Automaten im Altersheim

Geschrieben am 16.11.2018 von

Vor drei Wochen zeigten wir einen fegenden Roboter, heute stellen wir den pflegenden vor. 1998 entwickelte das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung den Care-O-bot. Der anderthalb Meter große mobile Automat besaß einen flachen Bildschirm für die Kommunikation. Er sollte älteren Menschen im Haushalt helfen. Später entstanden drei weitere Typen, dazu Spezialmodelle für ein Museum.

Die 1949 in München gegründete Fraunhofer-Gesellschaft ist eine der Säulen der deutschen Wissenschaft. In ihren 72 Forschungseinrichtungen arbeiten mehr als 25.000 Menschen. Zu den wichtigsten Adressen zählt das Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart. Das IPA existiert seit 1959. Eine seiner vierzehn Fachabteilungen widmet sich den Roboter- und Assistenzsystemen. Zu den Arbeitsgebieten der Abteilung gehört auch die Haushalts- und Assistenzrobotik.

Hier kam 1998 Care-O-bot zur Welt. Im Fraunhofer-Deutsch gilt er als Assistenzroboter für den demographischen Wandel. Er kam noch nicht in den Handel, sondern diente als Plattform für weitere Projekte. Darin wurden Hilfssysteme für ältere oder gehbehinderte Menschen erforscht, vor allem für den Haushalt. Schon 1997 schilderte das IPA die Dienste des Roboters in einem Film. Er schaute acht Jahre in die Zukunft und führte in die Wohnung einer 79-jährigen Dame, die offenbar aktionsreiche Videospiele mag.

Rustikalen Charme strahlte 1998 der erste Care-O-bot aus. (Foto Fraunhofer IPA)

Ein Care-O-bot zum Anfassen rollte im April 1998 über die Hannover Messe. Das Foto zeigt seinen Aufbau. Oben ist das „Gesicht“ mit zwei CCD-Kameras, weiter unten operiert ein Laser-Scanner. Auf der Rückseite des Kopfes sitzt ein Touchscreen-Monitor. Damit erteilt man dem Care-O-bot Befehle und sieht zugleich Fernsehprogramme und Computerdienste. Der Roboter kann auch sprechen. Die Griffe unterhalb des Monitors machen ihn zu einem intelligenten Rollator – gelenkt wird er von der Rückseite aus.

Unter der Karosserie befinden sich der Elektromotor und der Akku. Aus dem Jahr 2001 ist ein Video überliefert, in dem der Automat durch eine Ausstellung führt. Im Jahr zuvor nahmen drei Verwandte den Dienst im Berliner Museum für Kommunikation auf. Zwei stehen noch dort; einer ist im Eingangsbild zu sehen. Ein Mitglied des Trios kehrte nach Stuttgart zurück. Die Forscher des IPA verliehen den Robotern unterschiedliche Eigenschaften. Nummer 1 lockte Besucher an, Nummer 2 erläuterte Exponate, Nummer 3 kickte einen Ball.

Der „Silberpfeil“ auf der Care-O-bot-Plattform genießt den Ruhestand im Berliner Museum.

2002 erschien die nächste Generation des Automaten. Care-O-bot 2 trug einen neuen Sensorkopf und an der Seite einen Roboterarm; er konnte also Kaffee und Kuchen servieren. Der Rollator-Griff war höhenverstellbar; die Bedienung erfolgte über einen Tablet-PC. Beim Modell Care-O-bot 3 von 2008 verschwand der separate Kopf. Der Arm erhielt sieben Freiheitsgrade und die Hand drei Finger und eigene Sensoren. Zudem ließ sich der Roboter jetzt für die Nutzung draußen in der Welt anmieten.

Nach und nach erweiterten sich die Einsatzfelder des Roboters. Auf der CeBIT 2009 stellte sich der Care-O-bot 3 in einer multimedialen Präsentation vor und verteilte Geschenke. Auf der Feier des 50. Geburtstags des IPA im Juli 2009 konnten Besucher auf dem Touchscreen Getränke bestellen. Anschließend schaffte es der Roboter, ohne Beschädigung eine Tür zu durchfahren und neben der Flasche auch einen Becher aus dem Nachbarraum zu bringen. Glücklicher Empfänger war damals Landesvater Günther Oettinger.

Ein weißer Traum ist der Care-O-bot 4 von 2015. (Foto Fraunhofer IPA, Rainer Bez)

Vor drei Jahren brachte das Fraunhofer-Institut die vorerst letzte Generation heraus. Eine Stuttgarter Design-Agentur verlieh dem Care-O-bot 4 ein hinreißendes Äußeres; es erinnert entfernt an die Roboterin EVE aus dem Film WALL·E. Der jüngste Care-O-bot fühlt sich nicht nur im Altenheim, sondern in allen Altersgruppen wohl. Sein modularer Aufbau ermöglicht den Dienst an unterschiedlichen Plätzen vom Museum bis zum Supermarkt. Die Einsätze betreut eine mit dem IPA verbundene Firma aus der Nähe von Böblingen.

Als moderne Roboter besitzen Care-O-bot 3 und Care-O-bot 4 eigene Internetseiten; für Fotos und Videos bitte etwas scrollen. In einem Gebäude des IPA ist seit 2017, siehe unten, die Evolution der schwäbischen Roboter ausgestellt (Foto Fraunhofer IPA, Rainer Bez). Das Exemplar links vorn im Tante-Emma-Laden-Stil war eines der drei Modelle, die ab der Jahrtausendwende im Berliner Kommunikationsmuseum arbeiteten.

Tags: , , , , , , , , , , , ,

5 Kommentare auf “Automaten im Altersheim”

  1. Bart van Cleef sagt:

    Ich habe einen Sinclair ZX spectrum computer und sah Ihm nicht in eurer Museum.
    Habt ihr Interesse?
    Auch sah ich nur 4 schachcomputer. Kann ich euch nog mehr schachcomputer bringen ? Ich kenn ein Deutsche Sammler von schachcomputer.

    1. HNF sagt:

      Den ZX Spektrum haben wir in mehreren Exemplaren. Schachcomputer wären evtl. interessant. Angebote am besten hier eintragen: https://www.hnf.de/dauerausstellung/sammlungen/objektangebot.html

  2. Ray sagt:

    Bei gemeldeten offenen Stellen von 36.000 bei den Pflegeberufen wäre ein Pflege-Roboter ja ein Traum – endlich genug Pflege(roboter) für alle Heime und Krankenhäuser. Angeblich ist man ja in Japan schon lange so weit …

    Wenn man aber genauer hinschaut und die Artikel zum Thema zu Ende liest, stellt sich schnell Ernüchterung ein. Experten der Pflege gehen nicht davon aus, dass es so bald Roboter geben wird, die z.B. Menschen heben, waschen, an- und ausziehen können etc. Letzten Endes bleibt es bei Plüschtieren, die sich ein ein wenig bewegen können und die Nähe simulieren.

    Ein wenig Realismus ist hier also angesagt …

  3. Leon sagt:

    Wie kann ein Roboter denn im Supermarkt aushelfen? Kenne nur Kellner Roboter in Restaurants oder Roboter auf Messen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.