Der nackte Computer: 10 Jahre Raspberry Pi

Geschrieben am 25.02.2022 von

Am 29. Februar 2012 um sieben Uhr deutscher Zeit war es soweit: Der Raspberry Pi kam in den Handel. Der kleine Bastelcomputer aus England kostete nur 22 Pfund; das Angebot war nach zwanzig Minuten ausgeschöpft. Im ersten Jahr wurden eine Million Rechner verkauft, bis heute gingen mehr als 40 Millionen von ihnen an die Kunden.  

In der Frühzeit war mancher Mikrocomputer hüllenlos, und die Elektronik lag offen zutage. Zu den sogenannten Einplatinenrechnern zählten der KIM-1 und  der SC/MP aus Amerika, der bundesdeutsche Elektor junior oder der Lerncomputer LC80 aus der DDR. Mit der Zeit wanderten aber alle Chips in Kästen oder in Tastaturen wie bei Sinclair- und Commodore-Modellen. Es entstanden die Desktop- und die Türmchen-Systeme und später Laptops, Tablets und Smartphones.

Das änderte sich ab 2006; verantwortlich war Eben Upton. Er wurde 1978 als Sohn eines Philologen in Wales geboren. In Cambridge studierte er Informatik und Betriebswirtschaft. Er arbeitete danach für den englischen Zweig der amerikanischen Broadcom Corporation (seit 2016 Broadcom Inc). In den 2000er-Jahren war er als Studienberater an der Universität tätig; dabei bemerkte er, dass das Interesse an der Computerwissenschaft stetig zurückging. Denn immer weniger Studenten und Studentinnen programmierten noch selbst.

Upton konnte aber programmieren. 2006 steckte er mit einfachen Leiterplatten und einigen Elektronik-Bauteilen zwei Kleinstrechner zusammen. Sie enthielten einen Mikrocontroller – einen Mikroprozessor mit Zusatzfunktionen – des amerikanischen Herstellers Atmel und einen Speicherchip für 512 Kilobyte. Die Schaltung generierte Bilder mit 320 mal 240 Pixeln, wie hier im Video zu sehen. Die Animation erinnerte an das Spiel Zarch, das 1987 für den englischen Personal Computer Acorn Archimedes entstanden war.

Raspberry-Pi-Vater Eben Upton 2012 (Foto Jim Killock CC BY-SA 2.0 seitlich beschnitten)

Im Mai 2009 schuf Eben Upton mit fünf anderen Informatikern die Raspberry-Pi-Stiftung; sie wollte einen kleinen und preiswerten Computer entwickeln. Ein „Raspberry Pie“ ist ein Himbeertörtchen; das erste Wort hat im Englischen einen leicht abwertenden Klang wie bei uns die Zitrone. Das „Pi“ bezog sich auf die Programmiersprache Python, doch könnte auch die Kreiszahl pi gemeint sein. Salopp gesagt: der Raspi, wie er bald genannt wurde, ist so etwas wie ein Apple für Arme.

Im Mai 2011 ging die Stiftung an die Öffentlichkeit. Einer der Gründer, der Spieleentwickler David Braben, zeigte einen Prototyp vor der Kamera der BBC. In Deutschland berichtete der SPIEGEL, in Österreich der Standard. Ein weiterer SPIEGEL-Artikel erschien am Heiligabend 2011. Demnach besaß der Rechner einen ARM11-Prozessor und einen Arbeitsspeicher von 128 oder von 256 Kilobyte; ein Speicherkärtchen trug das Linux-basierte Betriebssystem. Anschließbar waren Tastatur, Maus und Kopfhörer sowie ein Bildschirm.

Schon im August des Jahres lag eine Kleinserie mit fünfzig Raspis vor. Einen Monat später fand bei einer Veranstaltung in Cambridge eine Vorführung statt – das ist das Video dazu. Anfang 2012 wurden zehn Rechner auf eBay versteigert. Der letzte mit Seriennummer 1 brachte 3.500 Pfund ein; insgesamt gewann die Raspberry-Pi-Stiftung bei der Auktion gut 16.000 Pfund. Am 27. Januar erschien ein verräterischer Hinweis von Stiftungschef Eben Upton im Internet: Ladies and gentlemen, set your alarms!

Ein Raspi aus der Vorserie, 2011 in Cambridge aufgenommen (Foto Paul Downey CC BY 2.0 seitlich beschnitten)

Den Wecker stellen sollte man auf sechs Uhr englischer oder sieben Uhr deutscher Zeit am 29. Februar 2012. Genau dann startete der Online-Verkauf des ersten Raspberry-Modells mit dem Kürzel B; das „26-Euro-Computerchen“ (SPIEGEL) im Scheckkartenformat kostete 22 Pfund und bot einen 256-Kilobyte-Speicher und einen Netzwerkanschluss. Den Prozessor lieferte die oben erwähnte Firma Broadcom. Die Fertigung des Rechners geschah zunächst in China, später wurde er auch im Vereinigten Königreich gebaut.

Das Interesse war jedenfalls riesengroß – der Server für den Verkauf hielt nur zwanzig Minuten durch. Nach und nach klappte es aber mit der Auslieferung. Auf den Raspi B folgte Modell A für 16 Pfund; es speicherte gleichfalls 256 Kilobyte, war aber nicht netzwerkfähig. Seit 2012 erweiterte sich die Raspberry-Pi-Palette gewaltig, wie in der englischen und der deutschen Wikipedia zu sehen. Die erste Million war nach einem Jahr abgesetzt, bis Oktober 2013 wurde die zweite verschickt. Am fünften Geburtstag liefen in aller Welt elf Millionen.

Heute ist der Raspi mit vierzig Millionen verkauften Exemplaren der populärste englische Computer. Er brachte auch das Interesse für Einplatinenrechner zurück; mittlerweile gibt es eine ganze Anzahl Raspberry-Pi-Alternativen vor allem aus Asien.

Schließen möchten wir mit Nutzern in Israel. 2021 lernten Goldfische in der Ben-Gurion-Universität, das Aquarium zu fahren. Ihre Bewegungen wurden von einem Raspi an der Videokamera erkannt und an die Steuerung übermittelt. Am Ziel gab es dann eine Belohnung zum Auffuttern.

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