Funken mit Licht

Geschrieben am 13.01.2018 von

Das 19. Jahrhundert kannte die optische Telegrafie mit mechanischen Mitteln und die Morse-Telegrafie über Kabel. Ab 1877 verbreitete sich der Heliograf; er übermittelte Lichtsignale mit Spiegeln. Heliografen wurden in Afrika und in Asien verwendet, aber auch im Wilden Westen der USA und in den Weiten Kanadas. Gut belegt ist sein Einsatz in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika.

Vor 200 Jahren schaute Carl Friedrich Gauß zur richtigen Zeit in die richtige Richtung. Der Mathematiker befand sich damals in Lüneburg und sah in 44 Kilometer Distanz den Turm der Hamburger Sankt-Michaelis-Kirche. Im oberen Teil erstrahlte ein heller Punkt. Der Grund war einfach: Eine Fensterscheibe reflektierte Licht von der Sonne in die nähere Umgebung und zufällig genau dorthin, wo Gauß stand.

Das Erlebnis brachte ihn ein paar Jahre später zur Erfindung des Heliotrops. Es kombiniert ein Fernrohr mit einem Spiegel und wirft Sonnenlicht auf den anvisierten Ort. An diesem kann ein Landvermesser den Lichtpunkt mit seinem Theodoliten anpeilen und die Position des Heliotropen bestimmen. Von 1821 bis 1825 widmete sich Gauß der Triangulation von weiten Teilen des Königreichs Hannover. Seine Winkelmessungen waren die Basis der eigentlichen Landvermessung, die bis 1861 durch militärische Geodäten erfolgte.

Amerikanischer Landvermesser mit einem Heliotrop in den 1870er-Jahren

Das Gaußsche Heliotrop wurde bald von anderen Ländern übernommen, so auch vom Britischen Empire. Das Instrument half bei der von 1802 bis 1871 laufenden Vermessung von Indien und Pakistan; hier lernte es der junge Telegrafie-Ingenieur Henry Christopher Mance kennen. 1869 entwickelte Mance aus dem Heliotrop den Heliograf. Dieser verzichtete auf das Teleskop und verwendete einen runden Spiegel; damit konnte man Morse-Signale geben. Falls die Sonne im Rücken stand, wurde ein zweiter Spiegel montiert, der das Licht auf den ersten umleitete.

Zum Ausrichten des Heliografen auf den Empfänger diente ein Visier, das auf einer Stange vor dem Spiegel saß. Der Spiegel besaß im Zentrum eine nicht versilberte Stelle oder ein kleines Loch; bei korrekter Einstellung auf das Ziel – und Sonnenlicht aus dieser Richtung – war auf dem Visier ein Schattenpunkt erkennbar. Lange und kurze Morsezeichen wurden durch Reflexion übermittelt; dazwischen drehte man den Spiegel einfach weg. Eine andere technische Lösung war eine Blende mit hochklappbaren Lamellen vor dem Spiegel.

US-Soldaten und ein Heliograf an der Grenze zu Mexiko um 1916

Der erste Einsatz eines Heliografen erfolgte 1877 in Pakistan, als englische Soldaten gegen Gebirgsstämme marschierten. In den 1880er-Jahren benutzte die amerikanische Armee die Geräte in Indianergebieten im Westen und Südwesten des Landes. Die Army führte damals einen neuen Typ mit rechteckigen Spiegeln ein. Im Burenkrieg von 1899 bis 1902 griff sowohl die englische als auch die südafrikanische Seite auf Heliografen zurück.

Geblinkt wurde ebenso zu friedlichen Zwecken wie bespielsweise für die Forstverwaltung. Vom frühen 20. Jahrhundert an dienten Heliografen der Kommunikation in den riesigen Wäldern der USA und Kanadas. Hauptnutzer blieb aber das Militär. Englische, australische, amerikanische und kanadische Truppen heliografierten zum Teil bis in die 1960er-Jahre; belegt ist auch die Nutzung in der Türkei und in Russland. Unser Eingangsbild (CC BY 2.0) zeigt australische Soldaten im 1. Weltkrieg mit zwei Heliografen und einem separaten Fernrohr.

Auf Wacht in den Rocky Mountains in den 1920er-Jahren

Die kaiserliche deutsche Armee nutzte Heliografen zum ersten Mal 1894 in der Kolonie Deutsch-Ostafrika; sie entspricht ganz grob den heutigen Ländern Tansania, Burundi und Ruanda. Ab 1901 erfolgte dort ein dauerhafter Einsatz. Seit 1899 fertigte die Firma von Rudolf Fuess in Berlin-Steglitz Heliografen des englischen Typs, doch mit geringerem Gewicht. 1900 und 1901 finden wir die Geräte bei den deutschen Truppen, die sich an der Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands in China beteiligten.

Auf der anderen Seite des schwarzen Kontinents lag die Kolonie Deutsch-Südwestafrika, das spätere Namibia. Im Juli 1901 lief eine elektrische Telegrafenlinie vom Hafen Swakopmund zur Hauptstadt Windhuk weiter östlich. Mitte 1902 wurde eine 500 Kilometer lange Heliografen-Strecke von Windhuk nach Keetmanshop im Süden der Kolonie fertig. Sie umfasste dreizehn Stationen. Im gleichen Jahr entstand eine zweite Strecke mit fünf Stützpunkten; sie zweigte von der erwähnten Telegrafenlinie 200 Kilometer nach Norden zum Ort Outjo ab.

Englischer Soldat mit klassischem Mance-Heliograf 1938 in Jerusalem

Die beiden Heliografen-Linien übertrugen militärische, amtliche und kommerzielle Botschaften. Um den Jahreswechsel 1902/03 wurden rund 200 private Heliogramme im Monat verschickt. Ein Wort kostete 20 Pfennig. Die Übermittlung von Windhuk nach Keetmanshop dauerte bei gutem Wetter fünf bis sechs Stunden. Allmählich wurde die Kolonie aber verkabelt; 1907 besaß sie 3.616 Kilometer Telegrafenleitungen. Dazu kamen noch 4.000 Kilometer Feldtelegrafen-Verbindungen, die die Reichspost übernahm.

Unverzichtbar waren die Heliografen in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der deutsche Schutztruppe und den einheimischen Völkern der Herero und der Nama. Die Kämpfe dauerten mit Unterbrechungen von 1904 bis 1908. Das Ende der Technik brachte die Kapitulation der Kolonie im 1. Weltkrieg. 1915 mussten die Deutschen alle Geräte an die Truppen der Südafrikanischen Union abgeben. Überlebt hat nur ein Heliograf in einem Museum in Namibia.

Afrikanische Soldaten mit Heliografen in der Kolonie Deutsch-Ostafrika (CC-BY-SA 3.0)

Nachzutragen ist, dass man mit Sonnenlicht mehr als blinken und morsen kann. 1880 erprobte der Kommunikationspionier Alexander Graham Bell das erste Lichttelefon; er nannte es Photophon. Die Erfindung des Lasers ermöglichte dann im 20. Jahrhundert die weltweite digitale Datenübertragung im Glasfaser. Wer sich für die Heliografie in Deutsch-Südwestafrika interessiert, findet weitere Informationen im Aufsatz von Veit Didczuneit aus dem Jahr 2017 und in der Doktorarbeit von Sebastian Mantei von 2004.

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