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Grace Hopper besucht die NSA
Geschrieben am 11.02.2025 von HNF
Die National Security Agency, kurz NSA, ist der Codes knackende und Daten sammelnde Geheimdienst der USA; er sitzt nahe Washington in Fort Meade. Am 19. August 1982 hielt die Mathematikerin und Computerpionierin Grace Hopper dort einen Vortrag, der 42 Jahre später von der NSA veröffentlicht wurde. Wir können ihn im Video und als Text studieren.
Grace Hopper, wer kennt sie nicht! Geboren als Grace Murray am 9. Dezember 1906 in New York, studierte sie Mathematik und Physik. 1934 machte sie ihren Doktor an der Universität Yale. Schon ab 1931 lehrte sie die Rechenkunst im Vassar College, der Frauenhochschule im US-Bundesstaat New York; 1941 wurde sie dort Assistenzprofessorin. Den Namen Hopper erwarb sie durch Heirat und behielt ihn nach der Scheidung bei.
Ende 1943 trat sie als Reservistin in die US-Marine ein. Ab 1944 arbeitete sie an der Harvard-Universität am riesigen Relaisrechner Mark I, den der Mathematiker Howard Aiken und IBM gebaut hatten. In der Wochenschau sehen wir sie in Uniform bei Minute 0:41. Grace Hopper blieb nach Kriegsende noch einige Jahre in Harvard; 1949 wechselte sie nach Philadelphia zur Firma der Computerpioniere John Mauchly und Presper Eckert, die 1950 vom Remington-Rand-Konzern erworben wurde.
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Grace Hopper in einem Büro im Pentagon (Foto Lynn Gilbert CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)
Hier entstanden die UNIVAC-Rechner, die ersten serienmäßigen Computer der USA. Grace Hopper verantwortete ihre Software und kam auf die Idee einer Programmiersprache mit englischen Worten. Von 1955 bis 1959 entwickelte sie FLOW-MATIC und legte damit den Grundstein für die Sprache COBOL. Neben der regulären Arbeit setzte sie den Dienst als Reservistin der Marine fort. 1967 trat sie im US-Verteidigungsministerium einen neuen Job an; sie leitete ein Team zum Testen und Standardisieren von COBOL-Programmen.
Das tat sie bis 1977. Bereits 1973 wurde sie vom Rang eines Commanders zum Captain befördert; das deutsche Äquivalent wäre die Kapitänin zur See. Nach dem Abschluss ihres Projekts hielt Grace Hopper mehr und mehr Vorträge. Am 19. August 1982 hatte sie einen Auftritt vor der Belegschaft der National Security Agency NSA in der Gemeinde Fort Meade, nordöstlich von Washington. Die NSA ist der 1952 gegründete kryptologische und kommunikationstechnische Geheimdienst der USA, wir haben ihn im Blog erwähnt.
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Ein älteres Foto des NSA-Hauptquartiers: der Saal, in dem Grace Hopper 1982 sprach, befindet sich in dem Flachbau.
Im William-Friedman-Auditorium der Agency, das nach dem bedeutenden Kryptologen benannt ist, sprach Grace Hopper anderthalb Stunden über „Zukünftige Möglichkeiten: Daten, Hardware, Software und Menschen“. Die NSA nahm den kompletten Vortrag auf Video auf; wir finden ihn in einem Katalog des NSA-Fernsehzentrums aus dem Jahr 1981, bitte PDF-Seite 30 aufsuchen. Grace Hoppers Ausführungen wurden als „unclassified“ bezeichnet, also als nicht geheim.
Im Oktober 2021 entdeckte der auf Geheimdienst-Fragen spezialisierte Journalist Michael Ravnitzky die Eintragung und beantragte die Freigabe des Videos. Die NSA reagierte im Frühjahr 2024 mit der Behauptung, dass sie die Magnetbänder nicht lesen könnte. Dann besann sie sich eines Besseren, und am 26. August 2024 veröffentlichte sie Grace Hoppers Vortrag in Form zweier YouTube-Filme; angeblich half beim Entschlüsseln der Aufzeichnung das amerikanische Nationalarchiv. Ein durchgehendes Video lässt sich hier anschauen.
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In jedem Vortrag zückte Grace Hopper 30 Zentimeter lange Drähte, um die Dauer einer Nanosekunde – über die im Draht zurückgelegte Strecke des Stroms – zu illustrieren. (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution)
Der Vortrag wurde auch transkribiert: das ist der erste und das der zweite Teil. Wer ihn mit anderen Videos von Grace Hopper vergleicht, erkennt schnell, dass sie 1982 ihr Standard-Referat abspulte. Die Informatikerin erhielt damals so viele Einladungen, dass sie einen überall verwendbaren Text entwarf, den sie im Lauf der Zeit minimal anpasste. Er umfasste wissenschaftliche Einsichten, biografische Rückblicke, unterhaltsame Anekdoten und am Schluss einige Bemerkungen über „leadership“. Sie redete ohne Manuskript und in Uniform; ihre Zuhörer waren stets begeistert.
Im Jahr 1983 stieg sie zur Kommodorin auf; nach Umbenennung des Rangs war sie ab 1985 ein „rear admiral“. Am 14. August 1986 ging die Flottillenadmiralin, wie die Bundesmarine sagt, in den Ruhestand, den sie im Dienst für die Digital Equipment Corporation verbrachte. Sie starb am 1. Januar 1992 in ihrem Haus in Virginia. Grace Hopper ist neben Ada Lovelace die bekannteste Pionierin der Computergeschichte. Ihren wissenschaftlichen Nachlass verwahrt die Smithsonian Institution; wer sich im Internet Archive anmeldet, kann dort Biografien von Kathleen Broome Williams und Kurt W. Beyer lesen.
Als wir den COBOL Compiler für den TR440 von Telefunken schrieben, verwendeten wir jener Test-suite von Grace Hopper. Das war 1969-1970 in Konstanz.