21 Jahre UMTS
Geschrieben am 03.08.2021 von HNF
Ab dem 31. Juli 2000 wurden die Frequenzen für Anbieter des Mobilfunkstandards UMTS in Deutschland versteigert. Er brachte höhere Übertragungsraten und machte das Internet-Surfen mit Smartphones schneller. Am 1. Juli 2021 beendete die Deutsche Telekom das UMTS-Angebot, danach schaltete die Vodafone GmbH ihr System ab. Am Jahresende wird auch der Telefónica-Konzern die letzten UMTS-Dienste schließen.
„Knapp unterhalb der 100-Milliarden-Marke ist die Versteigerung der UMTS-Mobilfunk-Lizenzen vorerst zu Ende gegangen. Alle sechs Bieter, die nach zweieinhalb Wochen in der Hauptauktionsrunde noch im Rennen waren, kamen zum Zuge. Für zusammen 98,8 Milliarden Mark ersteigerten sie jeweils eine sogenannte kleine Lizenz aus zwei Frequenz-Blöcken. Bundesfinanzminister Eichel zeigte sich erfreut über das Ergebnis und bekräftigte, die Summe werde vollständig zur Schuldentilgung eingesetzt.“
Das sagte Tagesschau-Sprecherin Susanne Daubner am Abend des 17. August 2000. Was damals auktioniert wurde, war die Nutzung von Funkfrequenzen. Sie lagen im 1,9- und im 2,1-Gigahertz-Band und ermöglichten digitale Mobilfunk-Dienste. Zur Jahrtausendwende gab es Handys und auch Smartphones, die aber ziemlich langsam waren. Das neue universale mobile Telekommunikationssystem UMTS sollte dagegen bis zu zwei Megabit pro Sekunde übertragen. Diese Zahl stand 1998 im SPIEGEL; sie wurde dann jahrelang nachgedruckt.
Die Idee, Funkwellen zu versteigern und den Ertrag in die Staatskasse zu leiten, stammte aus den 1990er-Jahren. 1994 fanden solche Auktionen in den USA und in Indien statt. Im April 2000 konnte sich der englische Schatzkanzler über 22,5 Milliarden Pfund freuen, die die erste Konkurrenz um UMTS-Frequenzen einbrachte. Umgerechnet 13,4 Milliarden DM kamen von der Deutschen Telekom, die über ihre britische Tochter One2One mitbot. Eine ähnliche Auktion in den Niederlanden endete im Juli 2000 bei 5,36 Milliarden DM.
Die Versteigerung des deutschen UMTS-Spektrums startete am 31. Juli 2000 in Mainz. Im Gebäude der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post saßen in getrennten Räumen die sieben Teilnehmer. Unter der Woche konnten im Vierzig-Minuten-Takt Angebote abgegeben werden. Am 11. August stieg die Debitel AG aus dem Bieterkampf raus, der am 17. August kurz vor sechzehn Uhr endete. Der Ertrag von 98,8 Milliarden DM verteilte sich mehr oder weniger gleichmäßig auf die sechs verbliebenen Firmen und Konsortien.
Das waren E-Plus/Hutchinson, Group 3G, Mannesmann Mobilfunk, MobilCom Multimedia, T-Mobile und VIAG Interkom. Jede Partei zahlte rund sechzehn Milliarden DM ein und erhielt dafür zwei Frequenzbänder mit jeweils zehn Megahertz. Im Postjargon galt so etwas als kleine Lizenz – die große hätte drei Blöcke umfasst. Fünf der sechs Teilnehmer balgten sich einen Tag später um fünf Zusatzfrequenzen; hier schloss die Auktion bei 561 Millionen DM. Finanzminister Hans Eichel war am Ende also um 99,36 Milliarden DM reicher.
Bis zur Installation von funktionierenden Funknetzen dauerte es aber noch eine Weile. Auf der CeBIT 2001 wurde UMTS vorgeführt, telefonieren konnte man damit zuerst im Oktober des Jahres in Japan. Der erste UMTS-Dienst Europas eröffnete am 25. September 2002 in Österreich; im selben Monat stellte die Firma Nokia das erste UMTS-Handy vor, das Modell 6650. Im Jahr 2003 folgte das putzige Nokia 7600. Es besaß eine Kamera und ein 128×160-Pixel-Display und kostete 609 Euro. Die Datenrate lag bei 384 Kilobit pro Sekunde.
Bei uns begann das UMTS-Zeitalter richtig im Frühjahr 2004. Von den ursprünglich sechs Lizenznehmern waren noch vier dabei, E-Plus, T-Mobile, O2 (ehemals VIAG Interkom) und Vodafone (ehemals Mannesmann). In den kommenden Jahren wurden die Handys immer mehr von Smartphones abgelöst. Die Datenraten verbesserten sich stetig; in den 2010er-Jahren breiteten sich außerdem die LTE-Netze aus. 2019 weihte Vodafone das erste Netz in Deutschland nach dem 5G-Standard ein. Die Tage von UMTS waren gezählt.
In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli 2021 knipste die Deutsche Telekom den letzten UMTS-Turm aus, wie im Video zu sehen. In den Tagen danach beendete Vodafone seinen Dienst. Der Telefónica-Konzern, der das O2-Netz betreibt (und die zitierte Firma E-Plus schluckte), lässt sich mit dem Abschalten bis zum Jahresende Zeit. Wir schließen mit einem TV-Bericht vom August 2000, der ab Minute 14:30 auf die folgenreiche UMTS-Auktion eingeht. Bei Minute 16:30 ertönt der schöne Satz: „Eins ist sicher: Das Handy der Zukunft wird nicht mehr einheitlich rechteckig sein.“ Es lief dann mit dem Design etwas anders, doch wen stört’s.
„sie wurde dann jahrelang nachgedruckt“ — das heißt, die Zahl stimmte nicht?
Die Datenrate von UMTS ist eine Wissenschaft für sich. Die wohl beste Darstellung dazu erschien 2015 in der Schweiz, siehe
https://www.bakom.admin.ch/dam/bakom/de/dokumente/faktenblatt_umts.pdf.download.pdf/faktenblatt.pdf
Danke schön!
Für den Historiker: diese Versteigerung war ein historischer Fehler – siehe meinen Kommentar.
Diese Art der Lizenz-Versteigerung war einer der folgenreichen politischen Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte. Sie hat mit dazu beigetragen, dass unsere Netze auch heute noch unterentwickelt sind, weil den Firmen dieses Geld fehlte. Man stelle sich vor, zu Beginn der Automobilisierung hätte der Staat Lizenzen zur Straßenbenutzung ähnlich teuer versteigert. Die Autoindustrie wäre erst viel später in Gang gekommen. Aber die meisten Politiker haben diesen Fehler bis heute nicht kapiert.