Die Ursprünge der Computer

Geschrieben am 28.11.2023 von

1859 erschien das Buch „On the Origin of Species“ des englischen Naturforschers Charles Darwin; seine Evolutionstheorie veränderte die Welt. Im November 1973 kam in Berlin, Heidelberg und New York „The Origins of Digital Computers“ heraus. Der Sammelband des walisischen Informatikers Brian Randell ließ die Welt, wie sie ist, er setzte aber Maßstäbe in der Computergeschichte.

Im Jahr 1889 veröffentlichte Henry Prevost Babbage, ein Sohn des Mathematikers und Computervisionärs Charles Babbage, eine Sammlung von Texten über die Entwürfe seines Vaters. So begann die Geschichtsschreibung der Informatik. Dort finden wir vor allem englisch- und deutschsprachige Autoren; zur zweiten Gruppe zählte Rolf Strehl, dessen Buch „Die Roboter sind unter uns“ – es erschien 1952 – historische Rückblicke enthielt.

Das galt ebenso für den Sammelband Faster Than Thought; der englische Physiker Vivian Bowden gab ihn 1953 heraus. 1968 kam das umfangreiche Rechnen mit Maschinen des deutschen Ingenieurs Wilfried de Beauclair; der Verlag nannte es eine Bildgeschichte der Rechentechnik. 1970 legte Konrad Zuse die Erstfassung seiner Memoiren „Der Computer – Mein Lebenswerk“ vor. Autobiografisch geprägt war auch das Buch „The Computer von Pascal to von Neumann“ des amerikanischen Mathematikers und Informatikers Herman Goldstine. Es erschien 1972.

Ein Jahr später, vermutlich im November 1973, brachte der in Berlin, Heidelberg und New York ansässige Springer-Verlag „The Origins of Digital Computers“ heraus; eine wörtliche Übersetzung wäre „Die Ursprünge der Digitalrechner“. Der Titel erinnert an das berühmte Werk von Charles Darwin zum Ursprung der Arten; der englische Titel lautete 1859 „On the Origin of Species“. Das Buch von 1973 zählte 464 Seiten und enthielt „selected papers“, also Beiträge verschiedener Autoren und Autorinnen. Alle lagen auf Englisch oder in einer englischen Übersetzung vor.

Brian Randell 1978 (Foto Computer History Museum)

Der Herausgeber der „Origins“ heißt Brian Randell. Er wurde 1936 in der walisischen Stadt Cardiff geboren, besuchte das Gymnasium und studierte Mathematik in London. Er arbeitete anschließend für die Firma English Electric und bei IBM in den USA. 1968 nahm er an der legendären Software-Konferenz in Garmisch-Partenkirchen teil; er war einer der Autoren des Abschlussberichts. Ab 1969 lehrte er Informatik an der Universität Newcastle; er befasste sich vor allem mit Fehlertoleranz, Systemstabilität und Computergeschichte. Inzwischen ist er natürlich emeritiert.

In den frühen 1970er-Jahren erforschte Brian Randell das Leben des vergessenen irischen Computererfinders Percy Ludgate, wir schilderten es im Blog. Er war außerdem der erste Technikhistoriker, der etwas mehr über die Colossus-Rechner im Entschlüsselungszentrum Bletchley Park herausfand. Auf einer Konferenz im amerikanischen Los Alamos trug er 1976 seine Resultate vor. 1979 gehörte Randell zum Redaktionsbeitrat der Zeitschrift „Annals of the History of Computing“. Sein Interesse für IT-Geschichte hat er sich bis heute bewahrt.

Zurück zu den „Origins“. Die Sammlung umfasst eine Enführung und sieben Abschnitte, die die Jahre von 1837 bis 1949 abdecken. Der erste stellt die Konzepte von Charles Babbage, Percy Ludgate, Leonardo Torres y Quevedo und Louis Couffignal vor; bei Torres gibt es sogar einen Bericht über ein realisiertes System. Es folgt ein Kapitel über Tabelliermaschinen; hier treffen wir Herman Hollerith, ein zweites Mal Couffignal sowie die beiden Deutschen Hans-Joachim Dreyer und Alwin Walther. Der nächste Teil enthält drei Texte von Konrad Zuse und seinem Freund Helmut Schreyer.

Das HNF besitzt die 2. und 3. Auflage von Brian Randells Werk.

Abschnitt Nr. 4 – im Buch „Chapter V“ – gilt Produkten von IBM wie dem riesigen ASCC und Nr. 5 den Relaisrechnern der Bell-Laboratorien. Der nächste Teil beleuchtet die Frühzeit des Elektronenrechnens; die Beiträge kamen vom Versicherungsmathematiker William Phillips sowie von John Vincent Atanasoff, Donald Michie, John Mauchley sowie Herman und Adele Goldstine. Die Goldstines schrieben über den ENIAC, Donald Michie – er machte sich einen Namen als KI-Forscher – steuerte anderthalb Seiten zu den Colossus-Computern bei.

Der Schlussabschnitt geht auf die Von-Neumann-Architektur und die Computer in England ein, die sie als erste verwendeten. Das waren das Manchester Baby von 1948 und der EDSAC der Universität Cambridge von 1949. Danach kommen 42 Seiten mit vielen kommentierten Literaturhinweisen, auch solchen in deutscher Sprache. Insgesamt liefern Brian Randells „Origins“ einen vollständigen Überblick über die ersten 112 Jahre Computergeschichte. Alle Texte des Buches stammen von den direkt Beteiligten.

Die Zeitschrift „New Scientist“ besprach es im Juli 1974 und nannte es eine Offenbarung für die meisten Computerspezialisten. 1975 und 1982 wurden die „Origins“ neu aufgelegt; die dritte Auflage erhielt einen neuen und längeren Colossus-Artikel von Brian Randell. Sie ist noch im Buchhandel erhältlich. Wer will, kann sich auch im Internet Archive anmelden und die digitale Version lesen. Bei Professor Randell bedanken wir uns für die Erlaubnis, sein Foto im Blog nutzen zu können.

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