am 15. Januar 1880 meldete ein Berliner Student eine Chiffriermaschine mit einer ausgeklügelter Mechanik zum Patent an.

Vor 145 Jahren, am 15. Januar 1880, begab sich der Student Ernst George zum Kaiserlichen Patentamt, um eine Erfindung anzumelden. Das 1877 gegründete Amt saß noch nicht in seinem Prachtbau in Berlin-Kreuzberg, sondern in einem eher bescheidenen Stadthaus in der Wilhelmstraße. Über den Erfinder wissen wir, dass er in der heute verschwundenen Kleinen Kirchgasse wohnte, die von der Straße Unter den Linden abging; später war er offenbar am Verlag George & Fiedler beteiligt.

Die Patentanmeldung trug den Titel Chiffrir- und Dechiffrir-Druckapparat; das Patent wurde am 20. August 1881 mit der Nummer 14.877 erteilt. Es umfasste dreieinhalb Textseiten und eine mehrteilige Illustration. Der Apparat blieb wohl unrealisiert, wir können uns aber anhand der Beschreibung eine Vorstellung von ihm machen. Unser Eingangsbild zeigt ihn von oben. Man sieht eine Kurbel über einem Ring mit dreißig Feldern; auf ihnen hätten die Buchstaben des Alphabets Platz gehabt. Durch Niederdrücken der Kurbel geschieht die Eingabe eines Zeichens.

Blick in den kryptologischen Drucker von Ernst George; bitte zum Vergrößern anklicken.

In der Seitenansicht ist links beim „C“ ein Papierstreifen erkennbar, der an einem Typenrad „i“ entlangführt; er setzt sich – was im Bild fehlt – nach rechts fort. Bei der Eingabe presst ein Hebel „v“ den Streifen gegen das Rad; mit Hilfe von Kohlepapier – auch dieses wurde weggelassen – erfolgt der Abdruck des benachbarten Buchstabens. Das Typenrad folgt stets der Kurbeldrehung. Im Grunde bildet die Konstruktion eine einfache Schreibmaschine; wie kommt es nun zur Verschlüsslung?

Dafür sorgen die zwei Scheiben „n“ und „o“ weiter oben auf der Achse. In ihren Rändern stecken kleine auswechselbar Stifte, die zu einer zusätzlichen Bewegung des Typenrades führen. Im Patent heißt es dazu: „Trägt die Scheibe n z. B. sieben Stifte mit den Abständen 4, 2, 3, 7, 7, 2, 1 …, die Scheibe o aber acht Stifte mit den Abständen 3, 1, 6, 4, 2, 1, 5, 4, so springt das Typenrad nach den auf einander folgenden Buchstaben um folgende Abstände: 4+3=7, 2+1=3, 3+6= 9,… Die Periode kommt erst nach dem 56. Buchstaben.“ Anders gesagt: nach 56 Eingaben beginnt der Verschlüsselungsalgorithmus von vorne.

Die Chiffriermaschine von unten – im Zentrum sitzt das Typenrad.

In der Sprache der Kryptologie handelt es sich um eine Vigenère-Chiffre mit einem festen Schlüsselwort, das sich aus den genannten Stiften ergibt. Für kurze Sätze ist sie praktisch unknackbar. Lesen kann eine damit erstellte Botschaft nur jemand, der ein in gleicher Weise programmiertes Gerät benutzt. Der Druckapparat von Ernst George aus dem Jahr 1880 dürfte die erste deutsche Verschlüsselungsmaschine gewesen sein. Wir betonen hier das Wort „Maschine“, denn damals lagen bereits Vorschläge für einfache Chiffriersysteme vor.

Im Patentamt hätte George den „Chiffrir-Apparat“ des Berliners Felix Robert Gaspary finden können; die Erfindung aus dem Jahr 1877 war nur eine Schablone. Einer Taschenuhr glich der „Chiffrirapparat mit Zählvorrichtung“, den Georg Kiefer aus Stuttgart 1878 anmeldete und der eine Caesar-Verschlüsselung ermöglichte. Ähnlich sah der mechanische Kryptograph von Frank Baldwin aus; sein amerikanisches Patent von 1877 könnte in Berlin vorgelegen haben. Baldwin erfand auch mehrere Rechenmaschinen.

Zeichnung des Geräts von George Schacher; die Rolle rechts trägt den Papierstreifen. Das zahnradähnliche Typenrad ist links zu erkennen.

Es spricht einiges dafür, dass Ernst George ein „Apparat zur Herstellung und Entzifferung von geheimen Schriften“ bekannt war; das deutsche Patent wurde am 8. Dezember 1878 angemeldet und am 19. Juli 1879 unter Nummer 5.650 gewährt. Eingereicht hatte es die Firma G. Schacher & Co. aus Paris. Hinter ihr steckte vermutlich George Schacher, ein Sohn des Fabrikanten Charles Schacher. Der Apparat realisierte eine Vigenère-Chiffre mit einem kurzen Codewort. Wie beim Gerät von Ernst George wurde der verschlüsselte Text per Kurbel auf einen durchlaufenden Papierstreifen gedruckt.

Die Ideen von Schacher und George läuteten die Ära der mechanischen Chiffriermaschinen ein. Erfindungen aus diesem Feld zeigt die Datenbank des Deutschen Patentamts an, wenn man in das unterste Fenster der Basisrecherche das Wort „Geheimschrift“ eintippt. Für eine Suche nach englischsprachigen Patenten empfehlen wir „cipher“ und „cryptographic“ mit einer Beschränkung des Zeitraums. Zum Schluss danken wir dem Krypto-Experten Klaus Schmeh für wertvolle Hinweise; sein Vortrag zu frühen Chiffriergeräten ist auf YouTube.

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