Heinz Nixdorf im CHIP-Gespräch

Geschrieben am 04.07.2025 von

Heinz Nixdorf gilt allgemein als ein Verächter der Mikrocomputer; ein SPIEGEL-Redakteur nannte ihn jüngst das Wunderkind, das Apple ignorierte. Tatsächlich wusste Nixdorf genau, was im Markt der kleinen Rechner geschah. Im Juli-Heft 1980 der Zeitschrift CHIP erschien ein drei Seiten langes Interview mit ihm. Damals bot seine Firma den Taschencomputer LK-3000 aus den USA an.

Ein Computer-Magazin von 1980 ist eine Reise in eine reizvolle Retro-Welt und zu Systemen, die heutige Informatiker nicht für möglich halten. Manchmal kann man auch Entdeckungen machen, etwa im Juli-Heft der Zeitschrift CHIP, das im Internet vorliegt. Dort findet sich in dem Beitrag über Personal-Computer bis dreitausend Mark eine Spur des geheimnisvollen Siemens PC 1000, der unseres Wissens nie den Markt erreichte.

Eine Überraschung bereitet Seite 30. Hier beginnt ein Gespräch mit Heinz Nixdorf unter der Überschrift Die Neunziger Jahre im Visier. Die Gesprächspartner waren Richard Kerler, der Direktor der in München sitzenden CHIP-Redaktion, und Hugo Martin, Leiter des Würzburger Vogel-Verlags, der CHIP herausbrachte. Man unterhielt sich vermutlich im Frühjahr 1980 in Paderborn, Es trifft also nicht zu, dass Nixdorf kein Interesse an Mikrocomputern hatte, im Gegenteil, von ihm ging die Einladung zum Interview aus.

Es füllt im Heft drei Seiten und startete mit Smalltalk. Am Ende der ersten Seite kamen die Besucher von CHIP zum „Home- oder Personalcomputermarkt“ und fragten Heinz Nixdorf: „Gibt es hier nicht einen Bereich, wo dieser Markt – das sind ja auch alles Newcomer – mit Ihren Produkten kollidieren könnte?“ Er antwortete mit „Zweifellos“ und der Aussage, dass Hobby- und Minicomputermarkt – hiermit meinte er auch Nixdorf-Produkte – immer mehr zusammenwachsen würden. Er lobte aber die Marktwirtschaft und die Konkurrenz, dank der alle Betroffenen frisch bleiben müssten.

Heinz Nixdorf, fotografiert im Juni 1977

Danach wandte sich das Gespräch dem Taschencomputer LK-3000 zu; er ist im Eingangsbild zu sehen. Die Nixdorf Computer AG brachte ihn im Herbst 1979 in den Handel. Der LK-3000 war sechzehn Zentimeter lang, zehn Zentimeter breit und stammte von der Firma Lexicon in Miami. Er diente zunächst als ein elektronischer Übersetzer; dabei wurden die Wörter der jeweiligen Fremdsprache auf Einsteckmodulen gespeichert. Die NCAG fügte ein Rechen- und ein Datenbank-Modul hinzu, 1980 folgte eines für die telefonische Datenübermittlung.

Die Nixdorf-Werbung nannte den LK-3000 einen persönlichen Computer; ähnlich verfuhr Heinz Nixdorf im CHIP-Gespräch. Er ordnete ebenso „Standardprodukte“ der NCAG den kleineren Systemen zu. Nixdorf nannte keine Namen, doch mag er an die 8820-Familie gedacht haben. Laut CC-Computerarchiv – bitte PDF-Seite 42 aufsuchen – kostete die billigste Zentraleinheit 15.513 DM. Im Inneren der Nixdorf 8820 steckte ein Intel-8080-Prozessor; der gleiche Chip befand sich im ersten richtigen Mikrocomputer Altair 8800.

Im letzten Drittel des Interviews griffen die Besucher von CHIP noch zweimal das Thema Kleinrechner auf. Die erste Frage lautete: „Sehen Sie in weiter Hinsicht einmal auch die mit Computern versorgte Familie als Ihren Kunden oder nicht?“ Heinz Nixdorf dazu: „Auch.“ CHIP: „Und wann wird das etwa kommen?“ Nixdorf: „Etwas sind wir ja mit unserem LK-3000 schon in diesen Markt hineingegangen. Im Jahr 1980 werden wir auf dem Sektor des Homecomputers kein zusätzliches Modell anbieten. Denn wir sind in unserem Markt sehr stark engagiert.“ Das war der Markt der mittelgroßen Minicomputer.

System Nixdorf 8820 – betrachtete Heinz Nixdorf es als einen Kleincomputer?

Gegen Ende fragte CHIP: „Wie weit meinen Sie, daß die Mikros den Mini verdrängen werden, d.h. in welche Leistungsgruppen hinein wird ungefähr der Mikro kommen?“ Heinz Nixdorfs Antwort lautete: „Es ist erstaunlich, wie leistungsfähig die Mikros geworden sind. Aber es werden niemals die Mikros die Minis verdrängen, denn der Markt verbraucht eben Geräte unterschiedlichster Leistungsklassen. Ich nehme aber an, daß […] die Leistungsfähigkeit dieser Mikros so unwahrscheinlich ansteigt, daß Mikrocomputer in millionenfacher Form fast die Welt verseuchen werden.“

Nun hakte CHIP nach: „Und Sie wollen mitmachen bei dieser Verseuchung, wie Sie es so treffend formulieren, oder?“ Darauf konnte Nixdorf nur sagen: „Nein, so aktiv möchten wir bei der Verseuchung nicht dabei sein. Ich meine, wir müßten sehr achten, festzustellen, was der Kunde haben möchte. Will es der Kunde haben, sollte niemand das Recht haben, die Befriedigung seiner Wünsche zu erschweren.“ CHIP bohrte weiter, und Nixdorf schloss das Gespräch mit dem Satz; „Ich glaube schon, daß es gut wäre, diesen Markt zu bedienen.“

Vermutlich meinte er jetzt den Markt der Mikrocomputer. Was der Industrielle 1980 wirklich von ihnen hielt, bleibt offen, ein Wort wie „Verseuchung“ ist natürlich verräterisch. Wir können aber annehmen, dass Heinz Nixdorf den Aufstieg der kleinen Rechner verfolgte. Der Titel des Interviews mit den neunziger Jahren stimmt 2025 nachdenklich; Nixdorf starb schon 1986, und 1990 fusionierte seine Firma mit der Computersparte von Siemens.

Zum Schluss laden wir unsere Paderborner Leser und Leserinnen zum Sommerfest an der Pader ein, das das HNF und die benachbarten Institute und Unternehmen am Sonntag veranstalten. Der Eintritt im Haus ist an diesem Tag frei, die Türen öffnen um 10 Uhr.

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