Hier entlang – 40 Jahre Navigationssysteme
Geschrieben am 24.08.2021 von HNF
Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden in den USA mechanische Geräte erfunden, die Autofahrer den richtigen Weg wiesen. Am 24. August 1981 stellte der japanische Hersteller Honda den „Electro Gyrocator“ vor. Er zeigte während der Fahrt den Ort des Autos auf einem Stadtplan an. 1983 entwickelte die Firma Blaupunkt ein System, das die Route ansagte.
Als Bertha Benz vor 133 Jahren die erste Autotour der Welt antrat, brauchte sie noch kein Navigationssystem. Die Frau des Autobauers Carl Benz und ihre beiden Söhne Eugen und Richard hielten sich an bekannte Orte und folgten vorhandenen Wegen. So ging es zunächst von Mannheim nach Osten und nach Schriesheim; dort bog das Trio nach Süden ab und gelangte über Heidelberg, Wiesloch und Bruchsal nach Pforzheim. Anschließend tuckerte man wieder heimwärts.
Von Mannheim eroberte das Auto die zivilisierte Welt einschließlich Amerika. Die USA hatten und haben viele Städte und lange Straßen. Am 6. August 1909 meldete der New Yorker Ingenieur Joseph Jones eine Straßenkarte mit Kilometerzähler zum Patent an; sie war die vermutlich erste Navigationshilfe der Autogeschichte. Jones Erfindung nahm eine Papierscheibe auf, die die Einzelheiten einer bestimmten Route aufreihte. Die Scheibe drehte sich während der Fahrt, so dass Fahrer und Beifahrer stets die richtigen Informationen vor Augen hatten.
Gleichfalls 1909 verkaufte die Bostoner Firma Baldwin den Auto Guide. Er saß an der Lenksäule und enthielt einen Zelluloidstreifen mit den Daten der Route. Allerdings musste der Fahrer ihn von Hand weiterziehen. 1914 erfand George Boyden aus Manhattan ein Vehicle Signaling System, das die Fahrtrichtung per Phonograph ansagte. John Bovy aus Minnesota ersann 1921 den Map Holder mit einer schmalen aufgerollten Straßenkarte. 1932 war beim Touring Club Italiano das ganz ähnliche System Iter-Auto erhältlich; hier rückte der Kartenstreifen von alleine vor.
1971 gab es keine mechanischen Navigationshilfen mehr. Dafür zeigte die BBC in der Serie Tomorrow’s World ein Gerät mit einer Audio-Kassette; letztere speicherte Anweisungen eines ortskundigen Sprechers. Vor dem Start wählte der Fahrer für seine Route die passende Kassette und legte sie ins Gerät. Es war mit dem Kilometerzähler verbunden und spulte zur richtigen Zeit die Befehle zum Lenken ab. Der Schöpfer der Vorrichtung ist nicht bekannt; vielleicht hängt sie mit dem Schweizer Patent Nr. 545.511 für ein „Verfahren zum Dirigieren von Fahrzeugen“ zusammen.
Sicher ist: Das erste Navigationssystem, das diesen Namen verdiente, kam vor vierzig Jahren heraus. Ab dem 24. August 1981 bot der japanischer Motorrad- und Autobauer Honda den Electro Gyrocator an; er wurde auf Wunsch in zwei Pkw-Modelle eingebaut. Der Name kombinierte die englischen Worte für Kreisel (gyro) und Ortsanzeiger (locator). Im Monitor des Gyrocator saß eine Braunsche Röhre, auf der ein Lichtfleck blinkte. Wenn man einen Stadtplan aus Kunststoff vor die Röhre schob und losfuhr, deutete der Fleck laufend die Position des Wagens an.
Die Positionsänderungen ermittelte der Gyrocator mit einem Sensor, durch den Helium strömte; dieses diente als eine Art Kreisel. Die Ablenkung des Gasstroms beim Bremsen, Gasgeben und Kurvenfahren wurde registriert und mit einem Mikroprozessor in die Anzeige umgesetzt. Der Gyrocator arbeitete also analog und digital. Sein Bildschirm ist oben im Eingangsbild zu sehen, und das ist die Patentschrift. 1981 stellten auch Nissan und Toyota geografische Navigationssysteme namens Drive Guide und Navicom vor.
Was passierte damals bei uns? In den 1970er-Jahren entwickelte die Hildesheimer Radio- und Fernsehtechnik-Firma Blaupunkt das Autofahrer-Leit- und Informationssystem ALI; die Idee stammte aus der RWTH Aachen. Dabei fuhren Autos über Induktionsschleifen in der Straße; so teilten sie ihre Position einem Zentralcomputer mit. In den Autos befanden sich kleine Anzeigengeräte. Der Computer gab über Funk Tipps für die Weiterfahrt – auf den Bildschirmen der Geräte erschienen Pfeile – und half beim Umfahren von Staus. Das System konnte sich maximal zehn Ziele merken.
Das ALI stand 1978 im SPIEGEL; zwei Jahre später berichtete die amerikanische Zeitschrift Popular Mechanics. Filme von 1975 und 1980 vermitteln uns einen Eindruck des Systems. Erprobt wurde es im Ruhrgebiet und in den 1980er-Jahren in Berlin; auch dazu ist ein Video überliefert. Auf ALI folgte EVA, der Elektronische Verkehrslotse für Autofahrer. Er war das erste akustische Navigationssystem für frei wählbare Routen; erfunden hatte das Gerät der Blaupunkt-Ingenieur Otmar Pilsak. Es wurde im Juni 1983 in Hildesheim vorgestellt.
Der EVA speicherte das Straßennetz einer Region; nach Laden der Daten und der Eingabe von Start und Ziel berechnete er die Route. Während der Fahrt erkannte das System über Radsensoren, wo sich das Auto befand; eine digitale Stimme erteilte an den richtigen Punkten Lenkbefehle. Umleitungen und dergleichen wurden bei den nachfolgenden Anweisungen berücksichtigt. In der Region mussten außerdem Sender installiert werden, deren Positionen dem EVA bekannt waren. Mit ihrer Hilfe korrigierte das System mögliche Fehler des intern ermittelten Fahrwegs.
Der Elektronische Verkehrslotse blieb Prototyp, in Serie ging 1989 der TravelPilot IDS der Blaupunkt-Mutterfirma Bosch. Wie der EVA berechnete er den Weg; die geografischen Daten erfuhr das Gerät über eine CD-ROM. Auf dem Monitor lief während der Fahrt eine Animation ab, die die Fahrt des Autos in einem Straßennetz darstellte. Die tatsächliche Bewegung wurde mit Radsensoren und einem elektronischen Kompass gemessen. Der TravelPilot arbeitete stumm, wie zwei Videos aus den Niederlanden und England belegen.
Das änderte sich 1995 beim Modell RG 05: es brachte eine Sprachausgabe sowie einen Empfänger für die Signale des Global Positioning Systems GPS mit. Die Bosch-Elektronik gelangte im gleichen Jahr ins Auto-Pilot-System APS von Mercedes-Benz. Die Konkurrenz bot in Gestalt des BMW 750i schon 1994 ein Auto mit fest eingebautem Navigationssystem an; das benutzte Gerät kam von Philips. Im Jahr 2000 machte die Navigationstechnik einen großen Sprung nach vorn, als die amerikanischen GPS-Signale auf eine Genauigkeit im Meterbereich geschaltet wurden.
Damit schließt unsere Navi-Geschichte. Sie bleibt unvollständig, da wir nicht auf spätere Entwicklung aus Japan und den USA eingehen konnten. Hinweisen möchten wir aber auf die kalifornische Firma Etak, die 1985 ein System mit Wegberechnung und grafischer Ausgabe verkaufte, also vier Jahre vor dem TravelPilot. Geldgeber war der aus der Computerspiel-Branche bekannte Nolan Bushnell. Etak setzte einige tausend Exemplare des Navigator ab. Hier ist dazu ein kurzes und hier ein etwas längeres Video.