Der große Preis der Informatik
Geschrieben am 23.06.2017 von HNF
Für Computerwissenschaftler gibt es keinen Nobelpreis, aber eine hohe Auszeichnung: den Turing-Preis. Benannt ist er nach dem englischen IT-Pionier, verliehen wird er von der Informatik-Gesellschaft ACM. Erster Empfänger war 1966 Alan Perlis, den Pokal für 2016 erhielt Sir Tim Berners-Lee. Am 23. und 24. Juni 2017 feiert die ACM in San Francisco fünfzig Jahre Turing-Preis.
Wie so manches in der Informatik ist der Turing-Preis nicht berechenbar. Den ersten gewann der amerikanische Mathematiker und Informatiker Alan Perlis 1966. Seine Preisrede hielt er im August des Jahres. Später wurde der A. M. Turing Award, so die offizielle Bezeichnung, rückwirkend verliehen. Im April 2016 erhieltenen ihn Whitfield Diffie und Martin Hellman für 2015. Ein Jahr später freute sich Tim Berners-Lee über die Auszeichnung für 2016. Entgegen nimmt er sie am 25. Juni 2017 bei einer großen Konferenz über 50 Jahre Turing-Preis.
Sicher ist, dass der Preis vor 51 Jahren von der ACM geschaffen wurde. Die Association for Computing Machinery sitzt seit 1947 in New York. Mit mehr als 100.000 Mitgliedern ist sie die weltweit größte Vereinigung von Computerforschern. Die ACM verleiht 20 unterschiedliche Auszeichnungen; unter ihnen ist der Turing-Preis die ehrenvollste und am besten dotierte. Von 2007 bis 2013 gab es zum Pokal noch 250.000 Dollar hinzu. Seit 2014 beträgt das Preisgeld – Google sei Dank – eine volle Million Dollar.
Bis heute empfingen 65 Personen den Award. Die meisten wurden in den USA geboren, sieben Preisträger stammten aus dem britischen Empire: Tim Berners-Lee, Ed Codd, Tony Hoare, Robin Milner, Leslie Valiant, Maurice Wilkes und James Wilkinson. Letzterer ist im Eingangsbild zu sehen (Foto Computer History Museum). Vier Laureaten – Judea Pearl, Amir Pnueli, Michael Rabin und Adi Shamir – waren Israeli. Jeweils zwei Gewinner kamen aus Norwegen und Kanada. Der Rest verteilte sich über die Welt.
Unter den Preisträgern befanden sich nur drei Frauen, Fran Allen, Shafi Goldwasser und Barbara Liskov. Der jüngste Gewinner aller Zeiten war der Amerikaner Donald Knuth. Er erhielt die Auszeichnung im Jahr 1974 im Alter von 36 Jahren für sein Mammutwerk „The Art of Computer Programming“. Der älteste noch lebende Turing-Rezipient ist sein Landsmann Fernando Corbató. Er wird am 1. Juli 91 Jahre alt. Seinen Preis verdiente er sich 1990 durch seine Arbeiten zu Mehrbenutzersystemen, besser bekannt als Time Sharing.
Der Turing Award ist ein Wissenschaftspreis, und viele Preisträger lehrten an Universitäten, vor allem in Kalifornien und am Massachusetts Institute of Technology. Für die Firma IBM arbeiteten John Backus, Fred Brooks, John Cocke, Edgar Codd und Kenneth Iverson, in den Bell-Laboratorien saßen Richard Hamming und die Unix-Erfinder Ken Thompson und Dennis Ritchie. Das legendäre Xerox-Forschungszentrum PARC in Kalifornien war der Arbeitgeber von Alan Kay, Butler Lampson und Chuck Thacker.
Unter den preisgekrönten Arbeiten lassen sich einige Themenschwerpunkte ausmachen: Programmiersprachen, Datenbanken, Künstliche Intelligenz und Kryptologie. Auch die theoretische Informatik wurde berücksichtigt. Pionierleistungen für das Internet honorierten Awards für Tim Berners-Lee, Vinton Cerf und Robert Kahn. Im Feld der Computergrafik fanden wir aber nur Ivan Sutherland. Animationen, Spiele, Mikrocomputer und Roboter muss die Jury des Turing-Preises erst noch entdecken.
Bei den Pionieren der frühen Nachkriegszeit hielten sich die Juroren merklich zurück. Geehrt wurde hier nur Maurice Wilkes. Deutsche Informatiker gingen bislang leer aus, wenn man einmal von Michael Rabin absieht, der 1931 in Breslau geboren wurde und 1935 nach Israel emigirierte. Besteht eine Chance für die Zukunft? Einen Preis verdient hätte der Vater des MP3-Verfahrens Karlheinz Brandenburg und sicherlich auch Jürgen Schmidhuber, der Innovator der Neuronalen Netze.
Am 23. und 24. Juni findet in San Francisco die Konferenz über 50 – oder 51 – Jahre Turing-Preis statt. Zu den Referenten zählt Donald Knuth. Tim Berners-Lee erhält dann seine Auszeichnung. Wer mehr zu früheren Preisträgern wissen will, findet hier eine Fülle von Informationen und hier Videos von Vorträgen. Und hier ist ein Interview mit dem einzigen Laureaten deutscher Zunge, dem Schweizer Informatiker Niklaus Wirth.