Frank Rosenblatt und das Perceptron
Geschrieben am 08.10.2019 von HNF
Der Psychologe Frank Rosenblatt war Pionier der Künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens. 1928 in der Nähe von New York geboren, lehrte er bis zu seinem Tod 1971 an der Cornell-Universität. 1958 erfand er das Perceptron, ein frühes neuronales Netz. Seine Arbeiten wurden 1969 durch ein Buch der KI-Forscher Marvin Minsky und Seymour Papert attackiert.
Die computerbasierte Künstliche Intelligenz – Roboter lassen wir einmal draußen – wird gewöhnlich in zwei Felder unterteilt. In der symbolischen KI schreiben die Forscher ein Programm und wenden es an. Bei den Neuronalen Netzwerken müssen sie es zuvor für den Einsatz trainieren. Die zweite Art der KI, auch als maschinelles Lernen bekannt, entstand in den späten 1950er-Jahren. Pionierleistungen erbrachten Karl Steinbuch an der Technischen Hochschule Karlsruhe und der Amerikaner Frank Rosenblatt in der Cornell-Universität.
Karl Steinbuch würdigten wir 2017 anlässlich des 100. Geburtstags. Frank Rosenblatt kam am 11. Juli 1928 in New Rochelle bei New York zur Welt. Er besuchte in der Metropole die Bronx High School of Science, ein Elite-Gymnasium mit Schwerpunkt Naturwissenschaft. Später studierte er an der Cornell-Universität Psychologie; sie liegt in Ithaca im US-Bundesstaat New York. Nach der Promotion 1956 blieb Rosenblatt an der Hochschule, er arbeitete aber nicht in Ithaca, sondern am Aeronautischen Labor der Uni in Buffalo.
Hier entwickelte er Techniken, die die Funktion des Gehirns nachahmten. Das Gerät dazu gab es erst auf dem Papier, es hatte aber schon einen Namen: Perceptron. Auf Latein heißt percipere wahrnehmen oder erfassen, und Perzeption ist die Wahrnehmung. Rosenblatts Forschungen wurden von der Marine unterstützt. Am 7. Juli 1958 fand in Washington eine Pressekonferenz statt. Die Journalisten versammelten sich im staatlichen Wetteramt, und Frank Rosenblatt führte an einer IBM 704 seine Konzepte vor.
Laut dem Bericht der New York Times wurden dem Computer nacheinander hundert Quadrate gezeigt, die sich in einen Feld befanden. Er erfuhr jeweils, ob das Quadrat in der linken oder rechten Hälfte saß. Nach Abschluss der Trainingsphase überprüfte der Rechner hundert neue Quadrate. In 79 Fällen sagte er korrekt, auf welcher Seite jedes lag. Kurz, das Programm hatte gelernt, links und rechts zu unterscheiden. In anderen Tests identifizierte es Buchstaben, die als Muster in Lochkarten gestanzt wurden.
Im Wetteramt versprach Frank Rosenblatt das Blaue vom Himmel. Zukünftige Perceptrons würden Personen erkennen und ihre Namen wissen; Druckseiten und handschriftliche Briefe sowie gesprochene Befehle wären kein Problem. Nach einem weiteren, wenn auch etwas schwierigen Schritt würde das Perceptron Texte in der einen Sprache aufnehmen und sie direkt danach in einer anderen ausgeben. Im Prinzip könnte man, so Rosenblatt, Systeme konstruieren, die sich am Fließband nachbauen ließen und ein Selbstbewusstsein besitzen.
1959 wurde Frank Rosenblatt Psychologiedozent der Cornell-Universität in Ithaca; er übernahm zudem das Forschungsprogramm für kognitive Systeme. Am Ende des Jahres vollendete er sein Elektronengehirn, das Mark I Perceptron. Es war etwa zwei Meter hoch und dreieinhalb Meter lang. Das Perceptron erhielt Inputs von einer Kamera, in der 20 x 20 quadratisch angeordnete Fotozellen steckten. Die Signale der Fotozellen gingen an vierzig gedruckte Schaltungen. Alternativ konnte man vierhundert kleine Schalter betätigen.
Die Eingabeschaltungen bildeten die S- oder Sensoreinheiten. Von ihnen strömten die Daten an 512 Assoziationseinheiten; jede A-Einheit umfasste einen Transistorverstärker und ein Relais. Diese Elemente wirkten auf acht Reaktions- oder R-Einheiten; auch sie bestanden aus Verstärkern und Relais. Mit ihrer Hilfe wurde das Perceptron trainiert. Die R-Daten steuerten Potentiometer, die die elektrischen Spannungen zwischen der Assoziations- und der Reaktionsebene veränderten. Die R-Einheiten waren schließlich auch die Outputs.
Insgesamt ergab sich ein neuronales Netz aus drei Schichten. Nach einem Durchlauf wurde die Ausgabe überprüft und eine Korrekturanweisung erteilt; diese veränderte die interne Verdrahtung. Nach ausreichendem Training konnte das Perceptron ein Muster erkennen. Für Details verweisen wir auf die Gebrauchsanleitung; Frank Rosenblatt schrieb außerdem ein Buch und meldete ein Patent an. In den frühen 1960er-Jahren war das Perceptron neben der Karlsruher Lernmatrix der Star unter den intelligenten Automaten.
Wie es sich für Wissenschaftler gehört, entwickelte Rosenblatt seine Konzepte weiter. 1963 baute er eine akustische Version des Perceptrons namens Tobermory; auch dazu erwarb er ein Patent. Dann verlor er etwas das Interesse an Denkmaschinen; darüber hinaus versiegte die staatliche Förderung. Ab 1965 forschte er in der Neurobiologie und erhielt eine Professur. Ihn interessierten jetzt Gedächtnismoleküle, Substanzen, mit denen man das Wissen eines Versuchstiers auf andere übertragen konnte. Hier ist ein Foto von ihm aus jener Zeit.
1969 wurde er aber wieder an sein Elektronengehirn erinnert. Im Verlag des Massachusetts Institute of Technology erschien das Buch Perceptrons; die Verfasser Marvin Minsky und Seymour Papert gehörten in der Hochschule zu einer Arbeitsgruppe für Künstliche Intelligenz. Ihr Werk analysierte eine einfache Form des Perceptron. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass es weniger leistet, als seine Fans glaubten. So könnte es nicht ermitteln, ob eine Zeichnung nur ein einziges Gebilde oder zwei miteinander verschränkte zeigt.
Bis heute streiten die Experten, ob „Perceptrons“ Rosenblatts Technik wirklich korrekt darstellte. Eine zweite Frage lautet: Hat das Buch die Forschung zu neuronalen Netzwerken gebremst oder gar den KI-Winter der 1970er-Jahre ausgelöst? Das Gebiet wurde aber nie ganz aufgegeben; in den Achtzigern setzte ein neuer Aufschwung ein. Inzwischen zählt maschinelles Lernen zu den Säulen der Künstlichen Intelligenz. Verantwortlich dafür ist natürlich auch die exponentiell zunehmende Rechenleistung der Computer.
Frank Rosenblatt hat das nicht mehr erlebt. Er starb am 11. Juli 1971, seinem 43. Geburtstag, durch einen Unfall beim Segeln. Er schrieb aber posthum Astronomiegeschichte. Anfang 1971 publizierte er eine Methode, um Begleiter ferner Sterne nachzuweisen: Man muss nach Veränderungen des Sternenlichts suchen, die ein umkreisender Planet bewirkt. Wenn er vor dem Stern vorbeizieht, dann blockiert er einen winzigen aber messbaren Teil der Strahlung. Die Idee wurde ab 2006 mit dem französischen Satelliten CoRoT und den NASA-Sonden Kepler und TESS umgesetzt. Sie entdeckten mehr als 2.700 extrasolare Planeten.
Das Mark I Perceptron ruht heute im Depot des Museums für amerikanische Geschichte in Washington. Unser Eingangsbild zeigt es noch in der Ausstellung (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution). Wir bedanken uns herzlich bei Alana Staiti für die Genehmigung, das Foto im Blog nutzen zu können.
Guter Beitrag. Sowohl Rosenblatt als auch Minsky sind auf ihre eigene Art Genies. Wir sollten genau dort weitermachen. Heute jedoch umfassender, wobei wir das Gehirn (den kognitiven Kode) besser verstehen und auch die Computer und ihre Algorithmen, wie auch die Gesamt Architektur von Turing, von Neumann und Feynman besser verstanden wird. DB