Die Geburt des Computers

Geschrieben am 10.09.2024 von

Vor 190 Jahren, im September 1834, fertigte Charles Babbage oder ein Assistent von ihm die erste Zeichnung zur „Analytical Engine“ an. Daraus entwickelte sich das Konzept eines programmgesteuerten Rechners. Die analytische Maschine des englischen Mathematikers ist der früheste Entwurf eines mechanischen Computers in der Technikgeschichte. Babbage konnte aber nur einen kleinen Teil in Hardware umsetzen.

1833 vollendete Joseph Clement, der Cheftechniker des 1791 geborenen Mathematikers Charles Babbage, eine funktionsfähige Differenzmaschine. Sie war 72 Zentimeter hoch, 90 Kilogramm schwer und ein Wunderwerk der Feinmechanik. Sie steht mittlerweile im Londoner Science Museum, hier kann man sie im Film sehen. Das Konzept stammte von Babbage, der 1822 ein kleines Modell baute, wir haben es in unserem Blog geschildert.

Charles Babbage um 1850. Die seitenverkehrte Daguerreotypie wurde gespiegelt, er ist also „richtig herum“.

Eine Differenzmaschine vereinigt mehrere Addiervorrichtungen; mit einem Druckwerk ausgestattet kann sie mathematische Tafeln produzieren. Die Difference Engine von 1833 bildete das einzige handfeste Resultat eines von Babbage angestoßenen und staatlich geförderten Projekts. Ihr fehlte ein Drucker, sie war im Grunde nutzlos. Das Unternehmen brachte Charles Babbage jedoch auf eine Weiterentwicklung seiner Idee, nämlich auf eine Differenzmaschine mit einer Feedback-Schleife. Sie führte ihn dann zur Analytical Engine, dem ersten Konzept für einen mechanischen und programmgesteuerten Digitalrechner.

Ab September 1834 entstanden in seinem Haus im Londoner Stadtteil Marylebone eine Vielzahl von Zeichnungen der neuen analytischen Maschine; die meisten fertigte Babbages Assistent Charles Godfrey Jarvis nach den Anweisungen seines Chefs an. Die Blätter liegen heute alle in der Sammlung des Science Museum, sie können ebenso online studiert werden. Unser Eingangsbild zeigt einen frühen Entwurf für den Rechner aus Pappe (Foto Science Museum Group CC BY-NC-SA 4.0). Man erkennt senkrechte Achsen und waagerechte Stangen.

Die Differenzmaschine von 1833  (Foto Science Museum Group CC BY-NC-SA 4.0)

Im Frühjahr 1835 teilte Babbage sein Konzept dem belgischen Statistiker Adolphe Quetelet mit; auf einem Treffen der Königlichen Akademie der Wissenschaften am 7. und 8. Mai 1835 in Brüssel wurde sein Brief vorgetragen. Ende 1837 brachte Charles Babbage einen Plan der „Analytical Engine“ zu Papier; man kann ihn nach Anmeldung im Internet Archive in dem Sammelband von Brian Randell lesen. Wir finden die Unterteilung in Rechenwerk („mill“) und Speicher („store“), die Zylinder für mechanisch codierte Mikroprogramme („barrels“) und die Lochkarten für Zahlen und Operationen.

1840 reiste Babbage nach Italien zu einem Kongress in Turin, wo er auch einen Vortrag über seine neue Maschine hielt. Unter den Zuhörern befand sich der Offizier und Ingenieur Luigi Federico Menabrea. 1842 veröffentlichte Menabrea eine Zusammenfassung in französischer Sprache in Genf; sie enthielt zwei kurze Rechenprogramme. Eine englische Fassung des Aufsatzes mit mehreren Anhängen und einem weiteren Programm erschien ein Jahr später in London. Die Übersetzerin war niemand andere als Ada Lovelace, der das HNF 2015/2016 eine Ausstellung widmete.

Plan der analytischen Maschine vom 6. August 1840 (Science Museum Group CC BY-NC-SA 4.0 seitlich beschnitten). Bitte zum Vergrößern auf das Bild klicken!

1847 wandte sich Babbage wieder der Differenzmaschinen zu. Die „Difference Engine No. 2“ verblieb aber im Zustand der Konstruktionspläne. Das Science Museum begann in den 1980er-Jahren mit der Realisierung, die 2002 glücklich beendet wurde. 1857 kehrte Charles Babbage zur analytischen Maschine zurück. Er versuchte nun, seine Entwürfe in Hardware umzusetzen. Als er 1871 starb, lag ein kleiner Teil des Rechenwerks und des Druckers vor. Er ist gleichfalls im Science Museum neben der daraus abgeleiteten Rechenvorrichtung, die Babbages Sohn Henry Prevost Babbage 1910 konstruierte.

Damit endet die Geburtsgeschichte des Computers. Das Bonner Arithmeum besitzt Nachbauten der Differenzmaschine von 1833 und des bis 1871 erstellten Fragments der analytischen Maschine. Letzteres untersuchte 2019 der Paderborner IT-Historiker Rainer Glaschick. Wir empfehlen außerdem die Doktorarbeit von Bruce Collier aus dem Jahr 1970 und den Artikel von Allan Bromley von 1982. In deutscher Sprache existiert ein Vortrag zur analytischen Maschine, den der Informatiker Raúl Rojas 2020 hielt. Er beschäftigte sich vor allem mit ihren Programmen.

Element der „Analytical Engine“ von 1871 mit Rechen- und Druckwerk. Auch dieses steht „richtig herum“ – man sieht die Vorderseite. Bitte zum Vergrößern anklicken! (Foto Alamy)

Zum Schluss möchten wir noch dem erwähnten Arithmeum zum 25. Geburtstag gratulieren. Das Museum am Bonner Hofgarten war eine Idee des Mathematikers Bernhard Korte; es wurde am 8. September 1999 eröffnet und gehört zur Universität. Im Ausstellungsgebäude und im Depot befinden sich Tausende von Rechenmaschinen und Rechenschiebern, zu denen inzwischen auch eine ganze Anzahl Computer kamen. Außerdem verwahrt das Haus viele Bücher und mathematisch orientierte Kunstwerke.

 

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3 Kommentare auf “Die Geburt des Computers”

  1. Stu Savory sagt:

    See http://www.savory.de/blog_nov_14.htm#20141107
    for my blog account of my visit to the science museum to see Babbages Engines.

  2. Karl Jaeger sagt:

    Danke für die sehr ausführlichen Hinweise und Geschichte zu Charles Babbage. Auf der Ausstellung der MS Wissenschaft gab es eine Zeittafel die leider nicht dokumentiert ist. Sie bezog sich auf das Jahr 1819 das zum Austellungsjahr 2019 gerade gut passte und den Zeitstrahl auf 200 Jahre brachte. In 1819 formuliert Babbage seine ersten Gedanken zur differential Engine https://www.mi.fu-berlin.de/inf/groups/ag-ki/publications/Computerprogramme-Babbage/Computer-Programme-von-Babbage.pdf
    Der Zeitstrahl und unser Exponat ist hier dokumentiert https://archiv.ms-wissenschaft.de/2019/ausstellung/rundgang/index.html#accordion-shipplan-heading-3

  3. Irgendwo im HNF wird die Nixdorf-Hauszeitung liegen, die in den 1980er Jahren die Meldung über eine finanzielle Beteiligung von Nixdorf Computer Ltd. an den Kosten für das Rekonstruktionsprojekt berichtete. Nixdorf hat ja im Vergleich zum sonstigen Westeuropa in England sehr lange gebraucht, um in den Markt zu kommen. Man musste also auf sich aufmerksam machen.

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