Die Bibel und die Mathematik

Geschrieben am 31.10.2017 von

Der 31. Oktober 2017 ist auch in Paderborn ein Feiertag. Er erinnert an die 95 Thesen, die der Reformator Martin Luther vor 500 Jahren in Umlauf brachte. Später fertigte er die maßgebliche deutsche Übersetzung der Bibel an. Das Jubiläum gibt uns Gelegenheit, im Alten und Neuen Testament nach Hinweisen auf Zahlen oder Rechnen zu suchen.

„Aber du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht. Denn großes Vermögen ist allezeit bei dir, und wer kann der Macht deines Armes widerstehen?“ Dieser schöne Spruch steht im Alten Testament, im 11. Kapitel des Buchs der Weisheit. Gemeint ist natürlich Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er konnte messen, rechnen und wiegen, hatte also Ahnung von Geometrie, Arithmetik und Physik.

Der Thesenanschlag von Wittenberg 1517 – ein Bild aus dem Jahr 1830

Die Bibel ist kein Rechenbuch, aber wer sucht, der findet viele Passagen mit Zahlenangaben. So trägt das 4. Buch Mose bereits den Titel „Numeri“. Seine ersten vier Kapitel bringen die Resultate einer Musterung, die nach dem Aufbruch der Israeliten aus Ägypten vorgenommen wurde. Heraus kamen 603.550 wehrfähige Männer plus 22.300 Mitglieder des Stammes Levi. Hier stoßen wir auf die ersten Rechenfehler: Das 3. Kapitel des Nummernbuchs spricht nur von 22.000 Köpfen und anderer Stelle von 22.273.

Falsch addierte auch der Priester Esra. Nach Rückkehr aus dem babylonischen Exil führte er die Gegenstände des Jerusalemer Tempels auf, die den Juden geblieben waren. Die Summe von 5.400 Gefäßen – siehe Esra 1, Vers 11 – ist leider zu hoch. Den berühmtesten Fehler des Alten Testaments finden wir aber im 1. Buch der Könige und im 2. Buch der Chronik. Dort wird ein bronzenes Becken vor jenem Tempel beschrieben, das einen Durchmesser von 10 Ellen und einen Umfang von 30 Ellen besitzt.

Korrekt wären 31,4 Ellen oder etwas mehr gewesen. Der Umfang eines Kreises ist gleich dem Durchmesser mal der Kreiszahl pi, und letztere liegt nahe 3,1415. Wahrscheinlich übernahm der anonyme Autor den falschen pi-Wert von den Babyloniern. Die alten Ägypter ermittelten Kreisumfänge mit einer Formel, die auf einen Wert von 22/7 hinauslief, also etwa 3,1428. Außerdem benutzten sie bei Flächenberechnungen die Näherung (16/9)², die ziemlich genau 3,16 entspricht.

Das Gleichnis der anvertrauten Talente, gezeichnet von Jan Luyken (1649-1712) CC BY-SA 4.0

Das Neue Testament beginnt mit dem Evangelium des Matthäus. Er schreibt im 2. Kapitel über den Stern von Bethlehem, der die drei Weisen – aus ihnen wurden dann die Heiligen Drei Könige – zum neugeborenen Jesus führt. Diese Geschichte ist die einzige der Bibel, die direkt mit Astronomie zu tun hat; die Wissenschaft war in der Antike eng mit der Mathematik verknüpft. Seit Martin Luthers Zeiten suchten viele Autoren nach himmlischen Vorbildern für den Stern, doch so richtig passt eigentlich keine Theorie.

Das 2. Kapitel des Lukas-Evangeliums führt die berühmte Schätzung ein, die Mutter aller Volkszählungen. In der Tat fand zu biblischer Zeit eine Steuerschätzung in Israel statt, doch erst als das Land römische Provinz wurde. Das geschah im Jahr 6 unserer Zeitrechnung, als Jesus ein heranwachsender Junge war. Danach plagten Zöllner und Steuereinnehmer die Bevölkerung. Jesus war der Sohn eines Zimmermanns, vermutlich lernte er früh das Rechnen mit Einnahmen und Ausgaben kennen.

Manche seiner späteren Gleichnisse befassen sich mit Finanzen, so die Geschichte von den anvertrauten Talenten. Sie liegt bei Matthäus und Lukas in unterschiedlichen Fassungen vor. Gemeinsam ist ihnen die Botschaft, dass man Geld nicht vergraben, sondern gut anlegen sollte. Daraus folgt, dass wir unsere Fähigkeiten zum Wohl unserer Mitmenschen einsetzen müssen. Andererseits sah Jesus ein Zuviel an Geld sehr kritisch. Jeder kennt die Szene mit den Geldwechslern im Tempel oder den Spruch, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel kommt.

Der Grüffelo der Apokalpyse: das Tier 666 mit sieben Köpfen (aus der Lutherbibel von 1545)

Das letzte Buch des Neuen Testaments und der gesamten Bibel ist die Offenbarung des Johannes. Es bringt eine Fülle von symbolischen Bildern und viele Zahlen; eine besondere Rolle spielen dabei die Sieben und die Zwölf. In Kapitel 13 erscheint ein Ungeheuer mit zehn Hörnern und sieben Köpfen. Es steht für das römische Reich und seine Kaiser. Außerdem trägt es sowohl einen Namen als auch eine Zahl, und „es ist eines Menschen Zahl; und seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.“

In der Antike dienten griechische wie hebräische Buchstaben ebenso als Zahlzeichen und wiesen bestimmte Werte auf. So stand Alpha für die 1 und Omega für die 800. Als sich die Offenbarung verbreitete, setzte eine Suche nach historischen Bösewichtern ein, deren Namenszeichen die Summe 666 ergab. Favorit war lange Zeit der römische Kaiser Nero; mittlerweile sind die Experten eher ratlos. Vielleicht dachte Johannes auch nur an ein möglichst negatives Gegenstück zu der positiv gesehenen Zahl 7.

Unseren Beitrag wollen wir nicht mit einem Monster beschließen, sondern mit einem der schönsten Beispiele kirchlicher Geometrie: dem Dreihasenfenster des Paderborn Doms. Eine Rotation um N mal 120 Grad überführt die Hasen in sie selbst, wobei N = 1, 2, 3 usw. gilt. Oder wie der Volksmund ohne Mathematik sagt: „Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei.“ Das Trio erfreut nicht nur Katholiken, sondern ebenso Protestanten und alle anderen Glaubensrichtungen. Und damit wünschen wir unseren Lesern einen frohen Reformationstag.

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