Hier lief einst die Z3
Geschrieben am 12.05.2016 von HNF
Das Geburtshaus des Computers liegt in Berlin-Kreuzberg an der Methfesselstraße 7. Hier führte Konrad Zuse am 12. Mai 1941 den ersten programmgesteuerten Digitalrechner Z3 einer kleinen Gruppe von Experten vor. Das Gebäude fiel dem Bombenkrieg zum Opfer und wurde später nie wieder aufgebaut. Auf einem Luftbild von 1920 kann man es aber noch gut erkennen.
Ende 1938 oder Anfang 1939 zogen die Eltern von Konrad Zuse, Oberpostinspektor Emil Zuse und seine Frau Maria, von der Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg in die Methfesselstraße, die vier Kilometer entfernt im gleichen Bezirk liegt. Sie verläuft in ungefährer Nord-Süd-Richtung parallel zum Mehringdamm, der damals noch Belle-Alliance-Straße hieß.
Die Zuses wohnten auf der Westseite der Straße in Haus Nr. 10. Das war auch die erste Adresse der Firma Dipl.-Ing. K. Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau, die ihr Sohn am 1. April 1941 gründete, mitten im 2. Weltkrieg. Bald nutzte der Betrieb auch Werkstatträume in der Methfesselstraße 7 gegenüber sowie in der Belle-Alliance-Straße 29. Die beiden Adressen gehörten zum gleichen Gebäude, das die benachbarten Straßen verband. (Die Belle-Alliance-Straße 29 ist heute Mehringdamm 84.)
Am 12. Mai 1941 fand sich in der Methfesselstraße 7 eine kleine Expertengruppe ein. Vier der fünf Herren kamen von der in Berlin ansässigen Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt, so der Statik-Spezialist Alfred Teichmann und der Mathematiker und Aerodynamiker Curt Schmieden. Anwesend war außerdem der Elektroniker Helmut Schreyer von der TH Charlottenburg, ein enger Freund Konrad Zuses. Anlass des Treffens war Zuses Versuchsmaschine 3 oder V3, besser bekannt als Z3. Sie war der erste frei programmierbare und voll funktionstüchtige Digitalrechner der Welt.
Die Besucher sahen mannshohe Schränke mit vielen Relais und einigen Schrittschaltern, ein Pult mit Eingabe-Tasten und Ausgabe-Fensterchen sowie eine Apparatur, durch die einen Filmstreifen lief. Als Eingaben akzeptierte die V3 dezimale Gleitkommazahlen, also Paare aus Mantisse und Exponent, wie von Logarithmen bekannt. Die Paare wandelte sie in Dualzahlen um und verarbeitete sie weiter. Die Ausgabe erfolgte dezimal in den Fensterchen des Pults. Die neun möglichen Rechenbefehle wurden als Lochungen im Filmstreifen zugeführt.
Die V3 war die elektrische Version der mechanischen Rechenanlage V1 alias Z1, die Konrad Zuse von 1936 bis 1938 im elterlichen Wohnzimmer in der Wrangelstraße gebaut hatte. Das Urmodell klemmte meist irgendwo, die V3 funktionierte dagegen einwandfrei. 600 Relais steckten im Rechenwerk und 1.400 in den Speicherschränken, die 64 Dualzahlen zu 22 Bit fassten. In der Gleitkomma-Notation entfielen 14 Bit auf die Mantisse und 7 Bit auf den Exponenten; ein Bit regelte das Vorzeichen.
Der Computer beherrschte die Grundrechenarten und das Wurzelziehen. Er operierte in einem Takt von 5 Hertz, den eine rotierende Verteilerwalze vorgab. Eine geniale Schaltlogik – heute nennt man sie Carry-Look-Ahead – bewirkte, dass jede Addition unabhängig von der Zahlenlänge nur 3 Takte umfasste. Multiplikationen brauchten 17 Takte, dauerten also gut 3 Sekunden. Bedingte Sprünge waren im Programm nicht möglich; umständlich gestaltete sich die Darstellung der Null.
Wir dürfen dennoch annehmen, dass die Teilnehmer der Präsentation zufrieden wegfuhren, vor allem die Vertreter der DVL, die den Rechner mitfinanziert hatte. In der Folgezeit wurde er noch einige Male vorgeführt. 1944 fiel er einem Bombenangriff zum Opfer. Von der Maschine sind nur Schaltpläne, doch keine Fotos überliefert. Am nächsten kommt ihr wahrscheinlich die obige Zeichnung, die Konrad Zuse nach dem Krieg aus dem Gedächtnis anfertigte.
Die V3 bzw. Z3 war der erste Computer, beeinflusste aber die Computergeschichte nur indirekt. Der Nachfolger von 1945 machte als Z4 in der Schweiz Karriere und steht im Deutschen Museum. Relaistechnik finden wir im Zuse-Computer Z5 von 1953 und in der Z11, die 1955 herauskam. 1960 schuf Konrad Zuse den ersten Nachbau der Z3. Eine verkleinerte Kopie erstellten 2001 sein Sohn Horst und der Informatikprofessor Raúl Rojas. 2010 baute Horst Zuse eine Z3-Replik in Originalgröße.
Die Methfesselstraße 7 wurde im Krieg zerstört; das Areal blieb unbebaut. An einer Mauer hängt seit 1998 eine Gedenktafel. Verschwunden sind ebenso die Häuser Methfesselstraße 10 und 12. Die interaktive Luftbildseite des Tagesspiegel, die in das Berlin von 1928 führt, zeigt aber alle Adressen noch unzerstört. Der Viktoriapark, an dessen Ostseite unsere Straße verläuft, liegt nordwestlich vom Flughafen Tempelhof, der Rest sei dem Leser überlassen. (Bitte „Selbst erkunden“ anklicken.) Zur Kontrolle folgt unten eine Ansicht des Z3-Hauses direkt von oben.
Das Bildagentur bpk besitzt ein Foto der Methfesselstraße, das der Fotograf Franz Fischer 1920 aufnahm – damals hieß sie noch Lichterfelder Straße. Ein Ausschnitt diente schon als Eingangsbild. Die Nummer 7 ist das helle Haus rechts, links vorn steht Haus Nummer 12, und dahinter ist die Rückfront von Nummer 10 zu erkennen. Zum Abschluss bringen wir einen größeren Ausschnitt: oben ist die Ecke Kreuzberg-/Belle-Alliance-Straße. Willkommen im Zuse-Kiez, wo der Computer zur Welt kam!
interessante geschichte,die ich so noch nicht kannte,umso mehr da mir durch zufall eine neue leiterplatte mit 4 kondensatoren (in verpackung)in die hände fiel,von der zuse kg bad hersfeld ts 231,leider ohne datum und leider nicht von den anfängen dieser entwicklung, für mich insgesamt spannende informationen…