Heinz_Nixdorf_farbig_alt

Heinz Nixdorf: das letzte Interview

Geschrieben am 12.12.2025 von

Am Samstag findet im und vor dem HNF die Finissage des Nixdorf-100-Jahres statt; das Motto lautet „Saturday Light Fever“. Auch wir beenden unsere kleine Blogreihe zum Paderborner Computerpionier. Der Schlussbeitrag behandelt ein Interview, das Heinz Nixdorf im März 1986 einem Schweizer Journalisten gab. Es war das vermutlich letzte Pressegespräch, das von ihm im Druck erschien.

Im März 1986 fand in Hannover die erste CeBIT statt. Die Fachpresse reiste an, darunter aus Bern der Journalist Hans Galli. Er war Jahrgang 1951 und leitete seit 1984 das Wirtschaftsressort der Tageszeitung Der Bund. Am 18. März brachte das Blatt einen Bericht von ihm, der mehrmals Dr. Horst Nasko zitierte; er betreute damals im Vorstand der Nixdorf Computer AG die Telekommunikation. Im Text kam auch kurz Heinz Nixdorf vor.

Der Artikel erwähnte mit keinem Wort, dass er am Vorabend bei einer Veranstaltung seiner Firma auf der Messe gestorben war. Der Journalist erfuhr davon wahrscheinlich erst nach Redaktionsschluss, ähnlich erging es allen anderen Schweizer Presseleuten. Hans Galli veröffentlichte aber am 19. März 1986 den Text eines Gespräches, dass er zu Beginn der CeBIT mit dem Computerbauer geführt hatte. Zusammen mit einem Foto und einer kleinen Biografie füllte es eine halbe Zeitungsseite, und man kann es hier nachlesen.

Zu Beginn wollte Galli Heinz Nixdorfs Sicht der Computerbranche wissen. Der konnte nur ein sehr positives Urteil abgeben: „Die Computerhersteller verzeichnen seit Jahren das höchste Umsatzwachstum aller Branchen, und das wird sicher auch 1986 so bleiben.“ Nixdorf nahm die USA aus. Dort sah er den negativen Einfluss von IBM: „Es darf doch nicht wahr sein, dass eine Firma das Recht hat, die Standards zu setzen – Sie wissen, welche Firma ich meine. Da kann man sich seit Jahren nur wundern über die amerikanische Wirtschaftspolitik.“

Zu Nixdorfs Frustration trug vielleicht der SPIEGEL vom 26. Januar 1986 bei, der IBM in einer Titelgeschichte hymnisch feierte. Als Gegenmittel betrachtete er das Schaffen eigener technische Standards, „bei denen IBM gezwungen ist, mitzumachen“. Als Beispiele nannte er das Betriebssystem Unix und das OSI-Modell für Netze. Die Unix-Aktivitäten der NCAG beschrieben wir bereits im Blog. Heinz Nixdorf erlebte nicht mehr mit, wie der OSI-Standard vom konkurrierenden Internet-Protokoll TCP/IP verdrängt wurde.

Der Nixdorf-Stand auf der CeBIT 1986

Danach sagte Hans Galli: „Der harte Wettbewerb in den USA führt ja auch immer wieder zu Preissenkungen. Muss sich Nixdorf diesem Preiswettbewerb weiterhin anpassen?“ Heinz Nixdorfs Antwort war: „Oh, natürlich. Es ist faszinierend, wie … für das gleiche Geld immer mehr Leistung geboten wird. Keiner kann sich aus diesem Wettbewerb heraushalten.“ Auch hier ahnte der Computerbauer nicht, dass eben die Preissenkungen neben unüberlegten Personalausgaben zum Abstieg seines Unternehmens führen würden.

Nun kam die Gretchenfrage: Welche Schwerpunkte setzt die Firma für die Zukunft? Dazu der Firmenchef: „Wir fühlen uns in dem Markt, den wir seit Jahren bedienen, pudelwohl… Wir verzeichnen ganz hervorragende Umsätze mit vielen mittleren Firmen, die andere Hälfte des Umsatzes erreichen wir mit grösseren Firmen, diese Märkte sind noch ungesättigt. Überdurchschnittlich wachsen werden die Bereiche Point-of-Sale … und Telefon. Diese beiden Märkte werden mit dreistelligen Raten zunehmen.“ Mit Point-of-Sale meinte Heinz Nixdorf die sich ausbreitenden Computerkassen.

Es fällt auf, dass der Industrielle keine Rechnermodelle erwähnte und schon gar nicht die kleinen Computer, die die NCAG seit 1983 anbot. Der Schweizer Besucher stellte allerdings auch keine Frage dazu. Zweitens hob Heinz Nixdorf die Telefontechnik hervor samt der Datenübermittlung von Bildschirm zu Bildschirm. Das Thema dominierte das Schlussdrittel des Gesprächs, und Hans Galli wählte Nixdorfs Kernaussage – dass die Telekommunikation bis 1995 die Hälfte des NCAG-Umsatzes bringen würde – als Überschrift des Interviews.

Heute lassen sich daran verschiedene kontrafaktische Überlegungen anknüpfen. Was wäre passiert, wenn Heinz Nixdorf die 1990er-Jahre und das World Wide Web erlebt hätte? Gäbe es Suchmaschinen oder soziale Netze made in Paderborn? Oder anders ausgedrückt: Haben die Leute, die Nixdorf auf den Verächter von Mikrocomputern reduzierten, ihn nicht völlig falsch beurteilt? Wie es scheint, sah er im März 1986 längst über die kleinen Rechner hinaus und in eine Zukunft, die der des Jahres 2025 gleicht.

Zum Schluss laden wir die Leserschaft in und um Paderborn zur Finissage von Nixdorf100 ins HNF ein. Gefeiert wird am Samstag, dem 13. Dezember, ab achtzehn Uhr bis in den frühen Morgen des Sonntags hinein. Alles läuft unter der Überschrift Saturday Light Fever; jüngeren Lesern sei mitgeteilt, dass ganz ähnlich ein berühmter Film hieß. Selbstverständlich ist der Eintritt frei.

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.