Der Künder des Kommenden

Geschrieben am 20.09.2016 von

Vor 150 Jahren kam in Bromley bei London Herbert George Wells zur Welt. Zusammen mit dem etwas älteren Jules Verne erfand er die Science-Fiction. In seinen Zukunftsromanen beschrieb H. G. Wells, wie er meist genannt wird, schon früh Radio und Fernsehen. Er entwickelte außerdem das Konzept eines Weltzentrums für Wissen, eines Vorläufers der Wikipedia.

Wir verdanken ihm den Mondflug, die Zeitmaschine, den unsichtbaren Menschen, den bösen Forscher Dr. Moreau, Planeten-, Luft- und Atomkriege sowie mehrere Utopien. Neben seiner Science-Fiction schrieb er auch „normale“ Romane und Sachbücher sowie ein Filmskript. In Vorträgen schilderte er schon in den 1930er-Jahren ein globales Informationssystem.

Die Rede ist von Herbert George oder kurz H. G. Wells, geboren am 21. September 1866 in Bromley südlich von London. Vor 150 Jahren lag der Ort außerhalb der Metropole, später wurde er eingemeindet. Wells wuchs in kleinen Verhältnissen auf und hatte eine wechselvolle Schul-, Lehr- und Studienzeit. 1890 erwarb er den Bachelor in Zoologie von der Universität London. 1891 erhielt eine Stelle als Dozent und Tutor im College für Fernstudien. Er schrieb ein Lehrbuch für Biologie, produzierte aber auch schon fantastische Erzählungen.

Mit dem Roman „Die Zeitmaschine“ begann 1895 die Karriere des Schriftstellers H. G. Wells. Noch vor dem 1. Weltkrieg erschienen Titel wie „Der Unsichtbare“, „Der Krieg der Welten“, „Die ersten Menschen auf dem Mond“ und „Der Luftkrieg“. „Die Insel des Dr. Moreau“ schilderte sprachbegabte Tiere und „Befreite Welt“ einen Atomkrieg. Seine visionären Entwürfe machen Wells zusammen mit seinem französischen Kollegen Jules Verne zum Begründer der Science-Fiction.

H. G. Wells um 1900

H. G. Wells um 1900

Eine besondere Gattung bilden die Wellsschen Utopien wie Wenn der Schläfer erwacht (1899) oder Menschen Göttern gleich (1923). Ihre Helden landen in einer zukünftigen Gesellschaft, die auch über neue Techniken der Kommunikation verfügt. So lernt Graham, der 1897 zu Bett geht und 2100 aufsteht, Fernsehen in 2D und 3D kennen und hört politische Parolen aus dem Rundfunk. Herr Barnstaple erlebt unter den gottgleichen Mitbürgern ein E-Mail-System für gesprochene Mitteilungen.

Die bekannteste Utopie des Autors erschien 1933 – Was kommen wird. Sie bringt eine fiktive Weltgeschichte von der Gegenwart bis 2106. Darin prophezeite H. G. Wells den Ausbruch des 2. Weltkriegs für Januar 1940 nach politischen Spannungen zwischen Deutschland und Polen. Das reale Datum war der 1. September 1939. Im Jahr 1935 erstellte Wells ein Drehbuch nach seiner Zukunftsvision. 1936 kam in England der darauf basierende Spielfilm in die Kinos.

Der Film umfasst drei Teile. In den ersten beiden wird geschossen und gekämpft, der dritte spielt im High-Tech-Staat des Jahres 2036. Er zeigt den Streit zwischen Staatschef Oswald Cabal und dem Bildhauer Theotocopulos. Auf großen und kleinen Bildschirmen agitiert der Künstler gegen ein Mondflugprojekt. Auf einem weiteren Flachbild-Fernseher sieht man die Wolkenkratzer von New York. Wer „Was kommen wird“ selbst genießen möchte: Im schwarzweißen Original beginnt der Zukunftsteil bei Minute 1:11:00, in der deutsch synchronisierten und eingefärbten Fassung bei 1:09:00.

Die künftige Entwicklung des Fernsehens ließ sich Mitte der 1930er-Jahre schon absehen. Von 1932 bis 1935 strahlte die BBC in London ein Programm mit einer Bildauflösung von 30 Zeilen aus. Ab dem 1. Oktober 1936 sendete man abwechselnd 240 und 405 Zeilen. Das 240-Zeilen-Programm endete am 13. Februar 1937, das Hochzeilenfernsehen am 1. September 1939. Schlecht lag H. G. Wells aber bei der zukünftigen Raumfahrttechnik. Hier ließ er die Raumkapsel noch mit der Kanone starten, so wie im 19. Jahrhundert von Jules Verne erdacht.

Fernseher von Manfred von Ardenne aus den frühen 1930er-Jahren (Nachbau)

Fernseher von Manfred von Ardenne aus den frühen 1930er-Jahren (Nachbau)

„Was kommen wird“ wurde am 20. Februar 1936 uraufgeführt. Am 20. November hielt H. G. Wells in London einen Vortrag mit dem Titel „Weltenzyklopädie“. Darin beschrieb er eine Organisation, die das angehäufte Wissen der Menschheit wie auch neue Ergebnisse der Forschung sammelt, ordnet und in verständlicher Form in Bücher fasst. Diese würden in regelmäßigen Abständen upgedatet werden. Einige Monate später wies Wells auch auf die Verwendung von Mikrofilmen hin.

Die Enzyklopädie, die H. G. Wells auch das Weltgehirn nannte, beschäftigte ihn 1936 und 1937. Seine Vorträge und Artikel darüber erschienen 1938 in Buchform. Die Lektüre erfordert Zeit und Mühe, da Wells es nicht verstand, sich kurz zu fassen. Im Wesentlichen lief sein Konzept auf eine analoge Wikipedia hinaus, die ein Team oder Netzwerk von Experten in englischer Sprache für die ganze Erde erarbeitet. Andere Länder müssten das Werk oder Teile daraus in die eigene Sprache übersetzen.

Das Wellssche Weltgehirn ist die umfassendste Prophetie des Schriftstellers zum Internet. Mehr bedeutete ihm jedoch der Traum von der Weltregierung. Den Weg dorthin malte er in seiner Utopie von 1933 aus. Hier etabliert die Gemeinde der Flieger und Luftfahrtmanager eine wohlwollende Diktatur, die den Weltstaat ermöglicht. Anders gesagt: Der Futurist, der sich am meisten für Kommunikation interessierte, war der deutsche Ingenieur und Schriftsteller Ludwig Dexheimer, den wir vor einem Jahr in unserem Blog vorstellten.

Neben Science-Fiction und Utopien verfasste H. G. Wells noch Gesellschaftsromane, Sachbücher und journalistische Texte. Er starb am 13. August 1946 in London. Unser Eingangsbild stammt aus dem Film „Was kommen wird“. Mit ihm wollen wir auch ein bisschen für die Ausstellung Things to Come werben, die bis zum 23. April 2017 in Berlin die Geschichte des Science-Fiction-Films erklärt.

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