Brasilianisches Abenteuer
Geschrieben am 09.04.2017 von HNF
Am 9. April 1925 kam Heinz Nixdorf in Paderborn zur Welt. An seinem Geburtstag erinnern wir an eine Episode aus der Geschichte seiner Firma, die nach Brasilien führt. 1975 erwarb die Nixdorf Computer AG 480 Quadratkilometer Land im brasilianischen Urwald. Damit wollte man die Geschäftsbeziehungen fördern sowie Holz- und Viehwirtschaft betreiben. 1983 endete das Projekt.
Eine Fazenda ist ein landwirtschaftlicher Großbetrieb in Brasilien. Am 1. August 1975 erwarb die Nixdorf Computer AG über eine Tochtergesellschaft einen solchen Betrieb und das Land drumherum mit einer Fläche von 48.000 Hektar. Das sind 480 Quadratkilometer, was dem alten West-Berlin entspricht. Die Fazenda Aldeia – Aldeia heißt Dorf – lag in der Südost-Ecke des brasilianischen Bundesstaats Pará im Bezirk Santana do Araguaia. Der Fluss Araguaia strömt nach Norden zum Atlantik und begrenzt Bezirk und Bundesstaat.
Was bewog Heinz Nixdorf zum Engagement in Südamerika? Ein Grund war sicherlich die Firmenstrategie. Brasilien war zwar eine Militärdiktatur, aber auch ein attraktiver Markt mit einer boomenden Wirtschaft. Aufgrund protektionistischer Gesetze waren Investitionen jedoch nicht einfach. Es empfahlen sich Maßnahmen, die Behörden und Geschäftspartner positiv stimmten. Vielleicht hatte Nixdorf noch ein weiteres, privates Motiv. Sein Großvater fuhr zweimal als Handlungsreisender nach Brasilien und nahm dort so viel ein, dass er der Familie in der Stadt Torgau ein schönes Haus bauen konnte.
Die Fazenda enthielt reiche Mahagoniwälder und sollte der Holzgewinnung dienen. Daneben plante die Verwaltung Viehwirtschaft. Zuvor mussten allerdings die 120 Stiere, die auf dem Gelände weideten, durch Kühe ersetzt werden. Die Gebäude des Gutes waren in schlechtem Zustand, doch gab es ein Flugzeug, einen Traktor mit Anhänger und eine Funkstation. Die Nixdorf-Verwaltung beschaffte zwei neue Traktoren, drei Planierraupen, Lkws und andere Fahrzeuge. Es entstanden Brücken, Straßen und Wege; 1976 wurde ein Sägewerk errichtet.
1979 waren mehr als 60 Mitarbeiter im Holzprojekt und über 140 in der Viehwirtschaft tätig. 1980 gelangten 3.500 Festmeter Mahagoni nach Deutschland. Hier stellte sich aber heraus, dass die Qualität des Holzes nicht ausreichend war; für die geplanten Büromöbel eignete es sich nicht. Schwer unterbinden ließ sich der Holzdiebstahl auf der Fazenda. Jede Nacht erklangen die Motorsägen, und am Morgen waren wieder drei oder vier Bäume weg.
Ein weiteres Problem stellten besitzlose Landarbeiter dar, die auf dem Gut lebten und auch den Holzdieben halfen. Die Verwaltung siedelte sie als Kleinbauern an, baute Häuser und eine Schule. Die Mühen zahlten sich aber nicht aus. Obwohl Nixdorf soziale Projekte umsetzte, geriet das Unternehmen in den Ruf eines Ausbeuters; 1979 gab es sogar eine Anfrage im Bundestag. Die Bundesregierung zog Erkundigungen ein und wiegelte ab. In der offiziellen Antwort hieß es dennoch, dass man die Kritik in der brasilianischen Presse und Öffentlichkeit mit Sorge sähe.
1981 stand für Heinz Nixdorf fest, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, 1982 endete die Arbeit auf der Fazenda. Im März 1983 wurde das Land an örtliche Eigentümer verkauft. Insgesamt hatte die NCAG zwischen 17 und 20 Millionen DM in den Sand gesetzt. Positiv schlug zu Buche, dass Nixdorf eine erfolgreiche Kooperation mit einem brasilianischen High-Tech-Unternehmen einging. Von 1978 bis 1989 fertigte Labo Eletrônica in São Paulo 2.500 Nixdorf-8870-Systeme in Lizenz.
Unser Artikel basiert auf einem Beitrag von Heinz-Nixdorf-Biograf Christian Berg aus der Festschrift für Rolf-Dietrich Müller, der viele Jahre das Stadtarchiv von Paderborn leitete. Wir empfehlen zudem das antiquarisch erhältliche Brasilianische Abenteuer von Peter Fleming. Der war der Bruder von James-Bond-Schöpfer Ian Fleming und ebenfalls Schriftsteller. 1932 fuhr er den Fluss Araguaia hinab; zuvor hatte er nach dem im Urwald verschollenen Forscher Percy Fawcett gesucht. Dessen Schicksal ist noch immer ungeklärt.